Das Wort "Fracking" treibt die Deutschen auf die Barrikaden
ENERGIE II Unterschiedliche Auffassungen über das Trinkwasser-Risiko. Nach dem Bundesrat will auch die Regierung der neuen Fördermethode Grenzen setzen
Umweltdebatte statt Promiklatsch, Aktivisten neben Autogrammjägern auf der Berlinale - Hollywood-Star Matt Damon macht's möglich. Er erläutert, was er mit seinem neuesten Film "Promised Land" erreichen will: Anhand des Themas Fracking für Offenheit in wichtigen politischen Prozessen werben und ein Stück amerikanischer Identität abbilden. Damons Films hätte es in Deutschland nicht bedurft, um breite Aufmerksamkeit für die Förderung von unkonventionellem Erdgas aus Schiefergestein und Kohleflözen durch Hydraulic Fracturing zu erregen. Schon längst haben sich Bürgerinitiativen vor allem in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen formiert, um Fracking zu verhindern. Und zur deutschen Identität scheint es zu gehören, dass umweltrelevante Themen über ein Mobilisierungspotenzial verfügen, das die Politik nicht ignorieren kann.
Warnungen
Steigende Energiepreise und verheißungsvolle Zahlen aus den USA rufen zwar Ökonomen und Industrie auf den Plan, den Einsatz von Hydraulic Fracturing auch in Deutschland zu forcieren. Doch Umweltverbände machen mobil: Zu unsicher, zu gefährlich sei Fracking. Renommierte Wissenschaftler wie Alexander S. Kekule´ und das Umweltbundesamt warnen, die in den Boden gepumpten Chemikalien sowie durch das Aufbrechen der Gesteinsschichten freigesetzte Substanzen könnten das Grund- und Trinkwasser verseuchen. Auch die Wirtschaftlichkeit wird in Frage gestellt; damit sich Fracking lohne, müssten sich die Gaspreise laut Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) gegenüber heute verdoppeln.
Dagegen sieht die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) - anders als das Bundesumweltamt - keine Gefahr für Umwelt und Trinkwasser. "Die Schiefergas-Fördertechnik ist grundsätzlich kontrollierbar und umweltverträglich einsetzbar", so der Leiter des BGR-Projekts "Erdöl und Erdgas aus Tonsteinen in Deutschland", Stefan Ladage. Und in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit konterte der Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung (WEG): Unternehmen würden die Technik nicht seit Jahrzehnten einsetzen, wenn diese nicht wirtschaftlich wäre. Der Chemiekonzern BASF sieht nicht nur Deutschland, sondern ganz Westeuropa in Zugzwang: Die Gaspreise seien hier um das Vier- bis Fünffache höher als in den USA. "Das verschafft Industrie und Verbrauchern in den USA einen Preisvorteil von einer halben Milliarde US-Dollar am Tag und gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie", betonte BASF-Vorstandsmitglied Harald Schwager.
Auch die Politik steht der neuen Technologie ablehnend bis verhalten gegenüber. Zwar waren die Oppositionsfraktionen im Bundestag Ende letzten Jahres mit Anträgen zum Verbot von Fracking zur Förderung von Erdgas und Erdöl (17/11829 17/11328, 17/11712) an den Stimmen der schwarz-gelben Mehrheit gescheitert. Im Bundesrat konnte dagegen die rot-grüne Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, die bereits Mitte 2012 aufgrund eines Gutachtens ein Moratorium beschlossen hatte, eine Mehrheit für ihren Antrag (754/12) gewinnen: Es soll danach kein Fracking ohne Umweltverträglichkeitsprüfung geben. Dies hätte zur Folge, dass auch Bürger und Umweltverbände Förderanträge einsehen und eventuell dagegen klagen könnten. Bislang mussten Anträge von Förderfirmen nur innerhalb einer Behörde geprüft werden.
Die Bundesregierung ist nun unter Druck geraten, das Bergrecht zu ändern. Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) kündigte vor wenigen Tagen im Deutschlandfunk an, per Gesetz die Voraussetzungen erschweren zu wollen, und er empfahl der Industrie, "in der nächsten Zeit keine Anträge zu stellen". Derweil hat sich eine Koalitions-Arbeitsgruppe auf Eckpunkte für eine gesetzliche Regelung unter strengen Auflagen geeinigt. Die wichtigsten Punkte sind die vom Bundesrat geforderte Umweltverträglichkeitsprüfung sowie der umfassende Schutz von Grund- und Trinkwasser. Den Grünen geht dieser Entwurf nicht weit genug. Damit könnten die Autoren ihr erklärtes Ziel verfehlen, für dieses Vorhaben im Bundesrat auch die Zustimmung der rot-grün regierten Bundesländer zu bekommen.
Jacqueline Schäfer ist freie Autorin in Berlin.