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OZEANieN : Atlantis in der Südsee

Die Inselstaaten im Südpazifik haben kaum etwas zum Klimawandel beigetragen, dürften aber besonders stark von ihm betroffen sein

27.07.2015
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4 Min

Als im März 2015 Zyklon "Pam" auf Vanuatu traf, verheerte er die Heimat von 267.000 Menschen. Es gab Tote; Helfer meldeten mindestens 100.000 Obdachlose; fast alle Gebäude in der Hauptstadt Port Vila waren zerstört oder schwer beschädigt. Auf der ganzen Inselkette waren die Trinkwasservorräte verdreckt, die Ernten vernichtet, die Straßen unpassierbar, die Telefonverbindungen gekappt.

"Wir müssen wieder ganz von vorne beginnen", sagte Baldwin Lonsdale, der sichtlich erschütterte Präsident Vanuatus, als er das Ausland zur Hilfe aufrief. Mit Windgeschwindigkeiten von mehr als 300 Kilometern pro Stunde war "Pam" einer der stärksten je gemessenen Zyklone. Seine schweren Regenfälle und bis zu acht Meter hohen Wellen führten in Vanuatu und dem rund 1.500 Kilometer entfernten Tuvalu zu schweren Überschwemmungen.

Aber war "Pam" auch ein Produkt des Klimawandels? Eindeutig ist das nicht. Zu behaupten, dass ein einzelnes Extremwetterereignis sich mit Sicherheit auf den Klimawandel zurückführen ließe, wäre unseriös. Doch es gibt Zusammenhänge: Als "Pam" entstand und Fahrt aufnahm, war das Meer der Südsee wärmer als sonst - teilweise wegen des Wetterphänomens El Niño, aber auch wegen der Erderwärmung. Das verlieh dem Sturm seine außergewöhnliche Wucht.

Die Messdaten zeigen, dass die Stärke von tropischen Zyklonen im Südpazifik seit 1982 zunimmt. Klimaforscher wie Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung erkennen einen Trend. Und Hochrechnungen deuten darauf hin, dass dieser Trend sich in Zukunft fortsetzen wird. Steigt zudem der Meeresspiegel, wie in vielen Szenarien vorhergesagt, werden die Stürme wohl noch schlimmere Fluten auslösen als bisher.

Damit deutet vieles darauf hin, dass Katastrophen wie die auf Vanuatu wegen des Klimawandels in Zukunft häufiger vorkommen werden - auch in der Südsee. Die Inseln dort sind aber besonders verwundbar. Ihr Land liegt meist nur wenige Meter, manchmal gar nur Zentimeter über dem Meeresspiegel.

Und selbst wenn die starken Stürme in Zukunft ausblieben: Der Klimawandel macht sich auch in anderer Form bemerkbar. Mit dem steigenden Meeresspiegel geht vielerorts Land verloren. Auch auf Vanuatu wurden Küstenbewohner bereits in höher gelegene Orte umgesiedelt; nach "Pam" bereiten sich weitere Dörfer auf einen Umzug ins Landesinnere vor.

Ebenfalls wegen des steigenden Meerwassers versalzt das Grundwasser auf vielen Inseln, Nahrungsmittel anzubauen wird deshalb immer schwieriger. Die Versorgung von außen aber ist teuer, denn die Südseeinseln sind abgelegen und nur schwer erreichbar - und sie haben nur wenige eigene Erzeugnisse, die sie im Handel gegen Importe eintauschen könnten.

Zum Klimawandel haben die Bewohner der Inseln wenig beigetragen und doch sind sie besonders stark durch ihn gefährdet.

Anote Tong ist der Präsident des Inselstaats Kiribati, fast 4.400 Kilometer von Vanuatu entfernt. "Irgendwann wird das Wasser sich nicht mehr zurückziehen", warnt er immer wieder, wenn ein Wirbelsturm Zerstörung anrichtet - so auch nach "Pam". "Die Risiken des Klimawandels beeinträchtigen unsere Rechte und unser künftiges Überleben."

Etwa zehn Millionen Menschen leben in Ozeanien. Was Anote Tong meint, ist: Irgendwann werden viele von ihnen ihre Heimatinseln verlassen müssen, weil diese entweder unbewohnbar werden oder ganz im Meer verschwinden. Ganze Dorfgemeinschaften bereiten schon ihren Umzug ins Ausland vor, doch es ist ungewiss, ob sie irgendwo Aufnahme finden werden. Kiribatis Präsident hat Land auf Fidschi erworben, als Risikoversicherung für seine Bürger. Und er möchte, dass die Jungen eine gute Ausbildung erhalten. Sie sollen "in Würde migrieren", sagt er.

Die große Frage ist: Wohin sollen die Leute gehen? Für die Staatschefs der Südseeinseln und manche Entwicklungsorganisationen ist das nicht nur eine humanitäre Frage, sondern eine des Völkerrechts. Der Klimawandel, sagen sie, verletze Menschenrechte. Staaten, die internationale Menschenrechtskonventionen unterzeichnet haben, müssten deshalb alles tun, um den Einwohnern von Vanuatu, Fidschi oder Tuvalu zu helfen. Zum Beispiel müssten sie ihnen Asyl gewähren.

Doch die Genfer Flüchtlingskonvention kennt den Klimawandel als Asylgrund nicht, und noch kein Staat hat sich bisher freiwillig erboten, Klimaflüchtlinge aufzunehmen. Dass ein neuseeländisches Gericht im vergangenen Jahr einer Familie aus Tuvalu Asyl gewährte, ist ein Einzelfall.

Verschärfung Es scheint ein aussichtsloser Kampf zu sein: Derzeit scheint die internationale Politik nicht einmal in der Lage, die Erderwärmung auf die eigentlich vereinbarten zwei Grad zu begrenzen, doch die kleinen Inselstaaten fordern weiter unbeirrt eine Verschärfung auf ein 1,5-Grad-Ziel. Auf den Klimagipfeln geht es daneben immer mehr um die Frage, wie viel Geld die Industriestaaten den am stärksten betroffenen Ländern zahlen sollen, um wenigstens einen Teil der Schäden auszugleichen. Dieser Punkt ist ebenso heiß umstritten wie der Beitrag der einzelnen Länder zum Klimaschutz selbst (siehe Beitrag oben).

Als sich im Dezember 2013 die Klima-Unterhändler in Warschau trafen, waren viele bestürzt wegen der Verwüstung durch den Taifun "Haiyan" auf den Philippinen. Der Gipfel erzielte dennoch nur geringe Fortschritte. "Pam" trat 15 Monate später auf, als in Japan eine andere UN-Konferenz tagte. Vanuatus Präsident war unter den Teilnehmern. "Diese Konferenz beschäftigt sich mit Katastrophenschutz", sagte Lonsdale. "Was gerade in Vanuatu passiert, ist die Wirklichkeit. Wir sehen, wie der Meeresspiegel steigt, wie sich die Wettermuster verändern. All diese Dinge geschehen überall."

Und dann fügte er noch hinzu: "Der Klimawandel hat zu diesem Desaster beigetragen." Es spricht viel dafür, dass er solche Sätze noch auf vielen Konferenzen sagen wird.

Die Autorin ist Redakteurin bei "ZEIT ONLINE".