EDITORIAL : Krankhafter Psychokrieg
Eine verschmähte Liebe, eine zerrüttete Nachbarschaft, ein fehlgeleitetes Konkurrenzgefühl im Beruf - die Gründe für schikanöse Nachstellungen sind vielfältig. Das neudeutsch als Stalking bezeichnete Phänomen wurde lange Zeit nicht ernst genug genommen. Es galt als private Befindlichkeit, als persönliches Problem, das außer den beteiligten Parteien niemanden etwas anging.
Diese Haltung hat sich gewandelt. Inzwischen ist erwiesen: Wer anderen Menschen nachstellt, verursacht eine psychische Belastung, die krank macht, im schlimmsten Fall in den Tod treibt.
Das kommt gar nicht so selten vor. Es gibt zahlreiche Instrumente, mit denen Stalking-Opfer malträtiert werden: ständige Nachrichten über elektronische Medien, regelmäßiges Auflauern, Droh-Anrufe am Telefon, unbefugtes Veröffentlichen von kompromittierenden oder intimen persönlichen Daten, im Namen des Opfers gefälschte Belieferung mit Waren und Dienstleistungen.
Es ist nicht leicht, sich dagegen zu wehren. Denn die psychische Belastung durch Stalking ist schwer messbar, ebenso wie der Schaden, der verursacht wird. Zählt dazu schon eine aus Sorge durchwachte Nacht? Ein Gefühl der Angst, wenn das Telefon klingelt? Die Panik, allein vor die Haustür zu treten? Oder erst der verzweifelte Wechsel des Arbeitsplatzes oder Wohnortes?
Fest steht: Opfer von Stalking verdienen den Schutz des Gesetzgebers. Und deshalb ist es richtig, dass der Deutsche Bundestag in der vergangenen Woche über die "Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen" debattiert hat.
Dabei wurde einmal mehr deutlich, dass das Kommunikationsverhalten in der modernen Gesellschaft nicht nur Segen, sondern auch Fluch ist. Die mitunter zum zwanghaften Wahn ausgeprägte Möglichkeit, ständig und überall Persönliches in die Welt zu senden und zu empfangen, erleichtert Stalking ungemein. So gelangen Informationen in die Öffentlichkeit, die sich leicht dazu missbrauchen lassen, einer Person Schaden zuzufügen.
Für einen Psychokrieg gegen Mitmenschen gibt es keinen nachvollziehbaren Grund. Wer das dennoch tut, der vergisst, dass so nicht nur das Leben des Opfers belastet wird, sondern gewiss auch das eigene, weil Rache Verletzungen nicht heilt, sondern vertieft.