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VERTEIDIGUNG : Wahlkampftöne überlagern Debatte über Rechtsextremismus in der Truppe

Die Opposition und die SPD werfen CDU-Ministern Ursula von der Leyen und Thomas de Maizière Versagen im Fall des Bundeswehroffiziers Franco A. vor

22.05.2017
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4 Min

Applaus von links ist für Ursula von der Leyen (CDU) selten. Soldatinnen und Soldaten schwörten einen Eid, Recht und Freiheit des deutschen Volkes zu verteidigen, Extremisten träten Recht und Freiheit mit den Füßen. "Deshalb haben Rechtsextremisten nichts in der Bundeswehr verloren", sagte die Verteidigungsministerin in der vergangenen Woche in einer Aktuellen Stunde des Bundestages. Die Feststellung konnten alle Fraktionen unterstützen. Ansonsten hatte die CDU-Politikerin, die seit gut zwei Wochen mit dem Fall des rechtsextremen Offiziers Franco A. alle Hände voll zu tun hat, aber einen schweren Stand.

»Generalverdacht« Die Linksfraktion hatte die Aktuelle Stunde mit der Überschrift "Aufklärung möglicher rechtsextremer Strukturen in der Bundeswehr" beantragt. Neue Fakten brachte die Debatte nicht zu Tage. Sie lieferte aber einen Vorgeschmack auf den Wahlkampf. Dass Linke und Grüne die Verteidigungsministerin kritisieren, war erwartbar. Aber auch der Koalitionspartner SPD nahm von der Leyen schwer unter Beschuss. Kurz vor der Debatte hatte SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz ihr vorgeworfen, die Soldaten unter Generalverdacht zu stellen und für einen Imageverlust der Truppe verantwortlich zu sein. Schulz traf sich öffentlichkeitswirksam mit dem Vorsitzenden des Deutschen Bundeswehrverbandes, André Wüstner, während die Ministerin erneut dem Verteidigungsausschuss Rede und Antwort stehen musste.

Ist der Fall Franco A., der mit mindestens zwei Komplizen offenbar Anschläge plante und sich parallel als syrischer Flüchtling ausgab und vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sogar einen Schutzstatus erhielt, ein Einzelfall oder nicht? Darüber gingen die Ansichten weit auseinander. Nein, sagte die Verteidigungsexpertin der Linken, Christine Buchholz. Ein "relevanter Teil" der Bundeswehr habe ein Problem mit dem Rechtsextremismus, meinte Buchholz und bezog sich auf Zuschriften von Soldaten. Das Problem sei von der Ministerin kleingeredet worden. Allerdings sollte sich auch die SPD nicht so "aufplustern". Ihr damaliger Verteidigungsminister Peter Struck habe Untersuchungen zu dem Thema blockiert. Buchholz warf der Bundeswehr und dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) "Totalversagen" vor.

Die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Agnieszka Brugger, betonte, es habe immer wieder Gelegenheiten gegeben, rechtsextreme Umtriebe in der Truppe zu untersuchen, etwa anhand der Berichte des Wehrbeauftragten des Bundestages. Mathias Edwin Höschel (CDU) entgegnete, die Zahl der Verdachtsfälle sei rückläufig. Und nur ein Bruchteil davon bestätige sich. Florian Hahn (CSU) sprach von "einzelnen schwarzen Schafen". So weit wollte die Ministerin nicht gehen. Sie wandte sich zwar gegen einen Pauschalverdacht. Aber nur von Einzelfällen zu sprechen, wäre "grundfalsch".

Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter nannte es "schleierhaft", dass die Pläne und das Doppelleben von Franco A. so lange unbemerkt blieben. "Es schauten zu viele in entscheidenden Momenten weg", beklagte Hofreiter. Für diesen "Skandal" trage die Ministerin die Verantwortung. Hofreiter verwies darauf, dass die Union seit zwölf Jahren das Verteidigungsministerium führe. "Sie und ihre Partei stellen ein Sicherheitsrisiko dar", sagte Hofreiter.

Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer Arnold, machte für die Vorfälle von der Leyen "persönlich" verantwortlich. Das gelte ebenfalls für Innenminister Thomas de Maizière (CDU), in dessen Zuständigkeit das BAMF falle. Die Ministerin sei seit dreieinhalb Jahren im Amt, habe aber die guten Fähigkeiten etwa beim Zentrum und Beirat Innere Führung nicht genutzt. "Das Reinhören in die Bundeswehr wurde von Ihnen ignoriert", warf Arnold der Ministerin vor. Gute Führung beginne an der Spitze. "Deshalb sind Sie kein Vorbild für die Soldaten", rief Arnold von der Leyen zu. Sein Fraktionskollege Lars Klingbeil ergänzte, manchmal habe man den Eindruck, von der Leyen sei erst seit zwei Wochen im Amt. Klingbeil vermisste zudem eine öffentliche Entschuldigung der Ministerin für ihre "Pauschalkritik", es gebe ein "Haltungsproblem" und Führungsschwäche auf unterschiedlichen Ebenen. Von der Leyen würdigte im Bundestag allerdings den "hervorragenden Dienst", den Tausende Soldaten täglich tun.

Mehrere Redner der Unions-Fraktion nahmen von der Leyen in Schutz. Der verteidigungspolitischer Sprecher Henning Otte (CDU) warf Linken und Grünen vor, die Bundeswehr in Misskredit zu bringen. Die Kritik des SPD-Kanzlerkandidaten Schulz wertete Otte als Panikreaktion nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. "Die Union steht mit ihrer Verteidigungsministerin fest an der Seite der Soldaten", sagte Otte. Die Bundeswehr sei ein Garant für die Sicherheit und die Union die Partei der innere, äußere und sozialen Sicherheit.

Von der Leyen will im Fall Franco A. "hart aufklären" und "konsequent nachsteuern", sollte es strukturelle Probleme geben. Dass der MAD 2014 nicht über die rechtsextrem durchsetzte Masterarbeit von Franco A. an der französischen Militär-Universität Saint-Cyr unterrichtet worden sei, bezeichnete sie als "klares Versäumnis".

Die Verteidigungsministerin hatte zudem alle Kasernen auf Wehrmachtsdevotionalien durchsuchen lassen. 41 Fundstücke wurden in den rund 400 Standorten gefunden. Sie sollen laut Florian Hahn aber weniger schwerwiegend gewesen sein als die Funde im elsässischen Illkirch, wo Franco A. stationiert war.

Von der Leyen will nun dafür werben, das Traditionsverständnis der Bundeswehr stärker an der eigenen Historie auszurichten. Der geltende Traditionserlass von 1982 soll überprüft werden. Die Bundeswehr habe eine über 60-jährige erfolgreiche Geschichte als Armee der Demokratie, der deutschen Einheit und als Parlamentsarmee, die für Frieden in der Welt kämpfe. Auch als Helfer bei Flutkatastrophen seien die Soldaten im Einsatz. "Wir können aus dieser Geschichte so viel schöpfen. Darauf sollten wir uns besinnen", sagte von der Leyen.