VW-Ausschuss : Nebel im Abgasskandal noch nicht verzogen
Regierung will von nichts gewusst haben
Viel Zeit hatte der 5. Untersuchungsausschuss nicht, den Skandal um den Abgasbetrug um Volkswagen aufzuklären. Und am Ende glichen die Einschätzungen jenen zu Beginn. Von Staatsversagen, das die Manipulationen begünstigt habe, sprachen Linke und Grüne, auf deren Betreiben der der Ausschuss eingesetzt worden war. Union und SPD sind da anderer Ansicht und sahen sich nach genau sechs Monaten Beweisaufnahme bestätigt.
Am 18. September 2015, gab VW gegenüber der US-Umweltbehörde EPA zu, bei rund 500.000 Dieselfahrzeugen die Abgasreinigung mit einer speziellen Software manipuliert zu haben. Schnell war klar, dass der Konzern nicht nur in den USA ein Problem hat. Die verwendete Software kam weltweit in elf Millionen Autos zum Einsatz, darunter mehr als zwei Millionen in Deutschland. Unter Realbedingungen stießen sie zu viel giftige Stickoxide aus. Den Ursachen sollte der Ausschuss auf den Grund gehen und die Frage klären, was die Regierung wann wusste und dagegen unternahm.
Im Juli 2016 wurde der Untersuchungsausschuss eingesetzt. Im September begannen Befragungen von zunächst 13 Sachverständigen. Es folgten 57 Zeugen, darunter vier amtierende und zwei ehemalige Minister, Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Ex-VW-Chef Martin Winterkorn. Letzte Zeugin war Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im März 2016. Der einstigen VW- und spätere Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch lehnte eine Befragung ab. Als österreichischer Staatsbürger musste er nicht in Berlin erscheinen.
»Aus den Medien erfahren« Die Arbeit im Ausschuss, den Herbert Behrens (Linke) leitete, verlief weitestgehend sachlich. Allein sieben Vertreter des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) standen Rede und Antwort. Die nachgeordnete Behörde des Verkehrsministeriums ist für die Typzulassungen zuständig. Die längste Befragung musste Jürgen Resch, der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, mit fast fünfeinhalb Stunden absolvieren. Man hätte schon seit Jahren über die Manipulationen Bescheid wissen können, meinte Resch. Hinweise habe es viele gegeben. Einen Beweis könne aber auch er nicht bringen. So hieß es von allen Zeugen aus Ministerien und Behörden einhellig, von den Manipulationen habe man "aus den Medien erfahren".
Immerhin haben Ausschussmitglieder und Beobachter viel über Abgastechnik gelernt. Eine Schlüsselrolle in der Befragungen spielte die EU-Verordnung 715 von 2007. Sie verbietet im Grundsatz Abschalteinrichtungen zur Minderung der Emissionsreinigung. Ausnahmen sind erlaubt, etwa zum Schutz des Motors oder vor Unfällen. Die Ausnahmen wurden jedoch zur Regel, die meisten Hersteller berufen sich auf den Motorschutz, wie die von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) eingesetzte Untersuchungskommission herausfand.
Am Ende der Ausschussarbeit standen unterschiedliche Einschätzungen von Koalition und Opposition. Der Abschlussbericht (18/12900) enthält zwei Sondervoten von Linken und Grünen. Die Union fand, für die Aufklärung wäre der Untersuchungsausschuss nicht nötig gewesen. Der Verkehrsausschuss hätte ausgereicht.
Gleichwohl verständigte sich die Ausschussmehrheit auf zehn Forderungen und Empfehlungen, die sich in Teilen mit denen Dobrindts decken oder schon realisiert sind. Die Vorgaben der EU sollen präzisiert werden. Die Hersteller sollen bei den Typgenehmigungsbehörden auch die Motorensoftware zumindest hinterlegen. Abgasuntersuchungen sollen neben der On-Board-Diagnose auch wieder am Endrohr erfolgen. Fahrer moderner Diesel-Autos sollen zudem flächendeckend AdBlue tanken können. Der Harnstoff spaltet in sogenannten SCR-Katalysatoren Stickoxide in harmlosen Wasserstoff und Stickstoff auf. Das KBA soll gestärkt werden. Union und SPD plädieren für die Einführung von Musterfeststellungsklagen, damit nicht jeder Verbraucher selbst Ansprüche einklagen muss. Seit Ende 2016 liegt ein Referentenentwurf des Justizministeriums vor, einigen konnte sich die Koalition nicht mehr.
Linken und Grünen gehen diese Forderungen nicht weit genug. Sie verlangen eine Umkehr der Beweislast wie in den USA. Die Hersteller sollten darlegen, dass sie keine unerlaubten Abschalteinrichtungen verwenden. Sanktionen müssten wirklich abschreckend wirken. Die EU-Abgasgesetzgebung müsse gestärkt, bei den ab Herbst geltenden RDE-Straßentests solle nachgebessert werden. Die Linke verlangt zudem, die Steuervorteile des Diesels abzuschaffen und Blaue Plaketten für saubere Diesel in Städten einzuführen. Die Grünen wollen die Typgenehmigungen auf die europäische Ebene verlagern.
Mit Ende der Ausschussarbeit ist die Dieselaffäre nicht passé, im Gegenteil. So hat Dobrindt nach Bekanntwerden von Ermittlungen gegen Daimler wegen möglichen Abgasbetrugs Verantwortliche einbestellt. Medienberichten zufolge könnten eine Million Fahrzeuge betroffen sein. Die Untersuchungskommission soll Daimler-Modelle nun testen. Zuvor hatte Audi rund 24.000 Autos der Modelle A7 und A8 zur Nachrüstung zurückgerufen, nachdem der Minister dem Hersteller vorgeworfen hatte, eine unzulässige Abgas-Software genutzt zu haben. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft ermittelt zudem gegen Porsche-Mitarbeiter wegen möglicher Abgasmanipulationen.
Ende Juni kündigte der Minister die Gründung eines Instituts für Verbrauchs- und Emissionsmessungen zusammen mit der Autoindustrie an. Es soll auf einer Referenzstrecke jährlich rund 70 neue Autos testen. Am 2. August tagt erstmals ein "Nationales Forum Diesel". Hier geht es um die Modalitäten der Nachrüstung von Dieselfahrzeugen.
Fahrverbote Im Raum steht weiter das Vertragsverletzungsverfahren, dass die EU-Kommission im Dezember 2016 gegen Deutschland und sechs weitere Länder eröffnet hat, weil sie angeblich keine ausreichenden Sanktionen gegen Abgassünder vornehmen. Schließlich drohen Fahrern von Dieselautos Fahrverbote in vielen Innenstädten. Ein Imageproblem hat der Diesel schon jetzt. Im ersten Halbjahr waren nur noch 41,3 Prozent der neu in Deutschland zugelassenen Pkw Selbstzünder, das waren 9,1 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.