parteien : Abseits des parlamentarischen Rampenlichts
Unter den Klein, die zur Bundestagswahl angetreten sind, gibt es einige Neugründungen, aber auch erfahrene Kräfte
Kleinparteien, die bei der Bundestagswahl antreten, finden selten eine breite Öffentlichkeit. In der Wahlstatistik der Fernsehsender werden sie unter "Sonstige" vermerkt, denn Chancen auf einen Einzug in das Parlament haben diese Splittergruppen ohnehin kaum, woraus jedoch keineswegs zu schließen wäre, es ginge politisch um gar nichts. Denn zum einen artikulieren auch diese Vertreter der außerparlamentarischen Opposition einen politischen Gestaltungsanspruch, zum anderen geht es um viel Geld aus der staatlichen Parteienfinanzierung und damit um die Kampagnenfähigkeit.
Erreicht eine Partei mindestens 0,5 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen, stehen ihr Gelder aus der staatlichen Teilfinanzierung der politischen Parteien zu. Um kleine Gruppierungen gegenüber etablierten Parteien nicht zu benachteiligen, werden für die ersten vier Millionen Stimmen pro Jahr 1,00 Euro statt wie sonst 83 Cent gewährt. Der Bundeswahlleiter kümmert sich daher akribisch um jede noch so kleine Partei und jede abgegebene Stimme, zumal nichts ist in einer Demokratie so wertvoll ist wie die Entscheidung des Souveräns, egal auf welchem Feld der Wähler nun sein Kreuz macht. Bei dieser Wahl sind auf die vielen Kleinparteien zusammen 2,3 Millionen Zweitstimmen (Fünf Prozent) entfallen, die bei rund 46,5 Millionen gültigen Zweitstimmen insgesamt letztlich aber nicht so sehr ins Gewicht fallen.
Alt und neu An der Bundestagswahl 2017 haben sich 42 Parteien beteiligt, darunter 34, die mit einer Landesliste um die für das Kräfteverhältnis im Bundestag entscheidende Zweitstimme warben. Einige Kleinparteien wie die 1982 gegründete Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD), die im selben Jahr entstandene Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) oder die 1993 ins Leben gerufene Tierschutzpartei sind schon viele Jahre im politischen Geschäft. Das gilt auch für die 1968 gegründete Deutsche Kommunistische Partei (DKP), die schon bei zahlreichen Wahlen angetreten ist.
Die MLPD kam bei der Bundestagswahl nun auf 29.928 Zweitstimmen oder 0,1 Prozent. Auf die ÖDP entfielen 144.772 Zweitstimmen oder 0,3 Prozent, die DKP kam auf 11.713 Zweitstimmen (0,0 Prozent) und war damit nicht zufrieden. Das Ergebnis sei "sehr niedrig und kann uns nicht befriedigen", hieß es. Deutlich besser schnitt die Tierschutzpartei ab, die 373.278 Zweitstimmen für sich verbuchte, die Marke von 0,5 Prozent klar toppte und damit zu den stärksten Kräften unter den Sonstigen avancierte.
Andere Gruppierungen, die an der Bundestagswahl teilnahmen, sind Neugründungen, so etwa Die Grauen, die es erst seit Mai 2017 gibt: Eine Organisation, die sich zumindest teilweise in der Tradition der 1989 von Trude Unruh etablierten Grauen Panther sieht, die sich bis zu ihrer Auflösung 2008 für die Rechte älterer Menschen einsetzten. Die Grauen erreichten 9.874 Zweitstimmen (0,0 Prozent), was der Vorstand als "großen Zuspruch" wertete, der zeige, "dass unser Ziel einer Politik für alle Generationen der richtige Weg in die Zukunft unseres Landes ist."
Dada und Satire Unter den neuen Gruppierungen ist eine mit der exotischen Bezeichnung V-Partei³, Partei für Veränderung, Vegetarier und Veganer, die 2016 in München an den Start ging und 64.130 Zweitstimmen (0,1 Prozent) gewinnen konnte. Hinter dem abstrakten Kürzel B* steht ferner die 2011 in Berlin vollzogene Vereinigung von Bergpartei und Die Überpartei, nach eigener Darstellung ein "ökoanarchistisch-realdadaistisches Sammelbecken", das ganze 932 Zweitstimmen einsammelte.
Von den Parteien, die unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde zum Einzug in den Bundestag geblieben sind, haben nur drei mit dem Zweitstimmenergebnis die Marke von 0,5 Prozent überschritten und bekommen Stimmengelder aus der staatlichen Parteienfinanzierung. So erreichten die Freien Wähler, die sich selbst als "unabhängig und wertkonservativ" bezeichnen und auf ihre "starke kommunale Verwurzelung" verweisen, 463.052 Zweitstimmen und damit 1,0 Prozent Zustimmung.
Kaum weniger Stimmen entfielen auf Die Partei, deren Programm eigentlich nur darin besteht, den politischen Betrieb kritisch aufs Korn zu nehmen. Die Satireaktivisten mit dem früheren "Titanic"-Chefredakteur Martin Sonneborn als Aushängeschild sammelten 452.922 Fan-Stimmen ein und erreichten ebenfalls 1,0 Prozent. Die Tierschutzpartei schaffte mit 0,8 Prozent die "magische Grenze".
Die Piratenpartei, einst als Flaggschiff der digitalen Bewegung gestartet, erlitt hingegen erneut Schiffbruch und kam nur noch auf 173.867 Zweitstimmen oder 0,4 Prozent. Das sind 1,8 Prozentpunkte weniger als bei der Bundestagswahl vor vier Jahren, als die Partei schon in schweres Fahrwasser geraten war. Bei ihrer Gründung versprachen die Piraten maximale Transparenz in der politischen Entscheidungsfindung. Sie wollten liberal sein, "sozial, digital und basisdemokratisch" und fanden schnell Anhänger. Neben Wahlerfolgen auf kommunaler Ebene gelang der Partei 2011 und 2012 auch der Einzug in die Landesparlamente von Berlin, dem Saarland, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Heute sind sie dort nicht mehr vertreten, dafür im Europaparlament mit einer Abgeordneten. Bei Kleinparteien, die erst hochgejubelt werden und dann aus der Mode kommen, scheint das Boxer-Motto zu gelten: "They never come back."