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Europarat : Schlechtwetter in Straßburg

Finanzkrisen und der Dauerskandal um Korruption mischen den Staatenbund und dessen Parlament auf

27.11.2017
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3 Min

Die Hiobsbotschaften reißen nicht ab. In einem Brief, der seinen Weg in die Medien fand, schockierte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu den Generalsekretär des Europarats, Thorbjörn Jagland, mit der Ankündigung, sein Land wolle seine Beitragszahlungen reduzieren. Begründung: In dem Gremium würden "antitürkische Tendenzen" befördert. Der Vorwurf zielt vor allem auf die Verleihung des Vaclav-Havel-Preises an Murat Arslan durch die Parlamentarische Versammlung; mit dieser Ehrung wollten die Abgeordneten das Engagement des inhaftierten Juristen für die Freiheitsrechte würdigen und ein Zeichen gegen die rechtsstaatlich fragwürdige Repressionspolitik in der Türkei seit dem gescheiterten Putsch setzen. Erzürnt ist Ankara aber noch aus einem anderen Grund: Die Parlamentarier des Staatenbunds haben das Land am Bosporus einem Monitoring unterworfen, um zu kontrollieren, ob dort demokratisch-rechtsstaatliche Standards gewahrt werden.

Die Türkei hat bislang 34 Millionen Euro zum Etat des Staatenbunds beigesteuert, der sich für 2018 auf rund 250 Millionen Euro beläuft - wobei 16 Millionen auf die Parlamentarische Versammlung entfallen. Andere große Länder wie Frankreich, Italien, Großbritannien, Deutschland oder Russland überwiesen bisher jeweils etwa 30 Millionen Euro. Über das Ausmaß der Kürzung hat die türkische Regierung noch nicht entschieden, im Palais de l'Europe, dem Sitz des Europarats, ist von nur noch 14 Millionen Euro aus Ankara die Rede.

20 Millionen weniger träfen den Europarat hart - zumal Russland seine Beitragszahlungen bereits im Sommer reduziert hat. Wie zu hören ist, sollen 20 Millionen Euro nicht überwiesen worden sein. Das Drehen am Geldhahn ist ein Protest gegen den Entzug des Stimmrechts für die 18 Duma-Delegierten durch das Parlament wegen der Annexion der Krim.

Schmerzhafte Einschnitte Beim Europarat zeichnen sich nun schmerzhafte Konsequenzen ab. Zur Debatte stehen der Verzicht auf Gehaltserhöhungen fürs Personal, verschärfte Befristungen bei Zeitverträgen sowie Einschnitte bei Investitionen in Baumaßnahmen und im IT-Bereich. Zum Jahresende kommt es also richtig dick. Für den Briten Roger James Gale, Vizepräsident des Parlaments, ist der Ausfall der Beitragszahlungen ein "beispielloses Problem".

Obendrein ist der Korruptionsskandal um Aserbaidschans Lobbypolitik keineswegs ausgestanden. Die Regierung in Baku soll versucht haben, mit Geld, Reisen in den Kaukasus und teuren Geschenken Europaratsabgeordnete von Kritik an den autokratischen Zuständen in dem Land abzuhalten. Das prominenteste Opfer dieser Affäre ist bisher Pedro Agramunt, dem neben einer Reise zu Syriens Diktator Baschar al Assad vor allem Verwicklungen in die Aserbaidschan-Connection zum Verhängnis wurden: So musste der Spanier als Parlamentspräsident zurücktreten. Seinen Sitz in Straßburg aufgegeben hat wegen der "Kaviardiplomatie" Bakus auch der belgische Abgeordnete Alain Destexhe. Die italienische Staatsanwaltschaft nimmt wegen des Verdachts der Geldwäsche Luca Volonté in die Mangel: Der frühere Straßburger EVP-Fraktionschef soll unter der Tarnung einer "Beratertätigkeit" über zwei Millionen Euro aus Aserbaidschan bekommen und das Land im Gegenzug beim Europarat protegiert haben.

Der Skandal hat auch Deutschland erreicht. Nach langem Schweigen hat sich die CDU-Bundestagsabgeordnete Karin Strenz entschlossen, ihr Mandat in Straßburg ruhen zu lassen und über eine weitere Mitwirkung beim Staatenbund "intensiv nachzudenken". Zuvor hatte die Unions-Fraktion Druck gemacht: Man erwarte, dass Strenz nicht wieder für das Europaratsparlament kandidiert. Sie soll Geld über eine von Baku finanzierte Firma des ehemaligen CSU-Abgeordneten Eduard Lintner erhalten haben, die Lobbyarbeit für Aserbaidschan betreibt. Strenz will nicht gewusst haben, dass die Gelder aus Baku stammten.

Die Fernwirkungen des Korruptionsskandals könnten bei der Januar-Tagung des Straßburger Parlaments durchaus Turbulenzen provozieren. Die Kammer will dann einen neuen Präsidenten küren. Bislang sorgten Absprachen der Fraktionen stets für einen reibungslosen Ablauf. Dieses Mal sind die Sozialisten dran, die mit dem Italiener Michele Nicoletti einen Bewerber präsentieren, der die Korruptions-Aufklärung vorangetrieben hat - was freilich nicht jedem Abgeordneten behagt.

Vor dem Hintergrund der diskreditierten Kungelpolitik scheinen manche Parlamentarier nun den Reiz "wilder" Kandidaturen zu entdecken. Einen Vorgeschmack gab es bereits. Nach Agramunts Rücktritt setzte sich bei der Wahl eines Interimspräsidenten die Zypriotin Stella Kyriakides durch, obwohl die EVP auf der Basis der Fraktionsabsprachen offiziell den Litauer Emanuelis Zingeris präsentiert hatte.

Bis Jahresende soll eine Kommission den Bestechungsskandal durchleuchten. Was findet das Gremium heraus? Wen trifft es noch? Im Palais de l'Europe liegt die Spannung in der Luft.