UMWELT : Das Öko-Paradox
Abbau und Verwendung Seltener Erden
Schade, dass die Autorinnen das Problem auch mit dem moralischen Zeigefinger bekämpfen wollen: Sie sprechen von einer "genügsamen Gesellschaft ohne Wachstum", einer Einschränkung des Konsums bis hin zum "kompletten Verzicht auf bestimmte Produkte", fordern gar eine Änderung des "westlichen Lebensstils". Doch es hat noch nie funktioniert, den Leuten vorzuschreiben, wie sie zu leben haben. Und im millionenfachen Kauf von Computern und Handys, die auch auf Seltenen Erden basieren, steckt ein demokratisches Votum.
In ihrem spannenden Buch zeigen Luitgard Marschall und Heike Holdinghausen effizientere Konzepte zur Überwindung des Paradoxons auf, wonach Energiewende und Elektromobilität ohne Seltene Erden technisch nicht zu schaffen sind, die "Vitamine der Industrie" jedoch bei ihrer Gewinnung die Umwelt erheblich belasten. Überzeugend analysiert das Buch, dass man diesem Dilemma mit höheren Öko-Standards in Bergwerken, Recycling und Substitution beikommen kann.
Viele Produkte der Energie-, Militär- und Kommunikationstechnik enthalten die 17 Spezialmetalle: Thulium findet sich in Röntgentechnik, Holnium in Lasersystemen, Cer in Glas und Keramik. CD-Player und Laptop-Festplatten benötigen magnetische Elemente wie Neodym, Dysprosium und Praseodym. Gleich mehrere dieser Rohstoffe sind erforderlich, um bei Smartphones Farben im Display zu erzeugen. Batterien, Herzstück der E-Autos, Windräder oder LED-Lampen würden ohne Seltene Erden nicht funktionieren. Aber für deren Abbau werden Chemikalien, Wasser und Energie in großem Stil gebraucht. Abfälle bergen sogar radioaktive Substanzen in sich. Giftige Schlämme werden schon mal in schlecht gesicherten Teichen gelagert.
Unfreiwillig beflügelte der Weltmarktführer China eine Wende. Als 2010 die Preise explodierten und die Angst vor dauerhaften Höchstpreisen wie vor chinesischen Exportbeschränkungen grassierte, konterten Firmen mit Substitution - mit "großem Erfolg", so das Buch. Ganz zu ersetzen sind die Rohstoffe nicht, doch sofern möglich, wird seither auf sie verzichtet. Oder man nutzt alternative Metalle, spürt etwa magnetischen Materialien ohne Seltene Erden nach. Als Folge der Substitution ging die Nachfrage zurück: Die Preise sanken und die Reduzierung der Fördermengen entlastete die Umwelt. Noch nicht ausgeschöpft ist das Recyclingpotenzial der 17 Elemente, etwa bei alten Handys. Strenge Umweltstandards könnten Öko-Schäden in Bergwerken eindämmen, in China scheint inzwischen ein solches Umdenken einzusetzen.