Gastkommentare - Contra : Es ist genug
Koalition des »Weiter so«?
Manche halten die Große Koalition für den dümmsten gemeinsamen Nenner der Demokratie; das ist falsch. Andere halten sie für den klügsten gemeinsamen Nenner; das ist noch falscher.
Große Mehrheiten sind keine Garantie für große Taten: Die wichtigsten Weichenstellungen der Bundesrepublik (nicht alle waren auch die richtigsten) wurden von kleinen Koalitionen bewerkstelligt: Westbindung, Wiederbewaffnung, Ostpolitik, Wiedervereinigung, Euro, Auslandseinsätze der Bundeswehr, Agenda 2010. Die Zeiten, in denen Große Koalitionen regierten, waren andererseits nicht die schlechtesten Zeiten der Republik. Aber es gilt der Satz, den Paracelsus für die Medizin formuliert hat: Die Dosis macht das Gift. Mit nunmehr drei Großen Koalitionen seit 2005 muss es wirklich genug sein. Das Land verträgt nicht mehr.
1966 gab es die allererste Große Koalition. In der Regierungserklärung damals sagte Kanzler Kurt-Georg Kiesinger: "Die stärkste Absicherung gegen einen möglichen Missbrauch der Macht ist der feste Wille der Partner der Großen Koalition, diese nur auf Zeit fortzuführen." Seitdem hat sich unendlich viel geändert in Deutschland. Aber eine Mahnung ist dieser Satz immer noch. Sie bedeutet: Eine Große Koalition ist kein Dauerzustand. Mit der Regierung Merkel IV beginnt die Zeit des Übergangs in neue politische Konstellationen.
Wir erleben das Finale einer Kanzlerschaft. Ob es ein großes oder kleines Finale wird - warten wir das Ende dieses Jahres ab. Am 14. Oktober ist Landtagswahl in Bayern, am 28. Oktober in Hessen; bis dahin werden die Koalitionäre beweisen müssen, dass sie eine Koalition auf Gedeih, nicht eine auf gegenseitigen Verderb betreiben.