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ungarn : Opposition im Aufwind

In den Wahlkampf ist Bewegung gekommen, Viktor Orbáns absolute Mehrheit wackelt

26.03.2018
True 2023-08-30T12:34:26.7200Z
3 Min

Am 8. April entscheiden die Ungarn darüber, ob Ministerpräsident Viktor Orbán eine weitere Amtszeit regieren kann. Es wäre seine vierte, die dritte am Stück. Die Umfragen sehen Orbáns national-konservative Partei Fidesz, die in einer Listenverbindung mit der christdemokratischen KDNP antritt, seit Jahren kontinuierlich weit vorne. Wenn in den vergangenen Wochen dennoch so etwas wie der Hauch einer Ahnung von Wechselstimmung spürbar werden mochte, dann hatte das drei Gründe: Korruptionsvorwürfe konnten zeitweise die Anti-Migrations-Kampagnen der Regierung übertönen; eine Lokalwahl zeigte eine unerwartete Verletzbarkeit des Fidesz; und das an sich für Orbán günstige Wahlrecht kann, eine entsprechende Dynamik vorausgesetzt, Erdrutsche in die eine oder die andere Richtung ermöglichen.

Mehr als die Hälfte der 199 Abgeordneten des ungarischen Parlaments werden in den 106 Wahlkreisen per Direktwahl bestimmt: Eine relative Mehrheit reicht dort aus. Im Prinzip nützt das dem Fidesz, der in der Fläche des Landes stärkste Kraft ist. Es sei denn, allen anderen Parteien gelingt es, ihre Anhänger für einen Kandidaten zu mobilisieren. Eine solche Einigung schien lange Zeit undenkbar. Schon die linken und liberalen Parteien, die ideologisch miteinander kompatibel sein könnten, sind zersplittert und zerstritten. Fundamental entgegengesetzt steht auf der anderen Seite die rechtsextreme Jobbik, die in Umfragen mit rund 17 Prozent für sich genommen die stärkste Oppositionspartei ist. Fidesz, in der Mitte dieser scheinbar unvereinbaren Pole, schien daher in diesem Wahlsystem unschlagbar.

Allerdings haben zwei Nachwahlen für Parlamentsmandate bereits im Jahr 2015 gezeigt, dass das so nicht der Fall ist. Den einen Sitz gewann ein parteiloser Kandidat, den anderen ein Jobbik-Mann, und in beiden Fällen hatte es mindestens eine unausgesprochene Kooperation der Oppositionskräfte gegeben. Es ist kaum ein Zufall, dass Orbán danach auf einen intensiven Kampagnenmodus schaltete, den er bis jetzt, im eigentlichen Wahlkampf, beibehalten hat.

Die Grundhaltung, Zuwanderung über das Asylrecht aus Asien und Afrika abzulehnen, entspricht zweifellos seiner Überzeugung. Jedoch hatten die scharfen Kampagnen zu dem Thema das klare Ziel, den gefährlichsten Konkurrenten kleinzuhalten. Nur ein Beispiel für die Besetzung der Jobbik-Themen: Der berühmt-berüchtigte "Zaun", die Grenzbefestigung zu Serbien, war ursprünglich eine Forderung des Jobbik-Vorsitzenden Gábor Vona. Jobbik hat in den vergangenen Jahren eine interessante Entwicklung durchgemacht. Die Parteiführung hat versucht, aus einer antisemitischen, rechtsextremen Partei so etwas wie eine national orientierte bürgerliche Partei zu machen. So verschickte Vona Glückwunschschreiben an israelitische Gemeinden zu jüdischen Feiertagen. Es gibt Zweifel allerdings daran, dass die Mäßigung mehr als ein Tapetenwechsel ist.

Ende Februar elektrisierte eine an sich wenig bedeutende Bürgermeister-Nachwahl in der Stadt Hódmezövásárhely das Land. In der bisherigen Fidesz-Hochburg trat die Opposition von links bis ganz rechts mit nur einem Kandidaten an, der tatsächlich mit beachtlichen 57,5 Prozent gegen den Amtsinhaber gewann. Das brachte mächtig Bewegung in den Wahlkampf. Mitte-Links kam es zu mannigfachen Strategiebesprechungen der Parteien. Erleichtert wird die Sache dadurch, dass die Sozialisten nach internen Querelen nicht mehr einen der Ihren als Kanzlerkandidaten unterstützen. Herausforderer von Orbán ist nun Gergely Karácsony. Er ist Protagonist einer Splitterpartei, aber als Bürgermeister des Budapester Stadtteils Zugló durchaus bekannt. Die Regierungspartei hat auf Hódmezövásárhely nervös reagiert. Man entschied sich, weniger Negativkampagnen gegen politische Gegner zu fahren und machte rasch noch ein paar Wahlgeschenke. Die Opposition brachte hingegen eine Enthüllungsgeschichte über angebliche Geldwäscheaktivitäten eines Fidesz-Granden in den ihnen geneigten Medien unter. Es zeigt sich: Entgegen allen Unkenrufen ist in Ungarn weder die Medienfreiheit, noch die Demokratie abgeschafft. Der Meinungskampf tobt - und Viktor Orbán könnte seine Mehrheit verlieren, auch wenn das nach wie vor die weniger wahrscheinliche Variante ist. Wenn es so kommt, würde das noch nicht bedeuten, dass es eine andere stabile Regierungsmehrheit gäbe. Die Wähler Ungarns haben es in der Hand.

Der Autor ist politischer Korrespondent der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" für Österreich und Ungarn.