EUROPARAT : Schwerer Sturm in Straßburg
Russland verweigert seine Beitragszahlung, um eine Aufhebung der Krim-Sanktionen zu erzwingen
Einem "schweren Sturm" sei der Europarat ausgesetzt: Mit solch drastischen Worten lässt Generalsekretär Thorbjörn Jagland (Norwegen) die Alarmglocken schrillen. "Die Lage ist sehr ernst", assistiert das Ministerkomitee, das Organ der 47 Außenminister. Vor einem "beispiellosen Problem" warnt der Brite Roger Gale, Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung des Staatenbunds.. Eine noch nie erlebte Krise schreckt das Palais de l'Europe auf: Eine Nation stellt ihre Zahlungen ein, weil ihr die Straßburger Politik missfällt. Es handelt sich mit Russland auch noch um ein großes Land, das seinen Jahresbeitrag von rund 33 Millionen Euro zurückhält, um die Aufhebung der wegen der Annexion der Krim gegen Moskau verhängten Sanktionen zu erzwingen. Die Konfrontation mit dem Kreml lastet schwer auf dem Europarat, dessen Auftrag das Engagement für freiheitliche Rechtsstaatlichkeit und für das Völkerrecht ist, wozu auch die Wahrung der territorialen Integrität einer Nation gehört.
Nach der Annexion der Krim 2014 entzog das Straßburger Parlament den 18 russischen Abgeordneten das Stimmrecht, die zudem keine wichtigen Ämter in der Versammlung übernehmen und auch nicht an Wahlbeobachtungen teilnehmen dürfen. Prompt konterte die Duma mit dem Boykott der Straßburger Kammer, in der seither kein russischer Delegierter mehr zu sehen war. Alle Versuche Moskaus, ein Ende der Strafmaßnahmen durchzusetzen, blieben bisher erfolglos. Deshalb zog man die Daumenschrauben an: 2017 überwies Russland nur einen Teil seines Beitrags, dieses Jahr fließt gar kein Geld. In Straßburg seien "russophobe Schreihälse" am Werk, empört sich die russische Abgeordnete Valentina Matwijenko. Außenminister Sergej Lawrow verlangt die "bedingungslose vollständige Wiederherstellung" der Rechte Moskaus.
Die 33 Millionen Euro aus Russland machen etwa zehn Prozent des Gesamtetats des Staatenbunds aus, der neben dem Parlament zahlreiche andere Einrichtungen wie vor allem den Menschenrechtsgerichtshof finanziert. Erste Sparmaßnahmen wurden bereits ergriffen: Weniger auswärtige Ausschusssitzungen, weniger Dolmetscherdienste, weniger ausgedruckte Dokumente.
Der Europarat werde sich freilich nicht erpressen lassen, betonen Andreas Nick (CDU), Leiter der Bundestagsdelegation, und Frank Schwabe (SPD), der Vizevorsitzende. Die beiden Politiker hoffen durchaus auf eine Lösung in dem festgefahrenen Konflikt. Im Hintergrund laufen auch Gespräche zwischen Moskau und Straßburg, ein Ergebnis ist indes nicht in Sicht.
Viele Druckmittel haben der Staatenbund und seine Abgeordneten nicht in der Hand. Zwar könnte man Russland aus dem Europarat ausschließen. Doch dann könnten die Bürger des Riesenreichs nicht mehr gegen ihre Regierung vor den Menschenrechtsgerichtshof ziehen.
Was tun? Das Straßburger Parlament fordert, dass andere Mitgliedsnationen die von Moskau ins Budget gerissene Lücke durch höhere Zahlungen schließen sollen - eine ebenso verblüffende wie einfache Idee, die in den Hauptstädten indes kaum Freude auslösen dürfte.