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INSELSTREIT : Appetit auf Felsen und Atolle

Überlappende Gebietsansprüche sorgen für Spannungen im Südchinesischen Meer - die Fronten sind verhärtet

06.08.2018
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3 Min

Zwei Mal nahm China teil am größten multilateralen Seemanöver der Welt bei Hawaii. Doch in diesem Sommer luden die USA das Land von den fünfwöchigen RIMPAC-Übungen mit 25 Teilnehmerstaaten aus. Der Grund: Chinas Aufbau militärischer Anlagen auf Inselchen im Südchinesischen Meer. Peking reagierte verhalten. Umdenken tut es nicht. Gerade erst betonte Präsident Xi Jinping gegenüber US-Verteidigungsminister James Mattis, dass sein Land "keinen Zentimeter" aus historisch zu China gehörenden Territorien zurückweichen werde.

Das Südchinesische Meer ist gesprenkelt mit mehr als 200 Inseln, Felsen und Atollen - die meisten unbewohnt, viele bei Hochwasser überspült, weshalb Gebietsansprüche dort nach internationalem Recht generell fragwürdig sind. Doch die See gehört zu den wichtigsten Seehandelsrouten der Welt, die jährlich Handelswaren im Wert von weit über drei Milliarden Dollar passieren. Neben dieser strategischen Bedeutung gibt es reiche Fischereigründe sowie Erdöl und möglicherweise auch Erdgas und andere Rohstoffe unter dem Meeresboden.

Peking beansprucht rund 80 Prozent dieses Meeres und beruft sich auf die historische Kontrolle über die Region und ihre Fischereirouten. Auch die Philippinen, Vietnam, Taiwan, Malaysia, Indonesien und Brunei erheben überlappende Ansprüche. Ihnen geht es neben Rohstoffen um territoriale Sicherheit. Der Streit schwelt seit Jahrzehnten - ohne militärischen Konflikt zwar, aber auch ohne Aussicht auf eine Lösung. Ein Teil des Problems resultiert aus dem Konflikt Chinas und den USA um die Vormachtstellung in Ostasien. China sieht Südostasien als seinen Hinterhof an. Das globale Regelsystem - zu dem auch die Idee der Freiheit internationaler Handelswege gehört - gilt in Peking vielen als vom Westen etabliertes Konstrukt.

Erst vor wenigen Jahren aber begann China, seinen Anspruch auf die Felskrümel auch praktisch zu zementieren: Land wurde dem Meer abgerungen; Hafenanlagen, Kasernen, Landebahnen und Raketenbasen entstanden - manche auf Inseln, die vor kurzem nicht einmal gezeitenfest waren. Auch Taiwan, die Philippinen und Vietnam errichteten Militäranlagen auf einzelnen Inseln - allerdings in wesentlich geringerem Ausmaß.

Die USA wiederum wollen die Freiheit der Seewege unbedingt erhalten - und dazu gehört, dass eben niemand die Souveränität über sie hat. Die USA senden regelmäßig Patrouillenboote in die Region. Anfang Juni erklärten die Verteidigungsminister der USA, Japans und Australiens ihren Widerspruch "gegen Gewalt und Zwang als unilaterale Maßnahme zur Veränderung des Status quo" in dem Meer - mit klarem Blick auf China. Umgekehrt betont Peking die friedliche Natur seines Engagements und bietet Anrainern Gespräche an - wenn auch ohne territoriale Zugeständnisse. Chinas Verwaltung und regelmäßige Patrouillen haben die Passage ziviler Schiffe abgesichert, so der "Bericht zur Navigation im Südchinesischen Meer 2017". So habe man Infrastruktur wie etwa fünf große Leuchttürme auf den in China Nansha genannten Spratly-Inseln gebaut, sagte Xiao Yingjie, Hauptautor der Studie. "Diese Infrastruktur unterstützt Suchaktionen im Meer, Navigation, Fischerei und Katastrophenschutz." Der Report empfiehlt wenig überraschend den Bau weiterer Infrastruktur.

Immer wieder gab es hitzigen Streit. Wütende Vietnamesen demonstrierten vor Chinas Vertretungen, nachdem China 2014 eine Ölbohrinsel in von Hanoi kontrollierte Gewässer zog. Peking lenkte ein und zog die Bohrinsel ab. Vietnam gehört seither zu den stärksten Verfechtern einer US-Präsenz in der Region. Die Philippinen protestierten immer wieder gegen das Eindringen chinesischer Fischtrawler in von Manila bewirtschaftete Gewässer nahe dem Scarborough-Riff - und klagten 2013 China vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag an. Dieser urteilte 2016 gegen China und stellte dessen Gebietsansprüche generell infrage. Peking ignorierte das Urteil: Der Gerichtshof sei nicht zuständig. Der neue Präsident Rodrigo Duterte allerdings bemüht sich um eine Balance mit Peking und erreichte eine Verhandlungslösung zum Management des Riffs. Manche Anrainer sorgen sich derweil vor allem vor einem militärischen Konflikt - ihre künftige Position zwischen den beiden Großmächten ist daher unklar. So sagte kürzlich Malaysias Premier Mahathir Mohamad, die Präsenz von Kriegsschiffen, auch der USA, sende "das falsche Signal". China dürfte es freuen.

Die Autorin berichtet als freie Korrespondentin aus Peking.