Regulierung I : Mängel-Wirtschaft
In der EU-Einlagensicherung stecken noch viele Risiken
Die Bankenunion ist die Antwort auf die konstruktiven Mängel der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU). Eine angemessene Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) für alle - derzeit 19 - Euro-Staaten ist bei so unterschiedlichen wirtschaftlichen Strukturen und Entwicklungsständen quasi unmöglich. Die Euro-Staatsschulden- und Bankenkrise ab 2009 infolge der Finanzmarktkrise 2007 ist die immer noch schwelende Problematik, die auf diesem Dilemma beruht. Teils überaus hohe Schuldenquoten (Portugal 130 Prozent, Italien 133 Prozent, Griechenland 179 Prozent), ein hoher Anteil notleidender Kredite bei Banken und die Verquickung von Staaten und Banken durch einen hohen Anteil nationaler Staatspapiere haben den Finanzsektor gerade in diesen Ländern destabilisiert. Ein EU-weiter Ansturm auf die Banken ist im Krisenfall nicht ausgeschlossen.
Im Juni 2012 beschloss der EU-Rat eine Vertiefung der EWWU durch eine Bankenunion bestehend aus drei Pfeilern: Erstens ein einheitlicher Rahmen für die Bankenaufsicht auf der Basis eines einheitlichen Regelwerkes für Finanzinstitute, zweitens ein einheitlicher Rahmen für die Abwicklung von Banken mit einer gemeinsamen Letztsicherung sowie drittens ein gemeinsames Einlagensicherungssystem.
Hohe Eigenkapitalanforderungen und eine unabhängige Aufsicht puffern Verluste ab und machen die Schieflage einer Bank unwahrscheinlicher. Eine hohe Inanspruchnahme von Aktionären, nachrangigen Darlehen bis hin zu Einlagen von Privatpersonen (Haftungskaskade) schützt im Fall einer zeitlich begrenzten Illiquidität vor Ansprüchen aus dem Bankenabwicklungsfonds. Solange dieser zweite Pfeiler intakt bleibt, muss keine Einlagensicherung aktiviert werden.
Das Aufsichtssystem Seit 2011 besteht ein Europäisches Finanzaufsichtssystem. Drei Aufsichtsbehörden für das Bankwesen (EBA), das Versicherungswesen (EIOPA) und das Wertpapierwesen (ESMA) sind für den jeweiligen Bereich des Finanzsektors zuständig. Der seit 2014 arbeitende einheitliche europäische Aufsichtsmechanismus (SSM) soll eine Aufsichtsarbitrage verhindern. Indem die betreffenden Institute einheitlichen Standards unterliegen, ist ein Ausweichen in das Land mit den niedrigsten Vorgaben unmöglich. Es besteht eine zweifache Aufgabenteilung zwischen der EZB als der Behörde für die zentrale europäische Bankenaufsicht und den nationalen Aufsichtsbehörden der Mitgliedsstaaten - in Deutschland ist es die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Zum einen hängt es von der Systemrelevanz einer Bank ab, ob sie unter die direkte Aufsicht der EZB fällt oder von nationalen Behörden beaufsichtigt wird. Von der EZB werden alle Institute kontrolliert mit einer Bilanzsumme von mehr als 30 Milliarden Eur oder mit einer Bilanzsumme von mehr als 20 Prozent der Wirtschaftskraft ihres Landes, mindestens aber einer Bilanzsumme von fünf Milliarden Euro sowie weiterhin Institute, die direkte öffentliche Finanzhilfen aus den Rettungsfonds erhalten oder beantragt haben und schließlich die drei größten Banken in jedem teilnehmenden Land.
Arbeitsteilung In diese Gruppe fallen 118 Banken, die rund 85 Prozent der aggregierten Bilanzsumme aller Finanzhäuser des Euroraums abdecken. 21 Institute haben ihren Sitz in Deutschland. Den nationalen Aufsichtsbehörden obliegt die direkte Aufsicht über die circa 3.600 nicht bedeutenden Banken. Dies betrifft 1.660 deutsche Institute, insbesondere Sparkassen und Volksbanken, die von der BaFin beaufsichtigt werden. Eine weitere Arbeitsteilung findet statt, indem sich die EZB bei der Durchführung der Überwachung primär der nationalen Behörden bedient. Kritisch bleibt hierbei die national durchaus noch unterschiedliche Anwendungspraxis. Zu den Prüfungsaufgaben zählen Bilanzanalysen und Stresstests. Verschiedentlich wurde kritisiert, dass die Anforderungen an diese Stresstests zu schwach und teils realitätsfern gewesen seien.
Eine zentrale Kritik besteht in der organisatorischen Anbindung an die EZB. Zwar kann die Sammlung und Auswertung von Informationen Synergieeffekte bewirken. Dem stehen mögliche Interessenkonflikte zwischen dem primären Ziel der Preisniveaustabilität und dem Ziel der Finanzmarktstabilität entgegen. Im Fall einer restriktiven Geldpolitik könnte die Aufsicht nachsichtiger erfolgen, um schwache Banken zu schonen. Umgekehrt kann eine Bankenkrise dazu verleiten, mit einer expansiven Geldpolitik aushelfen zu wollen. Dies stellt die Unabhängigkeit der EZB in Bezug auf die Geldpolitik infrage. Zwar wird die organisatorische Trennung hervorgehoben. Aufgrund einer personellen Verflechtung der Entscheidungsgremien bleibt diese jedoch fragwürdig.
Abwicklungsmechanismus Ab 2015 gelten einheitliche Regeln für die geordnete Abwicklung und Sanierung von illiquiden Banken. Sie wurden notwendig, da die EZB nicht als 'Kreditgeber der letzten Instanz' für Banken fungiert. Gerade auch die Bankenkrise verdeutlichte die Problematik des 'too big to fail' mit der Konsequenz von Fehlanreizen für die Institute durch eine unangemessene Risikobereitschaft und einer nachfolgenden Rettung im Verlustfall durch staatliche Gelder. Die Bankenabwicklungsrichtlinie soll dies zukünftig vermeiden helfen. So soll vorrangig auch für Banken das reguläre Insolvenzverfahren angewendet werden. Nur für den Fall eines öffentlichen Interesses können anstelle des Insolvenzverfahrens ausnahmsweise auch Abwicklungsinstrumente eingesetzt werden. Außerdem tritt bei einer Abwicklung eine Haftungskaskade (Bail-in) in der Reihenfolge Eigentümer, nachrangige Gläubiger und Sparer mit Einlagen über 100.000 Euro für Verluste ein. Erst wenn diese mindestens acht Prozent der Bilanzsumme geleistet haben, können zusätzlich Mittel aus dem Abwicklungsfonds zur Sanierung herangezogen werden.
Der SRM-Mechanismus zur Sanierung setzt die langfristige Solvenz einer Bank voraus. Bei entsprechender Schieflage trifft das Abwicklungsgremium des SRM (SRM-Board) die Modalitäten für die Abwicklung/Schließung beziehungsweie Sanierung. Wenn EU-Kommission und Finanzministerrat nicht innerhalb von 24 Stunden widersprechen, wird die Entscheidung umgesetzt.
Die Mittel des Abwicklungsfonds (SRF) können erst nach der Acht-Prozent-Bail-in-Regel eingesetzt werden. Seine Finanzierung erfolgt durch eine einprozentige Bankenabgabe auf die geschützten Einlagen. Nach einer Übergangszeit sollen die nationalen Kammern bis 2023 in einen gemeinschaftlichen Fonds überführt werden, der dann einen Umfang von circa 55 Milliarden Euro hätte. Damit findet eine Vergemeinschaftung der Haftung für Bankenschieflagen statt. Problematisch sind hierbei Altlasten und zukünftige Fehlanreize. Mit 760 Milliarden Euro an notleidenden Krediten im Euroraum (September 2017) könnten die Fondsmittel schnell erschöpft sein. Der Anteil fauler Kredite ist insbesondere in Griechenland (47 Prozent), Italien (16 Prozent) und Portugal (15 Prozent) sehr hoch. Deshalb plant der Europäische Rat eine Letztsicherung über den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), dessen Umfang und Prozedere jedoch noch nicht feststehen. Es steht zu befürchten, dass die in dieser Funktion an die Staaten oder deren Banken vergebenen Kredite bei Insolvenz zu einer Belastung für den Steuerzahler werden könnten.
Einlagensicherung Die Einlagensicherungsrichtlinie (DGSD) von 2014 hat die Mindestdeckung für Einlagen auf 100.000 Euro pro Person und Institut angehoben. Alle Einlagensicherungen der Mitgliedstaaten müssen 2024 ein Mindestvermögen in Höhe von 0,8 Prozent der gedeckten Einlagen ihrer zugehörigen Kreditinstitute ansparen. Das einheitliche Europäische Einlagensicherungssystem (EDIS) ist zunächst als Rückversicherung der nationalen Systeme ausgestattet und soll von 2020 bis 2024 die Einlagensicherung schrittweise ganz übernehmen.
Die Beiträge sollen risikoadäquat erhoben werden. Dies setzt auch eine angemessene Risikovorsorge für den Ausfall von Staatsanleihen voraus. Um diskriminierungsfreie Voraussetzungen zu schaffen, müssten Altlasten von der Risikovergemeinschaftung ausgenommen werden. Zudem müssten die nationalen Insolvenzrechte angepasst werden. Schließlich muss die Verflechtung von Banken und Staaten durch den derzeit hohen Anteil nationaler Staatsanleihen aufgelöst werden, die hohe Kredit- und Konzentrationsrisiken zur Folge haben. So beträgt der Anteil des jeweiligen nationalen Bankensektors an den insgesamt von Banken gehaltenen Staatsanleihen in Griechenland 99 Prozent, in Spanien 89, in Irland und Zypern 84, in Italien 76, in Portugal 71, in Frankreich 67 und in Deutschland 72 Prozent (Juni 2013). Eine EU-Einlagensicherung würde die Staatsschulden durch die Hintertür vergemeinschaften.
Die marktwirtschaftliche Alternative wäre eine hohe Risikovorsorge gemäß den individuell eingegangenen Risiken, entsprechend hohe Eigenkapitalpuffer und eine Verschärfung der Bail-in-Regel. Die Aufrechterhaltung funktionierender national-verbandlicher Sicherungssysteme, wie sie in Deutschland beispielsweise die Volks- und Raiffeisenbanken, Sparkassen und viele Geschäftsbanken vorhalten, wäre gegebenenfalls auch unter Anreizgesichtspunkten kostengünstiger und effektiver. Dies verdeutlicht wiederum, dass ein starker erster Pfeiler der Bankenunion einen dritten auf europäischer Ebene weitgehend verzichtbar macht.
Der Autor ist Professor für Volkswirtschaft an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.