Kongo : Die Elite klammert sich an die Macht
Seit zwei Jahren verschleppt die Regierung die Wahlen. Unter dem Druck massiver Proteste sollen sie im Dezember endlich stattfinden, doch auch daran gibt es…
Ungewohnt sieht der Rapper Lexxus Legal an diesem Abend aus, in seinem dunkelblauen Anzug und der hellblauen Krawatte. Üblicherweise trägt der 39-jährige Musiker und Kulturunternehmer Hoodies und Baseballkappe. Aber jetzt ist ihm ein seriöser Auftritt wichtig, denn vor wenigen Tagen hat der Rapper bekannt gegeben, dass er um einen Sitz im kongolesischen Parlament kandidiert. Deshalb ist er jetzt Studiogast des kongolesischen Fernsehsenders RTVS1. Die Wahl, die lange verschleppt wurde, soll nun am 23. Dezember 2018 stattfinden, zeitgleich mit der Präsidentenwahl. "Warum schlagen Sie diesen neuen Karriereweg ein?", fragt Moderator Nkie Guelord den Rapper, der sich als rebellischer Freund klarer Worte einen Namen gemacht hat. "Ich bin für meinen Protest und meine Kritik bekannt", antwortet Lexxus Legal im Scheinwerferlicht des Fernsehstudios. "Jetzt ist es Zeit, auf die Seite derer zu wechseln, die handeln und verändern können." Also ins Parlament.
Lexxus Legal, der mit bürgerlichem Namen Alex Dende heißt, kritisiert die Missstände in seiner Heimat seit vielen Jahren in aller Deutlichkeit. An Stoff für seine Texte fehlte es nie: Dank vieler Rohstoffe könnte die Bevölkerung ein gutes Auskommen haben. Tatsächlich ist der Kongo aber seit vielen Jahren Schauplatz einer humanitären Katastrophe. Vor Kriegen und Konflikten sind innerhalb des Landes rund viereinhalb Millionen Menschen auf der Flucht. Laut den Vereinten Nationen verhungern im Kongo jeden Tag 440 Kinder. Die 80 Millionen Kongolesen stellen ein Prozent der Weltbevölkerung - aber 12 Prozent der weltweit Hungernden. Immer wieder brechen Epidemien aus, häufig Cholera, und nun schon zum zehnten Mal Ebola, diesmal in einer der Konfliktregionen im Osten des Landes. Reich wird im Kongo nur die politische Elite, allen voran Präsident Joseph Kabila und seine Familie. Laut der US-amerikanischen "Congo Research Group" sind der 47-jährige Kabila und seine Familie an 80 Unternehmen beteiligt - ein Reichtum, der in wenigen Jahren entstand. Kabilas persönliches Vermögen wird von der "Congo Research Group" auf 15 Milliarden Dollar geschätzt.
Von der Macht lassen wollte Kabila lange Zeit trotzdem nicht, er verschleppte stattdessen die Präsidentschaftswahl, die schon im Dezember 2016 hätte stattfinden müssen. Zusammen mit der Parlamentswahl, die deshalb ebenfalls immer wieder verschoben wurde. Aber die Menschen forderten die Wahlen, gingen immer wieder auf die Straße, unterstützt von der im Kongo sehr einflussreichen katholischen Kirche. Die Sicherheitskräfte schlugen die Proteste mit harter Hand und teilweise blutig nieder - Menschenrechtsorganisationen sprechen von mindestens 300 Toten und 5.000 Verhafteten. Darauf reagierte auch die deutsche Regierung; die Demokratische Republik Kongo ist ein wichtiges Partnerland für die Entwicklungszusammenarbeit. 2016 verschob sie die geplanten Verhandlungen über die weitere Kooperation wegen der Menschenrechtsverletzungen und der Verschleppung der Wahlen auf unbestimmte Zeit. Seit Ende 2017 arbeitet das Entwicklungsministerium möglichst mit privaten Partnern zusammen. Wie eine Sprecherin des Ministeriums erklärte, würden die Verhandlungen erst nach freien, fairen und transparenten Wahlen wieder aufgenommen. Unter Druck gesetzt, lenkte Präsident Kabila Anfang August ein und ernannte den 57-jährigen ehemaligen Innenminister Emmanuel Shadary zu seinem Nachfolger. Eine umstrittene Wahl, denn gegen ihn hat die EU Sanktionen verhängt. Er wird für den Tod von Demonstranten verantwortlich gemacht.
Dass die Wahlen wirklich stattfinden, halten weder zivilgesellschaftliche Gruppen noch die politische Opposition für gesichert. Gregor Jaecke, der das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kinshasa leitet, sieht jede Menge Gründe für "berechtigte Zweifel, ob diese Wahlen, wenn sie denn überhaupt stattfinden, auch frei, geheim und transparent sein würden". Als Probleme nennt die Opposition drei Bereiche: Erstens das Wählerregister, in dem rund 40 Millionen Bürger erfasst sind. Die Opposition hält ein Viertel der Namen für fragwürdig, mutmaßt, sie seien Geisterwähler, deren Stimmen der Regierungskoalition zugute kommen sollen. Die so genannte unabhängige Wahlkommission des Kongo räumt falsche Registrierungen ein, aber in kleinerem Umfang. Ein zweites Problem: die elektronischen Wahlmaschinen, eine Neuheit im Kongo. Die Opposition misstraut ihnen, sieht Fälschungen durch die Regierung Tür und Tor geöffnet. Die Wahlkommission argumentiert mit logistischen Vorteilen für deren Einsatz: Die endgültige Kandidatenliste werde, wegen der zeitgleichen Parlaments- und Kommunalwahl, viele tausend Namen umfassen.
Ein drittes Problem: die Finanzen. 1,3 Milliarden Dollar werden die Wahlen insgesamt kosten, schätzt die Wahlkommission. Das ist mehr als ein Zehntel des kongolesischen Haushalts. Mancher Beobachter fürchtet, dass die Regierung die Wahl kurzfristig abbläst, angeblich aus Kostengründen. Regierungssprecher Lambert Mende weist das zurück: "Die Finanzierung steht. Und zwar weil wir diesmal beschlossen haben, die Mittel für unsere Wahl selbst aufzubringen." Diese Entscheidung hat die ausländischen Partner des Kongo erstaunt, aber Mende legt nach: "Es ist ganz einfach: Wenn man nicht möchte, dass andere einem Vorschriften machen, dann muss man Opfer bringen und so etwas Wichtiges wie die Wahlen selbst finanzieren." Soll wohl heißen: Der Kongo verbittet sich Kommentare aus dem Ausland, was die Transparenz und Freiheit der Wahlen angeht. Das lässt für die nächsten Monate nichts Gutes ahnen.
Die Autorin ist freie Afrika-Korrespondentin.