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Mittelmeer : Das Verhältnis zur Türkei bleibt ohne Impulse

Weiter hoher Migrationsdruck trotz des Flüchtlingsabkommens. Kritische Lage in griechischen »Hot Spots«

29.04.2019
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3 Min

Knapp 10.000 irreguläre Grenzübertritte in die EU wurden im Oktober 2015, als die Flüchtlingswelle ihren Höhepunkt erreicht hatte, auf der östlichen Mittelmeerroute im Tagesdurchschnitt erfasst. Die Zahl ging zwar nach kurzer Zeit wieder deutlich zurück. Dies konnte jedoch nicht als Indiz dafür gelten, dass der Migrationsdruck grundsätzlich nachließe. Die EU und nicht zuletzt auch die deutsche Bundesregierung sahen sich gezwungen, sehr schnell eine Lösung zu finden, die unter Wahrung humanitärer und rechtsstaatlicher Prinzipien die Migrationsbewegungen wieder unter Kontrolle brächte. Eine solche Lösung, das war den Akteuren in Brüssel und Berlin klar, wäre nur in Zusammenarbeit mit der Türkei zu erreichen.

Zufluchtsort Die Türkei war Zufluchtsort für mehr als 3,5 Millionen Syrer geworden, die vor dem Bürgerkrieg und dem mit ihm verschränkten Krieg einer internationalen Allianz gegen den so genannten "Islamischen Staat" ausgewichen waren. Aus der Sicht der Türkei, so die Überlegung der EU, würde jeder Migrant, der sich weiter nach Europa aufmachte, für Entlastung sorgen. Man hatte ihr somit etwas anzubieten, um einen Anreiz zu schaffen, gemeinsam die irreguläre Migration einzudämmen.

Die im März 2016 getroffene Vereinbarung verlangte daher von der Türkei lediglich, syrische Staatsbürger, die von ihrem Territorium aus illegal nach Griechenland gelangt waren, wieder zurückzunehmen. Diesen blieb das Recht unbenommen, einen Asylantrag zu stellen, bis zum Abschluss des Verfahrens würden sie in einem griechischen "Hotspot-Lager" verbleiben. Ankara erhielt im Gegenzug die Zusage, dass für jeden syrischen Flüchtling, der in diesem Rahmen zurückgeschickt würde, ein anderer legal in die EU übersiedeln dürfe. Zur finanziellen Entlastung der Türkei stellte Brüssel anfänglich drei Milliarden Euro bereit, später wurde der Betrag verdoppelt. Diese Mittel sollten zur individuellen Unterstützung einer großen Zahl von Flüchtlingen genutzt werden. Darüber hinaus erklärte die EU ihre Bereitschaft, die Visumspflicht türkischer Staatsbürger zügig aufzuheben, sobald Ankara die dafür erforderlichen Voraussetzungen geschaffen habe. Auch die ins Stocken geratenen Beitrittsverhandlungen sollten mit neuer Dynamik wieder aufgenommen werden.

Das EU-Türkei-Abkommen ist 2016 kontrovers diskutiert worden. Neben der Skepsis, ob auf diese Weise tatsächlich Fluchtursachen bekämpft und Fluchtbewegungen beherrschbar würden, stand die Kritik im Vordergrund, der Türkei ausgerechnet zu einem Zeitpunkt weit entgegenzukommen, in dem man sich berechtigte Sorgen um ihre demokratische und rechtsstaatliche Entwicklung machen müsse. Die Diskussion ist drei Jahre später nicht verstummt. Die EU-Kommission zieht dabei eine grundsätzlich positive Bilanz. Die Bundesregierung schließt sich dieser Auffassung an, wie ihre Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke vom 25. Februar erkennen lässt. Auch die Bedenken des Europäischen Rechnungshofes, dass gut die Hälfte der EU-Mittel nicht transparent eingesetzt worden wäre, haben diese Bewertung nicht verändern können.

Aus Sicht der Kritiker weisen die Statistiken aus, dass die eigentlichen Ziele der Vereinbarung nicht erreicht wurden. Das UN-Flüchtlingswerk hat 2018 über 50.000 Personen erfasst, die irregulär nach Griechenland eingereist sind, 14.000 mehr als im Jahr zuvor. .Der EU-Kommission zufolge sind im Jahr 2018 322 Personen im Rahmen der mit Ankara erzielten Übereinkunft von Griechenland in die Türkei abgeschoben worden. Weitere 4.996 haben das Land mit Unterstützung des "Assisted Voluntary Returns and Reintegration Programme" der Vereinten Nationen verlassen. Die EU hat ihrerseits im gleichen Jahr 6.929 Syrien-Flüchlinge aus der Türkei übernommen. Im Zentrum der Kritik steht heute allerdings weniger die Regierung in Ankara. Politiker und Journalisten, die Zugang zu den Hot-Spot-Lagern in Griechenland hatten, berichten einhellig von desaströsen Zuständen. Die Einrichtungen seien überfüllt und unzureichend versorgt.

So gut wie keine Impulse hat das EU-Türkei-Abkommen von 2016 den Beziehungen insgesamt gegeben. Die Visumspflicht für türkische Staatsbürger besteht weiterhin. Die Aussichten, dass die EU-Beitrittsverhandlungen in absehbarer Zeit erfolgreich abgeschlossen werden können, sind gering. Zum einen sind grundsätzliche Gegner eines EU-Beitritts der Türkei in einigen Staaten tonangebend geworden. Und zum anderen hat die Türkei durch ihre innere Entwicklung der vergangenen Jahre auch bei jenen Zweifel genährt, die 2005, als die Beitrittsverhandlungen aufgenommen wurden, noch voller Euphorie waren.