Gastkommentare - Contra : Europäische Antwort
Rückkehr des Nationalstaats?
D ie erste Reaktion der EU-Staaten auf die Corona-Krise war zweifellos national. Doch bevor die Anhänger des Brexits daraus falsche Schlüsse ziehen, sollten sie genau hinsehen. Beim Gesundheitsschutz hat die EU so wenig Kompetenzen wie beim Grenzschutz - die EU-Kommission kann nur koordinieren und unterstützen. Das hat sie auch getan, mit einem Ausfuhrstopp für Schutzgüter in Drittstaaten und Empfehlungen für das Grenzmanagement. Es hat zwei Wochen gedauert, bis sich die Staaten darauf einließen. Nicht aus Zwang, sondern aus Einsicht: Die Lkw-Staus vor den Grenzen bedrohten die eigene Versorgung. Und die nationalen Ausfuhrbeschränkungen für Schutzausrüstung, die Berlin und Paris zuerst beschlossen hatten, schadeten den eigenen Herstellern.
So folgte dem nationalen Reflex die europäische Antwort. An den Grenzen wurden Vorfahrtspuren für Lastwagen eingerichtet, die Staus ließen nach. Die Staaten halfen einander mit Ausrüstung, Deutschland etwa übernahm Intensivpatienten aus Frankreich und Italien. Und die Südstaaten bekommen zwar womöglich keine "Corona-Bonds", dafür aber Kreditlinien des ESM-Rettungsschirms und Kredite der EU-Kommission, für welche die Mitglieder gemeinsam bürgen. Die Nordstaaten verzichten auf strenge Auflagen. Darum wird gerungen, ja; dass es Streit gibt, ist normal. Doch belegt der Kompromiss, dass keiner der 27 Staaten in dieser Krise den nationalen Ausweg vorzieht. Umgekehrt darf man fragen: Wie wollen die Briten sie eigentlich alleine überstehen, wenn sie auch noch ein hartes Ende ihrer Übergangsfrist riskieren?