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Union : Das geteilte Königreich

In den autonomen Landesteilen Nordirland, Wales und Schottland wird der Ruf nach einer Loslösung vom britischen Zentralstaat immer lauter

14.04.2020
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4 Min

Mit dem Brexit am 31. Januar hat sich vorerst wenig geändert. Doch die Folgen werden in den kommenden Jahren zu spüren sein, vor allem auf der irischen Insel und in Schottland. Die mit unterschiedlichen Autonomierechten ausgestatteten Landesteile haben beim Referendum mehrheitlich für den Verbleib in der EU gestimmt. In Schottland ist infolge des Brexits inzwischen eine Mehrheit für die Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich. Auch die Vereinigung Nordirlands mit der Republik Irland rückt seit dem Wahlerfolg von Sinn Fein im Februar auf die Tagesordnung.

Für die Brexit-Befürworter der regierenden Konservativen Partei spielt das keine Rolle, auch wenn sie offiziell "Conservative and Unionist Party" heißt. Laut Umfragen würden sie das Auseinanderfallen des Vereinigten Königreichs als Preis für den Brexit in Kauf nehmen. Premierminister Boris Johnson hat sich zwar im September 2019 zum Minister für die Union ernannt; einen Posten, den es bisher in Großbritannien nicht gab. Dass man ihn geschaffen habe, sei ein sicheres Zeichen dafür, dass diese Union in Schwierigkeiten stecke, schrieb der politische Kommentator Fintan O'Toole. Doch hohe Priorität genießt das Thema in London offenbar nicht: Johnson hat zehn Millionen Pfund zur Verfügung gestellt, um die Union zu stärken. Für die Vorbereitungen auf einen harten Brexit will er hingegen 8,3 Milliarden Pfund ausgeben.

Nordirland In Nordirland stimmten beim Referendum 2016 55,8 Prozent der Wähler für einen Verbleib in der EU. Die größte Partei, die Democratic Unionist Party (DUP), hatte vorher als einzige nordirische Partei für den Brexit geworben. Ihre Begeisterung über den Ausgang des Referendums ist aber längst der Ernüchterung gewichen. Unter der Vorgängerin von Premier Boris Johnson, Theresa May, genossen die zehn DUP-Unterhausabgeordneten eine Sonderstellung, denn sie hielten die Tories an der Macht, als diese nach der vorgezogenen Wahl 2017 ihre absolute Mehrheit verloren hatten. Seit dem klaren Wahlsieg von Boris Johnson im vergangenen Dezember ist die DUP jedoch entbehrlich und ihre Verhandlungsposition geschwächt.

Die Unionisten wollen an der Einheit mit dem Rest Großbritanniens festhalten und fürchten eine Wiedervereinigung mit Irland. Auch eine Zollgrenze in der Irischen See, also zwischen Großbritannien und Nordirland, lehnen sie ab. Doch die hat Johnson, zum Ärger der DUP nun zumindest vorübergehend eingerichtet.

Damit erfüllt der Premier eine Voraussetzung für den Brexit-Deal mit der EU: das Verhindern einer harten Grenze zwischen Irland und Nordirland. Immer wieder wird dabei auf das Friedensabkommen von 1998 verwiesen (siehe Stichwort), das den gewaltsamen Konflikt zwischen Nationalisten und Unionisten in Nordirland beendete. Zwar steht darin gar nicht ausdrücklich, dass es keine Grenze in Irland geben darf - damals hatte niemand damit gerechnet, dass das Vereinigte Königreich einmal aus der EU austreten würde -, aber sinngemäß heißt es, dass nichts unternommen werden dürfe, was den Friedensprozess in Gefahr bringen könnte.

Dass eine harte Grenze in Irland unweigerlich zum Wiederaufflammen des Konflikts, der im Laufe von fast 30 Jahren mehr als 3.500 Menschen das Leben gekostet hat, führen wird, wie immer behauptet, ist allerdings nicht sehr wahrscheinlich. Die große Mehrheit der Bevölkerung hat daran kein Interesse, hat sie sich doch an ruhigere Zeiten gewöhnt.

Viel eher denkbar ist inzwischen eine Wiedervereinigung von Irland und Nordirland. EU-Chefunterhändler Michael Barnier betonte bereits, dass Nordirland dabei "auf die Unterstützung der EU zählen" könne. Nordiren mit irischem Pass - und das sind inzwischen weit über die Hälfte - könnten EU-Bürger bleiben und hätten in der gesamten Europäischen Union Niederlassungsrecht.

Sollte es irgendwann zur Vereinigung mit der Republik Irland kommen, wäre Nordirland automatisch wieder vollwertiges EU-Mitglied, garantierte er.

Für eine Wiedervereinigung spricht, dass die Katholiken in Nordirland, die sich oft als Iren definieren, demnächst in der Mehrheit sein werden. Außerdem ist auch gemäßigten Unionisten ein vereinigtes Irland lieber als der Brexit. Bei den Parlamentswahlen in der Republik Irland siegte im Februar außerdem die in beiden Teilen Irlands aktive Partei Sinn Féin, einst Untergrundorganisation der terroristischen IRA. Sie befürwortet eine Einigung und hat im Wahlkampf angekündigt, binnen fünf Jahren eine Abstimmung darüber anberaumen zu wollen.

Republik Irland Die beiden konservativen Parteien Fianna Fáil ("Soldaten des Schicksals") und Fine Gael ("Stamm der Gälen"), die Irland seit der Unabhängigkeit vor rund hundert Jahren abwechselnd regiert haben, hatten im Wahlkampf vor allem auf die Auswirkungen des Brexits gesetzt und sich dafür gerühmt, eine harte Grenze auf der Insel verhindert zu haben. Das aber stieß bei den Wählern auf weniger Interesse als die Themen von Sinn Féin: Obdachlosigkeit, hohe Mieten und das katastrophale Gesundheitssystem.

Schottland Schottland ist schon einen Schritt weiter als die irische Insel. 62 Prozent haben hier für den Verbleib in der EU gestimmt, das Unabhängigkeits-Referendum soll nächstes Jahr stattfinden. Hatten sich im September 2014 noch 55 Prozent der Schotten für den Verbleib im Vereinigten Königreich ausgesprochen, haben sich die Mehrheiten nach dem Brexit gedreht.

Die separatistische Scottish National Party (SNP), die in Edinburgh die Regionalregierung stellt, war neben den Tories zudem die große Gewinnerin der Parlamentswahlen vom Dezember vorigen Jahres. Für deren Chefin Nicola Sturgeon ist der Kurs klar: "Boris Johnson hat ein Mandat, England aus der EU zu führen, aber ich habe ein Mandat, Schottland eine alternative Zukunft zu bieten."

Der Autor ist freier Korrespondent für Irland und Großbritannien.