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Kamerun : Von Bewunderung geprägt

Die deutsche koloniale Vergangenheit wird im täglichen Bewusstsein oft als Gegebenheit hingenommen

06.01.2020
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5 Min

Mitte November hatte das Goethe-Institut in Kameruns Hauptstadt Jaunde eine Kulturwoche unter dem Motto "The Burden of Memory" zur Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte veranstaltet. Die Bühne und der öffentliche Raum gehörten in dieser Zeit vielen afrikanischen Künstlern, Performern und Historikern. Die einzelnen Veranstaltungstage trugen Überschriften wie "Last", "Erinnerung", "Widerstand", aber auch "Rückeroberung". So eine kritische, vertiefte Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ist noch recht selten in Kamerun, das Deutschlandbild ist sehr positiv.

Denn wenn über die deutsche Kolonialzeit gesprochen wird, sind viele Menschen der Ansicht, dass sich die Deutschen vor allem gut mit Technik auskennen. Sie kommen zwangsläufig zu diesem Schluss, wenn die 32 Jahre andauernde Kolonialherrschaft des deutschen Kaiserreiches derjenigen der Dritten und Vierten Französischen Republik gegenübergestellt wird: Das Schloss, das der Kolonialgouverneur Jesko Eugen von Puttkamer als eigenen Amtssitz in Buea erbauen ließ, ist ein architektonisches Kleinod. Das Gebäude im wilhelminischen Stil ist heute der Amtssitz des kamerunischen Präsidenten in der Südwestregion. Deutsche Bauten werden vor allem aufgrund ihrer Widerstandsfähigkeit hoch geschätzt. Etliche Verwaltungsgebäude, Gefängnisse, Krankenhäuser, Kirchen und Schulen, die während der deutschen Herrschaft im Land entstanden, werden noch immer genutzt. Auch deshalb blicken viele Kameruner heute noch etwas nostalgisch auf die deutsche Kolonialzeit zurück.

Das technische Know-how der Deutschen ist aber nicht nur im Baugewerbe sichtbar. Es kam ebenfalls im Eisenbahn- sowie im Brückenbau zum Ausdruck. Die 1911 eröffnete Brücke von Edea wird heute zwar nur noch von Fußgängern und Motorradfahrern genutzt, aber sie hat keineswegs an Prestige verloren, und ihr wird sogar eine politisch-kulturelle Bedeutung zuerkannt: Sie repräsentiert die guten Beziehungen, die Deutschland und sein ehemaliges "Schutzgebiet" seit mehreren Jahrzehnten unterhalten.

Qualität Im Ersten Weltkrieg mussten die Deutschen Kamerun verlassen. Nach der Entscheidung des Völkerbundes übernahmen die Franzosen 80 Prozent des Territoriums des Landes, der Rest ging an die Briten. Es wurden schnell kritische Stimmen gegen die künstliche Teilung des Landes laut. In den 1940er und 1950er Jahren wurden Parteien gegründet, die die Wiedervereinigung und Unabhängigkeit auf ihre Fahne schrieben. Konsequenterweise schrieben einige den Namen des Landes weiterhin auf Deutsch. Den Franzosen und Briten wurde vorgeworfen, sehr wenig für die Entwicklung der ihnen anvertrauten Gebiete zu tun. Sie beschränkten sich darauf, die von den Deutschen hinterlassene Infrastruktur zu pflegen oder diese auszubauen. Das war der Fall beim Eisenbahnnetz, das sich aus der 1911 eröffneten Nordbahn und der Mittellandbahn, deren Bau wegen des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges abgebrochen werde musste, zusammensetzte. Den Franzosen ist lediglich der Abschnitt Eseka-Jaunde zu verdanken. Von der Teilstrecke Mbanga-Nkongsamba abgesehen, wird das vom deutschen Kaiserreich aufgebaute Eisenbahnnetz weiter benutzt.

Es gibt nicht wenige, die den Standpunkt vertreten, dass Kamerun eine wirtschaftlich starke Nation geworden wäre, wenn Deutschland es nicht frühzeitig verloren hätte. Nach wie vor gilt der Deutsche als arbeitsam, diszipliniert und willensstark. "Made in Germany" stand und steht für hohe Qualität. Auch deshalb träumen immer mehr Jugendliche davon, eine Ausbildung in Deutschland zu machen.

Als die Deutschen Kamerun verließen, hinterließen sie Tausende von Schülern, die drei Jahrzehnte lang auf Deutsch ausgebildet worden waren. Bis heute ist Deutsch Wahlpflichtfach an allgemeinbildenden Schulen. Allerdings gilt das nur für den französischsprachigen Teil des Landes. Informationen zur Zeit des deutschen Kaiserreiches werden sowohl in der Grund- als auch in der Sekundarschule unterrichtet.

Laut Goethe-Institut lernen in Kamerun rund 230.000 Menschen Deutsch als Fremdsprache. Damit ist das Land führend in Afrika. Im Allgemeinen haben die Jugendlichen ein positives Deutschlandbild, ganz gleich, ob sie Deutsch in der Schule gelernt haben oder nicht. Die Mehrheit der Menschen, die sich im Anschluss an das Abitur für Deutschkurse anmelden, hat eine berufliche Schule besucht.

Auch in der Hochschulbildung gehört die deutsche Kolonisation zum Unterrichtskanon der Studiengänge Geschichte und Germanistik. Im Jahr 2016 nutzten 7.336 Kameruner die Möglichkeit, in Deutschland zu studieren. Damit ist Deutschland das zweitbeliebteste Studienland der Kameruner. Auch gibt es viele wissenschaftliche Studien zum Thema. Im Nationalarchiv in Jaunde wird ein Großteil der Dokumente aus der deutschen Kolonialzeit aufbewahrt. Mit Unterstützung des Goethe-Instituts ist der von Peter Geissler aufgestellte Bestand deutscher Verwaltungsakten ins Französische übersetzt worden.

Bis heute erinnern neben den architektonischen und baulichen Hinterlassenschaften auch zahlreiche Ortsnamen an die deutsche Kolonialherrschaft, da sie in dieser Zeit entstanden. Das sind Namen wie Lolodorf, Nachtigal, Idenau oder Marienberg. Idenau etwa war eine vom Mannheimer Unternehmer und Politiker, Ferdinand Scipio, gegründetes Gebiet am Kamerunberg, in dem Kakao, Kautschuk, Bananen, Ölpalmen und Kaffee angepflanzt wurden. Dort ist ein Dorf entstanden, das heute 15.000 Bewohner zählt und zur Hauptstadt des Verwaltungsbezirks gewachsen ist.

Deutsche Friedhöfe Im Jahr 1890 kamen acht Deutsche vom Pallottiner-Orden nach Elog Ngango und bauten auf einer Anhöhe eine Missionskirche, der sie den Namen einer im Erzgebirgskreis liegenden Stadt gaben: Aus Elog Ngango wurde Marienberg. Da sich die ersten katholischen Missionare, die ins Land kamen, dort niederließen, wird es als Geburtsort der katholischen Kirche in Kamerun betrachtet. Das Dorf ist seit 1990 ein Wallfahrtsort. Auch finden sich immer noch Friedhöfe, auf denen die Grabinschriften auf Deutsch verfasst sind. Konsequenterweise nennt man sie "deutsche Friedhöfe". Im Rahmen eines von Deutschland finanzierten Projekts wurden sie genauso restauriert wie andere deutsche Denkmäler aus der Kolonialzeit, von denen zwei besonders bekannt sind: die Gustav-Nachtigal-Säule in Duala und der Bismarck-Brunnen in Buea.

Dass um aus den überseeischen Gebieten seinen Nutzen zu ziehen, mit der deutschen Kolonialzeit Unrecht und Verbrechen einhergingen, ist ein Fakt, der nicht vergessen werden darf. Unter dem Deckmantel der zivilisatorischen Mission fügten die deutschen Kolonialherren den Einheimischen viel Leid zu: Hohe Abgabelast, Wucher, Enteignungen, Zwangsarbeit, Trägerwesen, Vergewaltigungen, Willkürjustiz - all dies war Teil der Methoden, auf die auch in Kamerun gern zurückgriffen wurde. Die Deutschen bauten ein brutales Regime der Unterdrückung auf und spielten einzelne Gruppen gegeneinander aus. Dies führte dazu, dass manche Volksstämme oder Stammesfürsten sich gegen sie auflehnten. In Kamerun werden die Häuptlinge Rudolph Duala Manga Bell, Martin Paul Samba, Wilhelm Madola und Edanda Mbita als erste Märtyrer betrachtet, weil sie zu Unrecht hingerichtet wurden. Sie wurden alle des Hochverrats angeklagt und am 8. August 1914, am Beginn des Ersten Weltkriegs, getötet. Jeden 8. August legen die Angehörigen des Stadtkreises Bell nun Blumen auf dem Grab ihres ehemaligen Oberhauptes nieder. In der Stadt Ebolowa findet sich ein Standbild von Martin Samba. Hilaire Mbakop