NORDMAZEDONIEN : Störmanöver aus Sofia
Bulgarien will EU-Beitritt blockieren
Der Streit zwischen Bulgarien und Nordmazedonien um die gemeinsame Historie gewinnt an Schärfe. Beim virtuellen Rat der Europäischen Union für Allgemeine Angelegenheiten legte Bulgarien am vergangenen Dienstag als einziges Land sein Veto ein gegen die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien. Dies stellt die von Deutschland im Rahmen seiner EU-Ratspräsidentschaft für Dezember in Skopje geplante internationale Konferenz in Frage. Sie sollte den Auftakt für Nordmazedoniens Beitrittsverhandlungen markieren.
"Solange wir keine Rechtsgarantien sowohl von Skopje als auch im Kontext des EU-Verhandlungsprozesses bekommen, dass Nordmazedonien seine Politik ändert, können wir der ersten internationalen Konferenz und der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen nicht zustimmen", erklärte Bulgariens Außenministerin Ekaterina Sacharieva vergangene Woche gegenüber den Abgeordneten der Bulgarischen Volksversammlung. Kurz zuvor hatte ihr deutscher Amtskollege Heiko Maas (SPD) bei der Verleihung des Menschenrechtspreises an Nordmazedoniens Premier Zoran Zaev erklärt, Nordmazedoniens erste Beitrittskonferenz solle "noch in diesem Jahr stattfinden".
Als erstes Land überhaupt hat Bulgarien im Jahr 1992 die Republik Mazedonien unter ihrem verfassungsrechtlichen Namen völkerrechtlich anerkannt. Es akzeptierte damit auch das Selbstbestimmungsrecht der Mazedonier. In den folgenden Jahrzehnten flammten zwischen Bulgaren und Mazedoniern aber immer wieder erhitzte Kontroversen vor allem über historische Themen auf. Nach Ansicht vieler Bulgaren hat das mazedonische Volk "bulgarische Wurzeln", die mazedonische Sprache sei eigentlich ein "südbulgarischer Dialekt". So fordert die bulgarische Regierung nun von Nordmazedonien, den Terminus "mazedonische Sprache" in diplomatischen Verträgen durch "offizielle Sprache der Republik Nordmazedoniens" zu ersetzen.
Im August 2017 unterzeichneten beide Länder einen Freundschafts- und Nachbarschaftsvertrag und setzten eine paritätisch besetzte Historiker-Kommission ein, um geschichtliche Streitfragen beizulegen. Unter anderem mit dem faktischen Scheitern dieser Kommission begründet Bulgarien nun seine Blockade. "Historische Themen in den Fokus staatlicher Beziehungen zu setzen und Bulgariens hartnäckiges Beharren darauf, alle Mazedonier seien einfach Bulgaren, erweist sich als Rezept für ein Desaster", kritisiert der am Wiener Institut für die Wissenschaft vom Menschen tätige bulgarische Politikwissenschaftler Dimitar Betschew. Nordmazedoniens Regierungschef Zaev hält Bulgariens Veto für innenpolitisch motiviert im Hinblick auf die für den März 2021 angesetzten Parlamentswahlen. Er hofft, die deutsche EU-Ratspräsidentschaft möge den EU-Beitrittsprozess seines Lands trotz des Störmanövers des nördlichen Nachbars Bulgarien vorantreiben.
Der Autor ist freier Korrespondent.