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INNERE SICHERHEIT II : Der »Staatstrojaner« und die Sicherheit

Auch der Verfassungsschutz darf künftig die Quellen-TKÜ nutzen

14.06.2021
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3 Min

"Ich halte die Entscheidung für den Einsatz von Staatstrojanern auch weiterhin für falsch, insbesondere in den Händen von Geheimdiensten. Diese Form der Überwachung ist ein fundamentaler Eingriff in unsere Freiheitsrechte und dazu ein Sicherheitsrisiko für unsere Wirtschaft." Diesen Tweet der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken vom vergangenen Mittwoch zitierte Stephan Thomae (FDP) am folgenden Tag genüsslich in der Schlussdebatte des Bundestages über den Gesetzentwurf der Bundesregierung "zur Anpassung des Verfassungsschutzrechts" (19/24785). Der sieht unter anderem vor, das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) mit dem umstrittenen Instrument der Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) auszustatten, und wurde schließlich mit 355 von 639 Stimmen in der Ausschussfassung (19/30477) verabschiedet. Für die von der Opposition geschlossen abgelehnte Vorlage votierten dabei neben der CDU/CSU auch fast alle Sozialdemokraten, von denen fünf dagegen stimmten und drei sich enthielten.

Reaktion auf Anschläge Damit erhalten die Nachrichtendienste angesichts gewandelter Kommunikationsgewohnheiten "ergänzende Aufklärungsbefugnisse durch die Regelung zur Quellen-Telekommunikationsüberwachung auch von Messengerdiensten". Laut Bundesinnenministerium ist die "Quellen-TKÜ" insbesondere für die Überwachung digitaler und verschlüsselter Kommunikation wichtig, die oft über Messengerdienste erfolgt.

Die Quellen-TKÜ setzt danach im Endgerät an, bevor die Nachrichten technisch verschlüsselt werden beziehungsweise wenn sie wieder entschlüsselt sind. Die Regelung zur Quellen-TKÜ erweitere die rechtlichen Möglichkeiten der Telekommunikationsüberwachung nicht, sondern sorge dafür, "dass die Täter sich der Aufklärung technisch nicht mehr durch Wahl des Kommunikationsmittels entziehen können". Flankierend sollen die Voraussetzungen für eine verbesserte und erweiterte Kontrolle von TKÜ durch die sogenannte G10-Kommission geschaffen werden.

Mit der Neuregelung soll zugleich "insbesondere auf die aktuellen Ereignisse im Bereich des Rechtsterrorismus" und -extremismus reagiert werden, wie die Bundesregierung in der Gesetzesbegründung mit Verweis auf die Anschläge in Halle und Hanau ausführt. "Diese gebieten, auch Einzelpersonen gezielt in den Blick zu nehmen" sowie die Zusammenarbeit im Verfassungsschutzverbund mit dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) gerade bei der Aufklärung des Rechtsextremismus zu verbessern.

Mathias Middelberg (CDU) betonte in der Debatte, dass gerade im extremistischen Spektrum verschlüsselte Dienste zur Kommunikation genutzt würden. Darauf zuzugreifen gehe nur über die Quellen-TKÜ. Daher brauche man sie für den Auslandsgeheimdienst, den Verfassungsschutz und den MAD. Dabei gehe es um eine "sehr überschaubare" Zahl von Fällen im Jahr.

Auch Uli Grötsch (SPD) hob hervor, dass Extremisten verschlüsselt über Messengerdienste kommunizierten. Daher habe man erweiterten Möglichkeiten bei der Durchführung der Quellen-TKÜ für die Nachrichtendienste zugestimmt. Rechtsterrorismus und -extremismus seien die größte Gefahr im Land, und insbesondere auf die "rapide Radikalisierung von Einzeltätern im Internet und in den Chatgruppen der Messengerdienste" müsse reagiert werden. Die von der Union angestrebte Onlinedurchsuchung habe die SPD dagegen abgelehnt.

Roland Hartwig (AfD) sah "erheblichen Reformbedarf für den Verfassungsschutz". Hinter diesem Namen verberge sich ein Inlandsgeheimdienst, der auch eingesetzt werde, um politische Bewegungen mit geheimdienstlichen Mitteln auszuspähen.

FDP-Mann Thomae warf der SPD vor, sie gebe "Bürgerrechte ohne Not preis". Dabei sei die Sicherheitspolitik der Koalition selbst ein Sicherheitsrisiko, da sich auch Kriminelle der Lücken etwa in Laptops bedienten, die der Staatstrojaner ausnutze, Solche Lücken gehörten geschlossen "und nicht für den Staatstrojaner genutzt".

André Hahn (Linke) kritisierte, mit der Neuregelung würden die Geheimdienste zur Quellen-TKÜ in Form einer "Onlinedurchsuchung light" ermächtigt. Eine trennscharfe Abgrenzung zwischen beiden Maßnahmen sei so wenig möglich wie eine wirksame parlamentarische Kontrolle. Das sei "ganz offenkundig verfassungswidrig".

Konstantin von Notz (Grüne) hielt der Koalition vor, mit "verfassungsrechtlich hochproblematischen Instrumenten" zu kommen. Dabei störe sie auch nicht, dass vor dem Bundesverfassungsgericht noch mehrere Verfahren gegen Trojaner anhängig seien. Für den Einsatz der Trojaner brauche man Sicherheitslücken, durch die andere Nachrichtendienste genauso gingen wie die organisierte Kriminalität.