Framing : Bilder in unseren Köpfen
Metaphern werden in der politischen Kommunikation inzwischen gezielt eingesetzt
Flüchtlingsbewegung oder Flüchtlingsstrom? Asylbewerber oder Asyltourist? Achse des Bösen oder Koalition der Willigen? Jedes Sprachbild ruft bei uns andere Assoziationen hervor. In der Kognitionsforschung werden solche Metaphern "Frames" genannt, was so viel bedeutet wie: "Rahmen setzen". Fakten werden Deutungen zugewiesen, Aspekte hervorgehoben oder ausgeblendet.
Erkenntnissen von Neurowissenschaftlern zufolge werden durch diese Deutungsrahmen tief in unserem Gehirn verankerte Wert- und Sinnzusammenhänge aktiviert - und so unser Denken und Handeln beeinflusst. Ein Grund, warum Frames in der politischen Kommunikation immer mehr Verbreitung finden.
"Sprache ist Politik", stellt die Neurolinguistin Elisabeth Wehling in ihrem 2016 erschienenen Buch über Politisches Framing fest. Darin erläutert sie, wie Frames im Gehirn wirken und wie sie unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit prägen. Politikern rät sie dazu, Sprachbilder mit Bedacht auszuwählen. Denn es sei ein Widerspruch, wenn ein Politiker etwa für mehr Steuern plädiere, aber den sehr negativen Begriff "Steuerlast" verwende. Kandidaten im Wahlkampf sollten ihre Sprache außerdem so gestalten, dass die ideologischen Unterschiede zu anderen Parteien deutlich werden.
Wie mit Sprache Politik gemacht wird, ist häufig zu beobachten. So wurde das auf Betreiben der CSU eingeführte Betreuungsgeld von Gegnern häufig als "Herdprämie" diffamiert. Und während die AfD bei Debatten um den Klimaschutz gerne von "Klimahysterie" spricht, benutzen Anhänger der Friday for Future-Bewegung lieber das Wort "Klimakatastrophe".
Der richtige Umgang mit Frames ist - gerade in Zeiten von Social Media - für Politiker, Parteien und Gruppierungen Herausforderung und Chance zugleich. Das bestätigen auch Bundestagsabgeordnete: "Zur Verdeutlichung und Untermauerung meiner Position nutze ich natürlich auch sprachliche Bilder und Frames", stellt der Obmann der SPD im Ausschuss für Kultur und Medien im Bundestag, Martin Rabanus, klar. Die Auswahl und Verwendung bestimmter Wörter begleite zudem die Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion. Denn: "Mit bestimmten Wörtern soll bei der Zielgruppe ein bestimmter Effekt erzielt werden."
Auch der Fraktionsvorsitzende der Linken, Dietmar Bartsch, hat die Bedeutung von Frames erkannt: "Politisches Framing ist sehr wichtig in politischen Auseinandersetzungen", sagt er. Auch seine Fraktion überlege, wie sie ihre Themen "effektiv und medial treffsicher" platzieren könne. Allerdings falle es ihr nicht immer leicht, politisches Framing zu betreiben, "weil die Grenze zur Manipulation fließend ist".
Differenzierte Studienergebnisse Dass Framing wirkt, ist inzwischen vielfach belegt. Umstritten ist jedoch, wie stark der Effekt ist und wann er auftritt. Anders als Elisabeth Wehling oder der Begründer der kognitiven Linguistik, George Lakoff, urteilt etwa der US-amerikanische Psychologe Steven Pinker in seinem 2007 erschienenen Buch "The Stuff of Thought", nichts spreche dafür, dass Menschen Metaphern immer auch als solche wahrnehmen und verarbeiten. Eine internationale Forschergruppe um Marc Helbling vom Wissenschaftszentrum Berlin fand heraus, dass Schweizer Wähler auf Framing in der Regel so reagierten, dass sie ihre eigene politische Position nur noch stärker vertraten als zuvor - unabhängig davon, ob das Frame ihre eigene Position unterstützt hat oder nicht. Eine weitere, britische Studie aus dem Jahr 2006 ergab, dass Probanden im Hirnscanner verschieden stark durch das Framing beeinflusst wurden, je nachdem, wie stark ihr so genannter präfrontaler Kortex im Gehirn arbeitete, der unter anderem für die Handlungsplanung zuständig ist. Daraus folgerten die Wissenschaftler, dass die Menschen dem Effekt nicht schutzlos ausgeliefert sind, sofern sie über das Gehörte oder Glesene nachdenken.
Eine Einschätzung, die die CDU-Bundestagsabgeordnete Melanie Bernstein teilt: "Wer glaubt, dass Menschen unabhängig vom Inhalt allein durch die Wortwahl zur Wahlentscheidung zu bringen sind, irrt." Als Norddeutsche sei sie geprägt von einer Region, in der viele blumige Worte eher Misstrauen als Begeisterung auslösten. Der Politik-Berater Johannes Hillje hält Frames dennoch für wichtige "Vermittler" zwischen Politikern und Bürgern. Er rät Parteien wie Medien aber stets zum kritischen "Framing-Check": Beschreibt das Frame das Problem adäquat? Welche politische Motivation steckt dahinter? Außerdem gibt Hilje zu bedenken: "Wenn ich ein Framing wiederhole, selbst wenn ich es negiere, stärke ich es im öffentlichen Diskurs."
Almut Lüder arbeitet als freie Journalistin in Berlin.