sondermüll : Gefährliche Abfälle in Klinik und Praxis
Auch in Pflegeheimen fällt viel Müll an
In vielen Haushalten werden massenhaft alte Medikamente gehortet. Dass die abgelaufenen oder nicht mehr benötigen Arzneimittel Sondermüll sind und nicht in der Toilette landen dürfen, hat sich inzwischen herumgesprochen. Neben Hausapotheken, die schon eine beträchtliche Größenordnung erreichen dürften, fallen im Gesundheitssystem Tausende Tonnen Spezialabfall an, darunter gefährlicher Abfall, der in komplexen Verfahren gelagert, transportiert und entsorgt werden muss.
In der Coronakrise hat sich der Blick auf gefährliche Abfälle geschärft, weil zu den problematischen Stoffen vermehrt kontaminierte Instrumente oder Schutzausrüstung hinzukommen. Bei der Entsorgung von Abfällen im Gesundheitssektor spielen diverse Rechtsgrundlagen auf verschiedenen politischen Ebenen eine Rolle, so etwa der Arbeits- und Infektionsschutz, das Chemikalien- und Gefahrgutrecht, das Abfallrecht und diverse Verordnungen bis hin zum kommunalen Satzungsrecht.
Abfallverzeichnis Nach EU-Recht werden Abfälle in "gefährlich" und "nicht gefährlich" unterschieden. In der Abfallverzeichnisverordnung (AVV) werden 842 Abfallarten aufgelistet, 288 davon sind als gefährlich eingestuft. Abfälle erhalten einen sechsstelligen Zahlenschlüssel, gefährliche Abfälle werden zusätzlich mit einem Sternchen markiert. Gefährlich sind Abfälle dann, wenn sie Gesundheit oder Umwelt schädigen können, explosiv oder brennbar sind oder Krankheitserreger übertragen können. Abfälle aus dem Gesundheitsbereich werden zumeist als Sonderabfall verbrannt, chemisch-physikalisch behandelt oder wiederverwertet.
Gesundheitsabfälle fallen vor allem in Krankenhäusern an, aber auch in Arzt- und Zahnarztpraxen, in Apotheken, Laboren, der Pathologie oder Pflegeheimen. Ein Krankenhauspatient verursacht im Schnitt rund sechs Kilogramm Abfall, drei Mal mehr als im normalen Alltag.
Ein großes Krankenhaus wie die Berliner Charité muss pro Jahr rund 10.000 Tonnen Abfall entsorgen, darunter 200 Tonnen gefährliche Abfälle wie Zytostatika (Arzneimittel gegen Krebs), infektiöse Abfälle oder Chemikalien. Die Charité trennt mehr als 65 verschiedene Abfallfraktionen. Kliniken müssen ein Abfallkonzept erarbeiten, eine spezielle Logistik vorhalten und bei mehr als zwei Tonnen gefährlichem Abfall pro Jahr einen Abfallbeauftragten nach der Abfallbeauftragtenverordnung (AbfBeauftrV) bestellen.
Um nachvollziehen zu können, welchen Weg gefährliche Abfälle nehmen, besteht in Deutschland bei größeren Mengen laut Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) eine Nachweis- und Registerpflicht. Die Erzeuger, Besitzer, Sammler, Beförderer und Entsorger von gefährlichen Abfällen müssen also die ordnungsgemäße Entsorgung nachweisen. Ferner müssen entsorgungsrelevante Dokumente in ein elektronisches Register eingestellt werden. Ausgenommen von der Nachweispflicht sind Arztpraxen mit weniger als zwei Tonnen gefährlichen Abfällen pro Jahr und Privathaushalte, wie aus der Nachweisverordnung (NachwV) hervorgeht.
Während die Krankenhäuser in der Regel auf ein professionelles Abfallmanagement zurückgreifen können, muss die Entsorgung von Gesundheitsabfällen in kleineren Betrieben und Einrichtungen von der jeweiligen Leitung mitorganisiert werden, ohne die gesetzlichen Bestimmungen zu verletzen. In Apotheken etwa fallen viele Arzneimittelreste und Altmedikamente an, die über kommunale Schadstoffsammelstellen entsorgt oder in verschließbaren Behälter zwischengelagert werden können.
Spitz und giftig Besonders gefährlich sind zytostatische und zytotoxische Arzneimittel mit krebserzeugenden, keimzellmutagenen oder reproduktionstoxischen Inhaltsstoffen. Diese Medikamente werden in geprüften Behältern gelagert, bevor sie in einer speziellen Verbrennungsanlage entsorgt werden. Manche Apotheken nehmen von ihren Kunden auch Altmedikamente zurück, um sie dann in größeren Mengen zu entsorgen. In Apotheken fallen darüber hinaus auch Quecksilberreste an, Säuren, Laugen, Farben, Verdünner oder Gifte, die nicht in die Kanalisation gelangen dürfen.
Krankenhäuser, Arztpraxen und Labore müssen sich auch um die bruch- und stichsichere Verpackung von Spritzen, Kanülen, Skalpellen, Klingen, Lanzetten, Pinzetten, Scheren, Objektträgern oder Glasampullen kümmern, die in robuste, verschließbare Abwurfbehälter kommen. Für infektiösen Abfall gelten strenge Hygieneregeln. Bei Zahnärzten und in Dentallaboren müssen Amalgamreste entsorgt werden sowie Fixierbäder oder Entwicklerlösungen für Röntgengeräte. Bleifolien gelten nicht als gefährlich, müssen aber auch nach den kommunalen Regeln verwertet werden.
In der Altenpflege hat die Coronakrise auch für die Abfallentsorgung neue Herausforderungen gebracht. Benutzte Windeln mit meldepflichtigen Krankheitserregern müssen nach der Biostoffverordnung stabil verpackt und in einem sicheren Raum gelagert werden: Zutritt für Unbefugte verboten.