Weltklimakonferenz in Dubai : Die größten Emittenten stehen auf der Bremse
Der Fonds für Klimaschäden kommt ins Laufen. Doch auf einen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen ringt die Weltgemeinscbaft in Dubai weiter.
Expo City in Dubai: Hier verhandeln die fast 200 COP-Staaten den künftigen Klimakurs.
Für Sultan Ahmed Al Jaber ist die aktuelle Weltklimakonferenz die wichtigste seit dem Klima-Abkommen von Paris 2015. Dass der Konferenzpräsident seine eigene Veranstaltung lobt, ist wenig überraschend. Doch der 50-Jährige könnte Recht behalten. Im Expo City Dubai, einem riesigen Messegelände am Rande der Wüstenstadt in den Vereinigten Arabischen Emiraten, könnte sich entscheiden, ob die Menschheit noch schnell genug umsteuern kann im Kampf gegen die Erderwärmung.
Es ist die 28. Auflage der "Conference of the Parties", kurz COP, wie die Konferenz international genannt wird. Trotzdem sind die Treibhausgas-Emissionen zuletzt noch gestiegen, 2023 dürfte das heißeste Jahr auf der Erde in der Geschichte der Menschheit sein. Und dass, obwohl die fast 200 Staaten der COP vor acht Jahren beschlossen hatten, den Temperaturanstieg möglichst auf 1,5 Grad Celsius, auf jeden Fall aber weit unter zwei Grad zu begrenzen. Danach sieht es derzeit aber nicht aus.
Bestandsaufnahme in Dubai
In Paris legten die Staaten fest, in diesem Jahr eine "globale Bestandsaufnahme" vorzunehmen: Tun die Länder genug, um die Ziele zu erreichen? Bei weitem nicht. In Dubai wird verhandelt, welche Schlüsse die Welt daraus zieht. Ein Weiter-so, weil man das lukrative Geschäft mit Öl, Gas und Kohle nicht beschädigen will? Oder doch die Trendwende? Um auf dem 1,5-Grad-Pfad zu bleiben, müssten die Emissionen bis 2030 um fast die Hälfte zurückgehen.
"Wir brauchen mehr Ehrgeiz", sagte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) vorab, es sei ein Wettlauf gegen die Zeit und bislang sei die Welt zu langsam. Auch auf Initiative der deutschen Delegation könnte es in Dubai den Beschluss geben, die erneuerbaren Energien weltweit bis 2030 zu verdreifachen. Außerdem soll die Energie doppelt so effizient wie bislang eingesetzt werden. Äußerst umstritten ist die Forderung, einen Fahrplan aufzustellen, aus den fossilen Brennstoffen auszusteigen, beginnend mit dem Energiesektor.
Es geht nicht ohne die USA und China
Russland teilte bereits mit, eine solche Vereinbarung keinesfalls schließen zu wollen, auch Saudi-Arabien kämpft dagegen. Al Jaber erklärte indes, dass eine "bedeutende Anzahl" von Öl- und Gasfirmen zugesagt hätten, die Ziele des Pariser Abkommens zu übernehmen: also ab 2050 keine Emissionen mehr, dazu Zwischenschritte wie eine Halbierung der Methanemissionen bis 2030. Wie überprüfbar diese Ankündigung ist und wer sie sanktionieren soll, ließ er allerdings offen. Dass Al Jaber selbst Chef der staatlichen Öl- und Gasfirma Adnoc ist, schürt zudem Misstrauen unter den Beobachtern. Adnoc hat angekündigt, seine Förderung in den kommenden Jahren erheblich ausweiten zu wollen.
Die Weltklimakonferenz in Dubai (COP28)
So viele Teilnehmer wie nie: An der diesjährigen Weltklimakonferenz (COP28) in Dubai nehmen 70.000 Teilnehmer aus rund 200 Staaten und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen teil. Allein die deutsche Delegation hat 250 Mitglieder.
Fossile vs. Erneuerbare: Ein wichtiger Punkt ist der Umbau des weltweiten Energiesystems, also der möglichst verbindliche Ausstieg aus der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas bei einem gleichzeitigen Ausbau der Erneuerbaren. Insbesondere der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen dürfte zum Streitthema werden. Zu den Erneuerbaren wird größerer Einigungswille erwartet.
Start mit Durchbruch: Bei der COP28 gab eine Einigung für einen Fonds, mit dem ärmere Länder für die vor allem von den Industriestaaten verursachten Klimaschäden finanziell unterstützt werden sollen.
Anfänge in Paris: Vor acht Jahren brachte die COP21 in Paris den diplomatischen Durchbruch: Die gesamte UNO bekannte sich zu dem Ziel, die Erderwärmung auf unter 2 Grad, möglichst sogar auf 1,5 Grad zu begrenzen. Dieses Ziel ist völkerrechtlich verbindlich – und doch gibt es große Lücken bei der Umsetzung.
Einen schrittweisen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen könnte die Weltgemeinschaft wohl nur vereinbaren, wenn sich die USA und China hinter diese Forderung stellen. Die beiden größten CO2-Emittenten fanden zwar auf anderen Politikfeldern zuletzt zusammen und veröffentlichten kurz vor der Konferenz einen Einigungskatalog. Darin steht etwa die Forderung, die Methan-Emissionen drastisch reduzieren zu wollen. Von einem geordneten Ausstieg aus fossilen Brennstoffen ist dort allerdings nicht die Rede. Auch wenn John Kerry, Klimabeauftragter der US-Regierung, zuletzt erklärte, er unterstütze den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen, bei denen während der Produktion das CO2 nicht abgeschieden und unter die Erde verbracht werde.
Knalleffekt zu Beginn
An anderer Stelle begann die COP28 allerdings mit einem Knalleffekt. Schon in seiner ersten offiziellen Plenarsitzung konnte Sultan Al Jaber über den Beschluss abstimmen lassen, einen Fonds für "Schäden und Verluste" einzurichten, der die Folgen des Klimawandels in den ärmsten Ländern ausgleichen soll. Nach intensiver Vorarbeit eines Gremiums äußerte kein Staat Widerspruch und so wird der Fonds nun bei der Weltbank eingerichtet, unter anderem mit einem 100-Millionen-Euro-Zuschuss der Bundesregierung. Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) ließ sich extra zuschalten aus Berlin und sprach von einer "bahnbrechenden Entscheidung" und von lange erwarteter Solidarität mit den am meisten Gefährdeten.
Ein solcher Fonds wurde von den Entwicklungsländern seit vielen Jahren gefordert. Sie sehen ihn als eine Art Wiedergutmachung des Nordens dafür an, dass dieser seit Jahrzehnten mit Kohle, Öl und Gas reich wurde, die Folgen der daraus entstandenen Treibhausgase aber nun vor allem die Länder im Süden treffen. Insbesondere die USA, aber auch die Europäische Union, hatten sich lange eisern geweigert, überhaupt über einen solchen Fonds zu sprechen. Zu groß war die Angst davor, nach Naturkatastrophen zu Zahlungen verpflichtet zu werden. Ein solcher Rechtsanspruch auf Einzahlung ist nun nicht vorgesehen, das war die rote Linie von Amerikanern und Europäern.
Die Weltbank ist gefragt
Die Weltbank soll den Fonds jetzt schnell ins Laufen bringen, Finanzexperten zufolge dürfte dafür ein Betrag von hundert Milliarden US-Dollar jährlich nötig sein - in Form von Zuschüssen. Kredite würden nur die Schuldenkrise vieler Entwicklungsländer befeuern.
Die Summe ist wohl kaum durch öffentliche Haushalte reicher Länder aufzubringen, weshalb bereits nach neuen Erlösquellen gesucht wird. Im Gespräch waren zuletzt Abgaben auf den internationalen Schiffs- oder Flugverkehr, eine Finanztransaktionssteuer oder eine Extra-Steuer für Öl- und Gasfirmen. "Wir brauchen zusätzliches Geld, das im Notfall schnell fließen kann", fordert Avinash Persaud, Berater der Regierung aus Barbados und Experte für Klimafinanzierung. Dass solche Einnahmequellen überhaupt auf dem Verhandlungstisch liegen, sei ein großer Schritt nach vorne, findet Persaud.
Folgen der geopolitischen Großkonflikte
Die große Unbekannte dieser Weltklimakonferenz, über die der Bundestag am Freitag auch in einer Vereinbarten Debatte debattierte, ist die Auswirkung des Nahost-Konflikts auf den Kampf gegen den Klimawandel. Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine 2022 ist er der zweite geopolitische Großkonflikt, der die Welt auseinandertreibt. Wie wird sich Israel verhalten? Wie die arabischen Länder angesichts der Zerstörungen im Gazastreifen? Das seien immense Herausforderungen, sagte Jennifer Morgan, Staatssekretärin und Klimabeauftragte im Bundesaußenministerium. Dennoch spüre man in Dubai den starken Drang, sich auf die Klimakrise zu konzentrieren.
Der Autor ist Politikredakteur bei der "Süddeutschen Zeitung" in München.