Gastkommentare : Pro und Contra: Strategie ohne Biss?
Ist die Strategie der Bundesregierung zum Umgang mit China nur ein Papiertiger? Viktoria Bräuner und Kerstin Münstermann im Pro und Contra.
Pro
Konkreter, bitte!
Deutschland hat seine erste China-Strategie - das ist gut. Denn eine ist, logisch, besser als keine. Viele der angekündigten Maßnahmen sind wichtig, wie etwa der Ausbau der China-Kompetenz, eine Diversifizierung der Wirtschaftsbeziehungen zur Reduzierung von Abhängigkeiten und die Begrenzung von Sicherheitsgarantien für die China-Geschäfte deutscher Unternehmen. Mit Blick auf Taiwan wird ganz richtig verdeutlicht: "Eine Veränderung des Status quo in der Straße von Taiwan darf nur friedlich und im gegenseitigen Einvernehmen erfolgen. Eine militärische Eskalation würde auch deutsche und europäische Interessen berühren." Heißt: Chinas Drohungen sind keine regionale, sondern eine globale Gefahr.
Schade ist, dass zwar dem Schutz kritischer Verkehrsinfrastruktur eine wichtige Bedeutung zugemessen wird, konkrete Aspekte wie der Schutz der Häfen aber nicht explizit erwähnt werden. Nach der Debatte um den Anteilskauf des chinesischen Staatsunternehmens Cosco an einem Terminal im Hamburger Hafen lag dies doch eigentlich auf der Hand. Alle sechs beteiligten Bundesministerien hatten im Oktober 2022 klar vor diesem Geschäft gewarnt; am Ende setzte sich das Kanzleramt mit einem Kompromiss durch. Wünschenswert wäre gewesen, dass die in diesem Prozess gewonnenen Erkenntnisse konkreter in die Strategie eingeflossen wären.
Auch fehlt eine klare Priorisierung. Gibt es einen Aktionsplan, was die Regierung bis wann zuerst angehen möchte? In 83 Wochen hat sie sich die China-Strategie hart erkämpft. Das Ergebnis wurde lange genug gefeiert. Jetzt müssen die einzelnen Punkte mit Leben gefüllt werden. Sonst bleibt das Papier, was es aktuell ist: 64 Seiten ohne Biss.
Contra
Ein fester Rahmen
Es war ein sehr umstrittenes Thema zwischen Kanzleramt und Außenministerium: die China-Strategie. Am Ende wurde sie nur von Außenministerin Annalena Baerbock präsentiert, Kanzler Olaf Scholz verzichtete auf einen Aufritt. Kritiker monierten, die Strategie sei zu chinafreundlich, andere fanden sie mit Blick auf die Herausforderungen dieser großen und zunehmend selbstbewusster auftretenden autokratischen Wirtschaftsmacht ohnehin überflüssig.
Doch dass sich die deutsche Politik überhaupt einen festen Rahmen gegeben hat, ist zu begrüßen. Der Dreiklang: Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale ist auch mit Blick auf jüngste innenpolitische Ereignisse in China, wie das Verschwinden von Ministern, sowie außenpolitischer Drohgebärden zutreffend. Die China-Strategie listet bewusst eine ganze Reihe von Problemen auf - etwa, dass China außenpolitisch seinen Weltmachtanspruch zunehmend offensiv vertritt, und dass es die internationale Ordnung entlang der Interessen seines Einparteiensystems zu beeinflussen versucht. Auch dass es handelspolitisch den Zugang für ausländische Unternehmen zum chinesischen Markt erschwert, wird erwähnt, ebenso, dass die Volksrepublik repressiv gegenüber der eigenen Bevölkerung auftritt.
Dennoch werden Geschäfte der Industrie mit dem Land von politischer Seite aus ermöglicht - allerdings laut Strategie auf eigene Gefahr der Unternehmen. Sollte es zum Bruch mit China kommen, wird der Staat nicht einspringen. Diese Position muss die Bundesregierung der Wirtschaft gegenüber weiter deutlich machen. So gesehen wäre eine Russland-Strategie in den Jahren zuvor auch schon eine gute Idee gewesen.