Aserbaidschan-Affäre : Die "Kaviar-Diplomatie" hat Konsequenzen vor Gericht
Zwei Ex-Bundestagsabgeordnete sollen Geld aus Aserbaidschan für Lobbyarbeit im Europarat angenommen haben. Jetzt sind sie wegen Bestechung angeklagt.
Sie werden beschuldigt, Geld aus Aserbaidschan angenommen zu haben, um in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (PACE) die Interessen des autoritären Regimes zu vertreten: die Ex-Bundestagsabgeordneten Axel Fischer (CDU) und Eduard Lintner (CSU). Nach jahrelangen Ermittlungen und Durchsuchungen auch im Ausland hat die Generalstaatsanwaltschaft München am Montag Anklage gegen beide erhoben.
Transaktion soll über ausländische Briefkastenfirmen gelaufen sein
Fischer, von 2010 bis 2018 als EVP-Fraktionschef in der PACE aktiv, soll nach Ansicht der Ermittler für ein Bestechungsgeld in Höhe von 21.800 Euro positive Reden gehalten und vertrauliche Dokumente weitergeleitet haben. Lintner, der 33 Jahre lang im Bundestag und bis 2010 in der PACE saß, soll über zwei Gesellschaften bis 2016 "einen mehrfachen Millionenbetrag über 19 ausländische Briefkastenfirmen" kassiert und diesen teils an andere Abgeordnete wie die inzwischen verstorbene Bundestagsabgeordnete Karin Strenz (CDU) weitergeleitet haben, damit diese sich im Europarat für Aserbaidschan einsetzen.
Lintner bezeichnete das als "großen Unsinn" und erklärte, er habe sich nach Ende seiner Zeit als Abgeordneter als Lobbyist dafür eingesetzt, dass die Konfliktregion Berg-Karabach Aserbaidschan zugerechnet werde - ein aus seiner Sicht "völkerrechtlich korrekter Zustand". Dafür habe die Regierung dort auch Geld an seine Gesellschaften gezahlt. Bestochen habe er andere Abgeordnete damit nicht. Auch Fischer wies die Vorwürfe zurück.
Das Verfahren sei nicht nur für seine Familie belastend, sondern "es zerstört auch mein berufliches und soziales Leben".
Anklagen gegen zwei weitere Beschuldigte erhoben
Die Generalstaatsanwaltschaft hat nach eigenen Angaben gegen zwei weitere Beschuldigte Anklage erhoben, denen vor allem Beihilfe vorgeworfen wird. Da Karin Strenz inzwischen gestorben ist, kann gegen sie kein Strafverfahren mehr angestrengt werden. Die Behörde hat aber beantragt, das Geld, das sie als Bestechungslohn erhalten habe, von ihren Erben einziehen zu lassen.
Mit aufgedeckt hat den Skandal der Bundestagsabgeordnete und Leiter der deutschen Delegation im Europarat, Frank Schwabe (SPD). Im Interview mit der ARD, die am 6. März eine Dokumentation über die sogenannte Aserbaidschan-Affäre ausstrahlt, sagte er, die Vorgänge seien "das Schlimmste, was im Deutschen Bundestag seit 1949 passiert ist". Dass es Abgeordnete gebe, die im Sinne anderer Länder gegen Geld eine Position vertreten, "die nicht der Realität entspricht, und damit Menschenrechtsverletzungen schlimmster Art legitimieren - das konnte ich mir nicht vorstellen".
Belohnt mit Kavier, Seidenteppichen und hohen Geldbeträgen
Aserbaidschan ist seit 2001 Mitglied im Europarat. Erstmals aufgedeckt wurden die Verwicklungen einzelner Abgeordneter in die Lobbyarbeit für das Land im Jahr 2012 von der Europäischen Stabilitätsinitiative. In ihrem Bericht ist die Rede von 30 bis 40 Europaratsmitgliedern, die jährlich nach Aserbaidschan eingeladen und dort mit teuren Gastgeschenken wir Kaviar, Seidenteppichen, Gold und Silber sowie hohen Geldbeträgen überhäuft wurden - weswegen der Skandal bald den Beinamen "Kaviar-Diplomatie" trug. In größerem Maß kam diese Praxis aber erst 2017 in die Schlagzeilen, als die Zahlungen an den deutschen Abgeordneten Lintner bekannt wurden.
Aserbaidschan stand im Europarat wegen seines gewaltsamen Vorgehens im Konflikt mit Armenien um die Region Berg-Karabach, Wahlfälschungen und Unterdrückung von Oppositionellen immer wieder in der Kritik. Im September 2023 nahm es Berg-Karabach trotz eines Waffenstillstandsabkommens ein und verkündete dessen Auflösung zum 1. Januar 2024. Seither sind mehr als 100.000 ethnische Armenier aus dem Gebiet geflohen.
Aserbaidschan aus Parlamentarischer Versammlung ausgeschlossen
Wegen der zahlreichen Regelverstöße wurde die Delegation Aserbaidschans auf Antrag von Schwabe vor wenigen Tagen für mindestens ein Jahr aus der Parlamentarischen Versammlung des Europarats ausgeschlossen. Dieser Schritt wurde bisher nur einmal vollzogen, 2014, als Russland die Krim annektierte.
Über die Zulassung der Anklage gegen die beiden früheren Bundestagsabgeordneten und ein mögliches Hauptverfahren entscheidet nun das Oberlandesgericht München.