Europäische Union : EU sucht China-Strategie
Die Mitgliedstaaten ringen um einen Konsens im Umgang mit der Großmacht.
Der Besuch von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (re.) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Anfang April bei Chinas Staatspräsident Xi Jinping (Mitte) in Peking offenbarte deutliche Differenzen auf Seiten der Europäer : Während von der Leyen betonte, Abhängigkeiten reduzieren zu wollen, demonstrierte Macron weiter Interesse an intensiven Wirtschaftsbeziehungen.
Es war der dritte öffentliche Auftritt von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) zu China in diesem Jahr. Und er wirkte wie ein Echo der beiden vorherigen Reden.
Von der Leyen wirbt für härtere Gangart
Bei der Generaldebatte zum Umgang mit der asiatischen Großmacht vergangene Woche im Europäischen Parlament plädierte von der Leyen einmal mehr für eine neue, härtere China-Strategie der EU.
Sie ließ dabei durchblicken, dass ihr bewusst ist, dass China versuchen werde, Europa auseinander zu dividieren, wenn es einen selbstbewussteren Kurs einschlage. "Wir haben diese Taktik in den vergangenen Tagen und Wochen in Aktion gesehen", sagte sie in Straßburg.
Macron irritiert Berlin
Von der Leyen weiß, wovon sie spricht. Anfang April war sie gemeinsam mit dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron nach China gereist. Schon auf dem Rückflug brüskierte er Partner in Europa, indem er unterstrich, Europa dürfe sich nicht zum "Vasallen" der USA machen.
Sollte China Taiwan angreifen, sollte sich die EU nicht in diese Krise hineinziehen lassen. Das hatte auch in Berlin für erhebliche Irritation gesorgt. Macron habe mit seinen Kommentaren zu Taiwan "die Einheit Europas massiv beschädigt", kritisierte in Straßburg der Vorsitzende der europäischen Christdemokraten, Manfred Weber (CSU).
Hauptziel: Minderung wirtschaftlicher Risiken
Von der Leyen, die sich als natürliche Verbündete der USA sieht, stellt die Minderung von wirtschaftlichen Risiken in den Mittelpunkt einer künftigen China-Strategie. Sie verwendete im Europäischen Parlament erneut den englischen Begriff "De-Risking", den sie schon im Januar beim Weltwirtschaftsforum in Davos eingeführt hatte.
Bereits bei ihrem Besuch in Peking hatte die Kommissionspräsidentin unterstrichen, dass es dabei nicht darum gehe, die Verbindungen zwischen den beiden Blöcken zu kappen. Was auch schwierig wäre: Allein die gegenseitigen Handelsbeziehungen haben einen Umfang von 2,3 Milliarden Euro am Tag. "Der meiste Handel ist im gegenseitigen Interesse", betonte von der Leyen.
Sie nannte aber auch Bereiche, in denen der Handel Risiken birgt. So verlaufe in China die Grenze zwischen Militär und Unternehmen nicht immer klar. "Wir müssen sicherstellen, dass das Kapital unserer Unternehmen, ihre Expertise und ihr Wissen nicht benützt werden, um die militärischen Fähigkeiten und die Spionagemöglichkeiten von jenen zu stärken, die unsere systemischen Rivalen sind", forderte von der Leyen.
Um das zu erreichen, erwägt die EU-Kommission ein Instrument, das europäische Investitionen in China im Bereich sehr sensibler Technologien überwachen würde. Es ist Teil einer Strategie für wirtschaftliche Sicherheit, die die EU-Kommission in den kommenden Monaten vorlegen will. Die USA sind bereits fest entschlossen, ein solches Instrument einzuführen. Die chinesische Führung möchte vermeiden, dass die EU nachzieht.
Von der Leyens Kurs ist in der EU nicht unumstritten
Von der Leyen appellierte in Straßburg an die EU-Staaten, bereits existierende Instrumente gegen Wettbewerbsverzerrungen mutiger anzuwenden. Und sie plädierte für eine verstärkte Zusammenarbeit mit G7-Ländern sowie Ländern mit gemeinsamen Interessen, um Lieferketten zu stärken und Abhängigkeiten von China zu mindern.
In den europäischen Hauptstädten ist ihr Kurs allerdings umstritten. Allen voran Macron hatte bei seinem Besuch gemeinsam mit einer Wirtschaftsdelegation demonstriert, dass Frankreich weiterhin an intensiven Wirtschaftsbeziehungen mit China interessiert ist.
Französische Unternehmen schlossen eine Vielzahl von Verträgen ab, etwa im Bereich erneuerbare Energien und Nuklearenergie. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und dem spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez, der ebenfalls gerade in Peking zu Besuch war, geht der Ansatz von der Leyens ebenfalls zu weit.
EU-Ratspräsident will Investitionsabkommen zwischen der EU und China wiederbeleben
EU-Ratspräsident Charles Michel möchte gar das umstrittene Investitionsabkommen zwischen der EU und China (CAI) wiederbeleben. Das Thema könne bald wieder auf die Agenda kommen, heißt es in Brüssel. Im Europäischen Parlament würde sich aktuell aber keine Mehrheit für eine Ratifizierung des Handelsdeals finden.
CAI wurde 2021 in den letzten Tagen de deutschen Ratspräsidentschaft beschlossen, auch auf Betreiben der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Weil China Sanktionen gegen EU-Politiker wie den Vorsitzenden der China-Delegation im Europäischen Parlament, Reinhard Bütikofer (Grüne, siehe Interview), beschlossen hat, ist es im Moment politisch eingefroren. China hat großes Interesse daran, das Abkommen wiederzubeleben. Das Land hofft auf neue Investitionen.
Die Autorin ist Korrespondentin der "Wirtschaftswoche" in Brüssel.