Gastkommentare : Hat die britische Monarchie eine Zukunft? Ein Pro und Contra
Werden die Briten über Sinn und Unsinn ihrer Monarchie nachdenken oder weiter an der Krone festhalten? Peter Littger und Annette Dittert über das Für und Wider.
Pro
Gute Erfahrungen mit der Monarchie gemacht
Ein König habe stets zwei Körper, erklärte der aus Deutschland stammende Historiker Ernst Kantorowicz 1957 im Buch "The King's Two Bodies". Sein Verleger bemerkte, dass der "merkwürdige wie einprägsame Titel" schon ein Rechtssatz elisabethanischer Kronjuristen gewesen sei, um auszudrücken, dass ein menschlich-sterblicher "Souverän" übermenschlich Unsterbliches leisten muss. Gemeint war freilich Elizabeth I., die letzte Herrscherin der Tudors, nicht Elizabeth II., die das Geschlecht Mountbatten-Windsor vertritt, dessen Fortbestand für drei weitere Generationen gesichert ist, und die seit beinahe seit 70 Jahren ... ja was? Während wir zögern "herrschen" auszusprechen, ist im Rückblick schon vom "Zweiten Elisabethanischen Zeitalter" die Rede. Es muss sich also um eine mächtig symbolische Herrschaft handeln. Sie betrifft nicht nur das United Kingdom und den Commonwealth, sondern die gesamte Welt, die nach 1945 entstanden ist und deren Ordnung heute spürbar zerfällt.
Auf den Wandel und die resultierende Verunsicherung reagiert man in Republiken auf zwei Arten: indem sterbliche Autokraten mit aller Macht die singuläre Verkörperung von Souveränität an sich reißen. Oder indem das gesamte sterbliche Volk sowie eine Stuhlreihe amtierender und ehemaliger Staatsoberhäupter ein abstraktes und chaotisches Souveränitätsprinzip verkörpern. Unterdessen zögert die Mehrheit im Vereinigten Königreich, ins Lager der Republicans überzulaufen. Das mag daran liegen, dass sie "Demokratie" nicht mit "Republik" und "Monarchie" nicht mit "Diktatur" gleichsetzen. Darüber hinaus haben sie einfach sehr gute Erfahrungen gemacht, die Sache mit der höchsten Verkörperung einer Familie zu überlassen. Sie kümmert sich um den Rest.
Contra
Brexit war das letzte Aufbäumen der Nostalgie für das Empire
Es ist nur eine Frage der Zeit, wann die Briten ernsthaft über Sinn und Unsinn ihrer Monarchie nachdenken werden. Aktuell sind die Republikaner auf der Insel zwar weiter in der Minderheit, aber Umfragen zufolge nimmt die Zustimmung zur Krone unter den Jüngeren deutlich ab. 41 Prozent der 18 bis 24-jährigen Briten sprachen sich unlängst für ein gewähltes Staatsoberhaupt aus. Diese Zahl wird steigen, wenn Elizabeth II. einmal das Zeitliche segnet.
Der Brexit dürfte das letzte Aufbäumen der englischen Nostalgie für das Empire gewesen sein. Danach wird es Zeit, all die zumeist von Queen Victoria ausgedachten "Traditionen" als das abzulegen, was sie waren: Erfundene Rituale, um eine Institution am Leben zu erhalten, die schon Ende des 19. Jahrhunderts nicht mehr zeitgemäß war.
Sicher, die Queen ist gerade in unsicheren Zeiten der letzte Stabilitätsfaktor für viele. Aber auch das ist letztlich eine Illusion. Denn echten politischen Einfluss hat sie nicht. Als Boris Johnson 2019 widerrechtlich das Parlament auflöste, weil ihm dessen Haltung nicht passte, stimmte sie zu. Ein britischer Premier kann im Namen der Krone relativ einfach das gewählte Parlament umgehen. John Major zum Beispiel sandte so 1994 Truppen in den ersten Golfkrieg, ohne seine Abgeordneten konsultieren zu müssen. Im Windschatten des Königreichs konnten sich auch andere undemokratische Institutionen wie das House of Lords halten, in dem Sitze noch immer weiter vererbt werden können. Nüchtern betrachtet ist die Monarchie nicht viel mehr als das Fundament, das der britischen Klassengesellschaft eine Schein-Legitimität verleiht und damit der demokratischen Generalüberholung Großbritanniens weiter im Wege steht.