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Foto: picture alliance / EPA | JAKUB GAVLAK
Robert Fico will nach seiner Abwahl 2018 wieder Premierminister werden.

Parlamentswahl in der Slowakei : Lagerwahlkampf um die Mehrheit im Nationalrat

Bei den Neuwahlen in der Slowakei könnte ein Altbekannter das Kopf-an-Kopf-Rennen für sich entscheiden: Ex-Premier Robert Fico steht vor einem Comeback.

23.09.2023
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3 Min

Von slowakischen Kommentatoren wird die Parlamentswahl am 30. September vor allem auf eine Frage verengt: Wird Robert Fico wieder Premierminister? Eigentlich hatten Beobachter ihn bereits abgeschrieben, nachdem er 2018 nach zwölf Jahren als Regierungschef zurücktreten musste, weil bekannt wurde, dass sein engstes Umfeld Kontakte in die Unterwelt pflegte. Aber jetzt liegt er in Umfragen mit knappem Vorsprung an der Spitze - zusammen mit seiner Partei Smer ("Richtung"), die im Europaparlament (EP) zur Fraktion der Sozialdemokraten gehört, aber in den vergangenen Monaten immer stärker am extremistischen Rand und mit prorussischen Aussagen um Wählerstimmen wirbt.

Die Nationalratswahl dürfte damit zum Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen zwei Parteien werden, die völlig unterschiedliche Richtungen vertreten: Auf der einen Seite steht Ficos Smer, auf der anderen Seite die Partei Progresivne Slovensko (PS), die einen liberalen und proeuropäischen Kurs vertritt. Mit ihrem Spitzenkandidaten, dem EP-Abgeordneten Michal Simecka, hat die bislang noch nicht im slowakischen Parlament vertretene PS bei den jüngsten Umfragen deutlich aufgeholt. Die Gruppierung Olano, die vor drei Jahren die Wahl gewonnen hatte, könnte nach aktuellen Umfragen knapp an der Sperrklausel scheitern - ebenso wie alle ihrer drei damaligen Koalitionspartner.

Ermittlungen nach Mord an Enthüllungsjournalisten Jan Kuciak 

Ein Schlüsselmoment in der slowakischen Politik, der bis heute nachwirkt, war der Mord am Enthüllungsjournalisten Jan Kuciak im Jahr 2018. Kuciak recherchierte über die Verbindungen von dubiosen Geschäftemachern und organisierter Kriminalität in die höchsten Regierungskreise. Nach dem Auftragsmord ging eine Welle der Empörung durch das Land, in deren Folge unter anderem der damalige Premierminister Robert Fico sein Amt aufgeben musste. Bis heute dauern Korruptionsermittlungen gegen hohe Funktionsträger aus dieser Ära an. Bei der Parlamentswahl im Jahr 2020 gewann das liberale Lager mit seinem Ruf nach einer "anständigen Slowakei" eine eindeutige Mehrheit. Größte Kraft wurde die Bewegung Olano von Igor Matovic, der zum Premierminister wurde. Allerdings verspielte die Vierer-Koalition innerhalb weniger Monate das Vertrauen: Matovic selbst, zunächst als Hoffnungsträger aufgenommen, agierte so erratisch, dass selbst Parteifreunde auf Distanz gingen. Die Koalition zerbrach, es bildete sich eine Übergangsregierung und die jetzt bevorstehenden vorgezogenen Neuwahlen wurden ausgerufen.

Alle an der letzten Koalition beteiligten Gruppierungen müssen nach aktuellen Umfragen um ihren Wiedereinzug ins Parlament bangen. Stattdessen zeichnet sich ab, dass die nächste Wahlperiode von Parteien dominiert werden dürfte, die erst vor kurzem gegründet wurden. Neben Progresivne Slovensko ist das die Partei Hlas, die sich vor Jahren von Ficos Smer abgespalten hat. Auch die rechtsextreme Gruppierung Republika ist erst unlängst entstanden, gegründet von früheren Mitgliedern einer faschistischen Partei. Sie rangiert in Umfragen auf Platz vier.

Die beiden aussichtsreichsten Spitzenkandidaten Simecka und Fico verkörpern mit ihrem Werdegang zwei unterschiedliche Lager in der Slowakei: Fico ist noch vor der politischen Wende der kommunistischen Partei beigetreten und auch bei ihrer Nachfolge-Organisation geblieben. Der eine Generation jüngere Simecka ist mit der EU aufgewachsen und hat in Prag und Oxford studiert. Die beiden Lager, die sie repräsentieren, stehen sich auch in der Slowakei in den vergangenen Jahren zunehmend unversöhnlich gegenüber.

Ukraine ist dominierendes Thema im slowakischen Wahlkampf

Ein dominierendes Thema im Wahlkampf ist die Unterstützung für die Ukraine. Als direkter Nachbar hat die Slowakei bisher viele Flüchtlinge aufgenommen und auch Waffen an Kiew geliefert. Diese Unterstützung stellt Fico jetzt in Frage. Er zielt damit auf Wähler ab, die russlandfreundlich eingestellt sind - laut Schätzungen von Soziologen rund ein Drittel der Bevölkerung. Seine Partei hat er dabei grundlegend neu ausgerichtet: Sie trat in der Vergangenheit stets pro-europäisch auf und stand etwa hinter dem slowakischen Beitritt zur Euro-Zone im Jahr 2009. Im aktuellen Wahlkampf hingegen schimpft Fico auf Brüssel, die Amerikaner und die Nato und zeigt sich demonstrativ anschlussfähig an die extreme Rechte.

Völlig unklar ist noch, welche Koalitionsoptionen sich nach der Wahl ergeben. Die entscheidende Frage wird sein, welche der kleinen Parteien den Einzug ins Parlament schaffen - und wie viele von ihnen. Fünf Parteien balancieren derzeit in den Modellen der Demoskopen um die Fünf-Prozent-Hürde herum.

Der Autor ist freier Korrespondent für Tschechien und die Slowakei.