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Foto: picture alliance/ASSOCIATED PRESS/Ludovic Marin
Nach dem Verlust der absoluten Mehrheit in der Nationalversammlung muss Präsident Emmanuel Macron für jedes Gesetzesvorhaben um Unterstützung bei der Opposition werben.

Frankreich : Macron sucht die Mehrheit

Nach dem Wahl-Debakel für den Präsidenten stellt sich die Opposition quer.

27.06.2022
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3 Min

Marine Le Pen hätte wohl nicht gedacht, dass sie schon acht Wochen nach ihrer Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen die Stufen zum Elysée-Palast hochsteigen würde. Entsprechend strahlend präsentierte sich die Rechtspopulistin vergangene Woche vor ihrem Gespräch mit Emmanuel Macron den Kameras. Der Präsident hatte seine Erzrivalin ebenso wie alle anderen Oppositionskräfte eingeladen, um mit ihnen über die Zukunft des Landes zu sprechen.


„Wir müssen gemeinsam lernen, anders zu regieren und Gesetze zu machen.“
Emmanuel Macron Staatspräsident

Frankreich ist nach den Parlamentswahlen, bei denen das Macron-Lager seine absolute Mehrheit verlor, blockiert. Der Staatschef muss nun Verbündete finden, um das Land mit einer schwachen relativen Mehrheit in der Nationalversammlung weiter zu regieren. Und bei seiner Suche schreckt er auch vor Le Pens Rassemblement National nicht zurück, der mit 89 Abgeordneten die stärkste Oppositionsfraktion im neuen Parlament ist. "Wir müssen gemeinsam lernen, anders zu regieren und Gesetze zu machen", forderte Macron in einer kurzen Fernsehansprache drei Tage nach seiner Wahlpleite.

Auf dem Tisch liegen zwei Möglichkeiten: Eine Koalition mit anderen Parteien oder ein Regieren mit wechselnden Mehrheiten. Eine dritte Möglichkeit, eine Regierung der nationalen Einheit, hatte der Staatschef selbst ausgeschlossen, nachdem alle Angesprochenen ihm eine Absage erteilt hatten.

Deutsches Koalitionsmodell

Auch gegen ein Koalitionsangebot stellt sich die Opposition bisher geschlossen. Besonders deutlich wurden die konservativen Republicains (LR), die eigentlich Macrons Wunschpartner wären. "Es steht außer Frage, auf die Logik eines Koalitionsvertrags, einer Beteiligung oder sonst etwas in dieser Art einzugehen", sagte LR-Chef Christian Jacob. Zusammen mit den 61 Abgeordneten seiner Republikaner würden die 245 Parlamentarier des Macron-Bündnisses Ensemble auf eine absolute Mehrheit in der insgesamt 577 Sitze zählenden Nationalversammlung kommen.

Auch inhaltlich stehen sich beide Seiten nahe. Vor allem die geplante Erhöhung des Rentenalters auf 65 Jahre, die der Präsident schnell angehen möchte, wäre mit den Konservativen ohne Probleme möglich. Doch den konkreten Vorschlag eines Koalitionsmodells nach deutschem Vorbild bügelte Jacob barsch ab: "Ich habe keine Berufung dazu, Deutscher zu sein."

Schlappe für Konservative

Die Reaktion ist verständlich, da Macron die Konservativen in den vergangenen Jahren systematisch geschwächt und ihnen gleich mehrere prominente Politiker abgeworben hatte, darunter die beiden ehemaligen Regierungschefs Edouard Philippe und Jean Castex.

Die einstige Traditionspartei, die zuletzt mehrere Staatschefs gestellt hatte, brach daraufhin ein und erreichte mit ihrer Kandidatin Valérie Pécresse bei den Präsidentschaftswahlen nur 4,7 Prozent. Pécresse musste hinterher sichtlich angegriffen um Geldspenden bitten, um ihre Wahlkampfschulden zu begleichen.

Jean-Luc Mélenchon hat sein Ziel, Premierminister zu werden verfehlt.   Foto: picture alliance/dpa/MAXPPP/Julien Mattia/Le Pictorium

Am linken Rand des politischen Spektrums erteilte der Populist Jean-Luc Mélenchon Macron ebenfalls eine Absage. "Wir gehören nicht derselben Welt an", bemerkte der 70-Jährige, dessen Linksallianz Nupes mit 131 Abgeordneten in die Nationalversammlung einzieht.

Mélenchon hatte das Nupes-Bündnis Anfang Mai aus seiner La France Insoumise, Kommunisten, Sozialisten und Grünen geschmiedet. Ursprünglich wollte der charismatische Redner, der regelmäßig gegen die EU und Deutschland wettert, nach einem Nupes-Wahlsieg Premierminister werden und Macron so eine "Kohabitation", also ein Zusammenleben mit einem Regierungschef der Opposition, aufzwingen. Doch sein Wahlergebnis reichte dazu bei weitem nicht aus. Nun droht die mühsam entstandene Linksallianz schnell wieder auseinanderzubrechen: Die Beteiligten lehnten Mélenchons Vorschlag ab, eine gemeinsame Fraktion zu bilden. Die Partner sitzen daher künftig in unterschiedlichen Fraktionen und machen die neue Nationalversammlung zu einer Art Parteien-Konfetti. In der vergangenen Legislaturperiode hatte Macrons Lager das Palais Bourbon noch mit einer absoluten Mehrheit dominiert.

Entscheidende Stimmen

In Zukunft muss sich der Präsident für jedes seiner Gesetzesvorhaben Unterstützung bei der Opposition zu suchen. Eine solche Konstellation gab es in Frankreich bisher nur 1988, als der sozialistische Präsident François Mitterrand ebenfalls die absolute Mehrheit im Unterhaus verlor. Sein Regierungschef Michel Rocard schaffte es damals durch Absprachen mit den Oppositionsparteien trotzdem, wichtige Reformen zu verabschieden. Rocard fehlten allerdings nur 14 Stimmen zur absoluten Mehrheit - bei Macron sind es 44.