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UN-Kinderrechtskonvention : Experten warnen: Kinderrechte sind weltweit in Gefahr

Die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen ist die am breitesten unterzeichnete Konvention der Welt. Doch in der Praxis bleibt viel zu tun.

24.07.2023
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5 Min

Der damalige Bundesjustizminister Klaus Kinkel (FDP) brachte im Frühjahr 1991 die Notwendigkeit der Kinderrechtskonvention auf eine eingängige Formel: "Kinder sind kleine Menschen, die große Rechte brauchen." Damals debattierte der Bundestag die Ratifizierung des "Übereinkommens über die Rechte des Kindes", das die Generalversammlung der Vereinten Nationen im November 1989 beschlossen hatte. In dem Dokument betonte die internationale Gemeinschaft die ganz eigenen Bedürfnisse und Interessen der Kinder - und fixierte die eigentlich selbstverständlich erscheinenden Rechte der Heranwachsenden erstmals schriftlich und völkerrechtlich verbindlich. Das Instrument sollte die Staaten verpflichten, sich aktiv für das Recht der Kinder einzusetzen, und dutzende bereits vorhandene völkerrechtliche Dokumente harmonisieren. Vorausgegangen waren der Einigung zehn Jahre gemeinsamer Arbeit der UN-Mitgliedstaaten.

"Früher hatten Kinder keine Rechte"

Das war ein großer Schritt in einer Geschichte der Hinwendung zu den Belangen und Rechten von Kindern, die inzwischen hundert Jahre andauert, wie auch Sebastian Sedlmayr, Leiter der Stabsstelle Advocacy und Politik von Unicef Deutschland, dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, betont. "Früher hatten Kinder keine Rechte, sollten einfach nur gehorchen." Die Konvention drehe die Perspektive um. "Die Erwachsenen stehen in der Verantwortung und sollen ein schützendes und förderndes Umfeld bieten, eine Welt, die den Kindern gerecht wird und in der sie ihre Kindheit genießen können."

Foto: © picture-alliance/AA/Muhammed Said

Recht auf Leben und Entwicklung, Bildung, Spiel und Erholung: Die UN-Kinderrechtskonvention listet in 54 Artikeln und inzwischen drei Zusatzprotokollen 41 Rechte speziell für Kinder auf.

Das Übereinkommen beruht auf vier elementaren Prinzipien: Kinder haben demnach ein Recht auf Leben und Entwicklung sowie auf Nichtdiskriminierung, Kindeswohl soll bei Entscheidungen Vorrang und Kinder und Jugendliche einen Anspruch auf Beteiligung haben. Im Detail führt die Kinderrechtskonvention in 54 Artikeln und inzwischen drei Zusatzprotokollen 41 Rechte speziell für Kinder auf.

Das Übereinkommen fußt auf früheren, nicht verbindlichen Erklärungen der internationalen Gemeinschaft. Bereits 30 Jahre zuvor, im November 1959, hatte die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Erklärung der Rechte des Kindes verabschiedet, die erste große internationale Übereinkunft über die Grundprinzipien von Kinderrechten. "Kinder werden allgemein als menschliche Wesen anerkannt, die die Möglichkeit haben müssen, sich körperlich, psychisch, sozial, moralisch und geistig in Freiheit und Würde zu entwickeln", heißt es darin unter anderem. Schon 1924 hatte der Völkerbund die Genfer Erklärung verabschiedet, ein historisches Dokument, das zum ersten Mal die Existenz von spezifischen Kinderrechten sowie die Verantwortung von Erwachsenen gegenüber Kindern anerkannte und bestätigte. Doch beide Erklärungen definierten nicht, wann die Kindheit beginnt und endet - damit sollte vor allem eine Positionierung zum Thema Abtreibung vermieden werden.

Das Wohl der Kinder soll im Vordergrund stehen

In Artikel 1 der Kinderrechtskonvention heißt es nun, dass ein Kind jeder Mensch ist, der das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, soweit die Volljährigkeit nach dem auf das Kind anzuwendenden Recht nicht früher eintritt. Artikel 2 regelt das Diskriminierungsverbot. Die Vertragsstaaten sind danach verpflichtet, jedem ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Kind die in der Charta festgelegten Rechte ohne jede Diskriminierung unabhängig von der Rasse, der Hautfarbe, dem Geschlecht, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen, ethnischen oder sozialen Herkunft, des Vermögens, einer Behinderung, der Geburt oder des sonstigen Status des Kindes, seiner Eltern oder seines Vormunds, zu gewährleisten. Laut Artikel 3 hat bei jeglichen Maßnahmen, die ein Kind betreffen, immer dessen Wohl im Vordergrund zu stehen.


„ Nie hat es so viele Kinder gegeben, die ihre Heimat verlassen und hungern mussten, nie so viele bewaffnete Konflikte.“
Sebastian Sedlmayr, Leiter der Stabsstelle Advocacy und Politik von Unicef Deutschland

Insgesamt beinhaltet die Kinderrechtskonvention zehn, also noch weitere sieben verbindlich geltende Grundrechte: Das Recht auf Bildung und Ausbildung, das Recht auf Freizeit, Spiel und Erholung, das Recht, sich zu informieren, sich mitzuteilen, gehört zu werden und sich zu versammeln, das Recht auf eine Privatsphäre und eine gewaltfreie Erziehung im Sinne der Gleichberechtigung und des Friedens, das Recht auf sofortige Hilfe in Katastrophen und Notlagen und auf Schutz vor Grausamkeit, Vernachlässigung, Ausnutzung und Verfolgung, das Recht auf eine Familie, elterliche Fürsorge und ein sicheres Zuhause und das Recht auf Betreuung bei Behinderung.

Konvention wurde bisher von 195 Staaten ratifiziert

Die UN-Kinderrechtskonvention wurde am 26. Januar 1990 zur Zeichnung aufgelegt. 61 Staaten haben sie am ersten Tag unterzeichnet, einen Monat nach der zwanzigsten Ratifikation trat sie dann am 2. September 1990 in Kraft. Die Kinderrechtskonvention ist inzwischen von 195 Staaten, darunter auch Somalia und der Süd-Sudan, ratifiziert worden und ist damit die am breitesten unterzeichnete Konvention der Welt. Deutschland trat dem Übereinkommen nach Ratifizierung am 5. April 1992 bei - allerdings mit Einschränkungen. Die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung erklärte unter anderem einen Vorbehalt der Anwendung der Konvention im Asyl- und Ausländerrecht. Das hatte insbesondere für Kinder und Jugendliche in Asylverfahren direkte Konsequenzen. Diese Vorbehalte stießen bei der Opposition von SPD, Grünen und PDS - und teilweise innerhalb der Koalition - zwar auf Kritik, ratifiziert wurde das Abkommen aber einstimmig. Die Vorbehalte zog die Bundesrepublik im Juli 2010 zurück.

Die große Ausnahme bei der Ratifizierung sind die Vereinigten Staaten. Das verwundert vor allem, weil die USA federführend an der Vorbereitung beteiligt gewesen sind. Während der Verhandlungen in den 1980er Jahren schlug die Regierung von Ronald Reagan sieben Artikel für die KRK vor, mehr als jedes andere Land. Es wird angenommen, dass die USA unter anderem deshalb nicht unterschrieben haben, weil sie weiterhin junge Menschen unter 18 Jahren in der Armee einsetzen möchten.

Zahlreiche Zusatzprotokolle 

Ergänzt und konkretisiert wurde die Konvention im Laufe der Zeit mit drei Zusatzprotokollen. Am 25. Mai 2000 verabschiedete die UN-Generalversammlung die ersten beiden von ihnen. Das Fakultativprotokoll über Kinder in bewaffneten Konflikten, das aktuell von 173 Staaten ratifiziert worden ist, sieht unter anderem vor, dass niemand unter 18 Jahren an Kampfhandlungen teilnehmen darf, eine Zwangsrekrutierung von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren ist ebenfalls untersagt. Das Fakultativprotokoll zum Verkauf von Kindern, Kinderprostitution und Kinderpornografie regelt strafrechtliche Mindestanforderungen in diesen Bereichen und ist bisher von 178 Staaten ratifiziert worden. Das dritte Fakultativprotokoll vom 19. Dezember 2011 soll ermöglichen, missachtete Kinderrechte im Einzelfall vom UN-Kinderrechtsausschuss prüfen zu lassen. Bisher haben 50 Staaten es ratifiziert.

In der praktischen Umsetzung der Kinderrechte bleibt indes noch viel zu tun. Auf dem KidsRight Index der KidsRight-Foundation schneiden insbesondere Länder in Subsahara-Afrika, aber auch Länder wie Afghanistan und Irak, über alle Dimensionen der Kinderrechte schlecht ab. Auch Unicef-Experte Sedlmayr sieht Handlungsbedarf. Gerade in den vergangenen Jahren habe es große Rückschläge gegeben. "Nie hat es so viele Kinder gegeben, die ihre Heimat verlassen und hungern mussten, nie so viele bewaffnete Konflikte." Es sei falsch sich hier Illusionen zu machen. "Es drohen aktuell Rückschritte bei der Verwirklichung der Kinderrechte. Aber das veränderte Gesamtverständnis ist eine gute Grundlage, auf der immer weiter aufgebaut werden kann." 

Die Autorin ist freie Journalistin.