Moderne Sklaverei in den Kobaltminen im Kongo : "Die Minenarbeiter leben von der Hand im Mund"
Kinderarbeit und Niedriglöhne: Die Situation in den Minen in der Demokratischen Republik Kongo ist oft prekär. Doch es gibt Initiativen, die das ändern wollen.
Es ist in jedem Akku enthalten: Kobalt. Das Schwermetall verhindert, dass die Batterie des Handys, des E-Bikes oder des Elektroautos beim Laden überhitzt. Ein sehr seltenes Metall, das fast nur in einem Land zu finden ist: der Demokratischen Republik Kongo. Dort liegen mehr als 90 Prozent der weltweit zugänglichen Kobalt-Vorkommen.
Doch dieses Kobalt hat einen schlechten Ruf. Der Grund: Kongos Rohstoffe sind allgemein als "Blutmineralien" verschrien. Vor allem den Erzen Coltan und Kassiterit sowie Gold, die größtenteils in den Bürgerkriegsregionen im Osten des Landes geschürft werden, hängt das Image an, dass Milizen mit diesen Mineralien handeln und von dem Geld Waffen kaufen.
In den vergangenen Jahren haben daher immer mehr westliche Länder Gesetze erlassen, die die Unternehmen dazu verpflichten, die Einhaltung von Menschenrechtsstandards in ihren Lieferketten zu garantieren; beispielsweise der Schutz vor Kinderarbeit, das Recht auf faire Löhne sowie der Schutz der Umwelt.
Zehn Prozent des Kobalts stammen aus Kleinbergbau
Diese Gesetzesinitiativen hatten für den Rohstoffsektor im Kongo weitreichende Konsequenzen, denn Kongos Minengesetze erwähnen mit keinem Wort Sicherheitsstandards, Vermeidung von Kinderarbeit oder gute Arbeitsbedingungen. Sprich: Der Sektor vor Ort ist nach wie vor unreguliert.
Zusätzlich stammen rund zehn Prozent des im Kongo geschürften Kobalts nicht aus industrieller Förderung, sondern aus dem sogenannten Kleinbergbau. Das bedeutet: Menschen graben mit Spitzhacken Löcher. Einige buddeln in alten, verlassenen Stollen von Minenfirmen und hoffen dort auf ein Einkommen. Zwar ist diese Art von Kleinbergbau gesetzlich verboten, er wird aber trotzdem in großem Stil betrieben, denn im Kongo gibt es sonst kaum Arbeitsplätze. Dieses Kobalt zu verkaufen, ist zwar illegal, es kommt aber durch Schmuggel und über korrupte Netzwerke dennoch auf den Weltmarkt.
Im sogenannten Kleinbergbau - wie hier in der Provinz Süd Kivu im bürgerkriegsgeprägten Osten des Kongos - klettern Männer, Frauen und Kinder in die engen Stollen, um illegal Kobalt abzubauen.
Die Menschenrechtsorganisationen Amnesty International hat 2016 einen Bericht veröffentlicht, in welchem die grausamen Arbeitsbedingungen in diesem Kleinbergbausektor dokumentiert sind. Darin heißt es, dass auch Kinder in die engen tiefen Stollen geschickt werden. Der kongolesische Menschenrechtsanwalt Jean Pierre Okenda arbeitet als Berater für verschiedene NGO und Gewerkschaften und befasst sich mit der Frage, wie man die Situation für die Arbeiter verbessern kann. Regelmäßig spricht er mit Bergwerksleuten: "Diese Menschen leben von der Hand im Mund", sagt Okenda. "Sie haben einfach nichts: kein Bankkonto, kein Handy, keine Krankenversicherung. Wenn sie krank werden, können sie ihre Kinder nicht mehr zur Schule zu schicken oder etwas zu Essen kaufen", berichtet er. Daher würden auch viele Frauen unter diesen extrem schwierigen Bedingungen arbeiten und teilweise ihre Kinder mitbringen. "Dies ist tatsächlich modernes Sklaventum", sagt Okenda.
Hohe Nachfrage nach industriell hergestelltem Kobalt
Der Bericht hat weltweit für Aufschrei gesorgt. Sämtliche Kobalt-verarbeitende Unternehmen wollten von nun an garantieren, dass in ihren Lieferketten keine Kinder ausgebeutet werden. Dies hatte zur Folge, dass auf dem Weltmarkt nun nur noch das Kobalt gefragt war, das im Kongo industriell gefördert wird. Damit verloren tausende Menschen, die in dem informellen Sektor beschäftigt sind, ihr Einkommen.
Die meisten großen Minengesellschaften Kongos sind heute in Besitz von ausländischen Unternehmen, so Marina Demidova, Sprecherin des Cobalt-Institutes, einem Verband der Minenunternehmen im Kongo. "Die Minenunternehmen sind die größten Steuerzahler und leisten damit einen signifikanten Beitrag zum Staatshaushalt", betont Demidova. "Diese Einnahmen kommen in Form von Investitionen in die regionale Infrastruktur den Menschen zugute."
Doch auch die Arbeitsbedingungen in den internationalen Minengesellschaften entsprächen nicht den internationalen Standards, klagt Anwalt Okenda. Vor allem chinesische Unternehmen investierten nur ungern in Sicherheitsausrüstung für Minenarbeiter oder deren Versorgung mit einem anständigen Mittagessen, sagt er.
Bessere Nachverfolgung in den Lieferketten
Das größte im Kongo tätige Unternehmen ist Glencore - ein Aktienkonzern mit Sitz in der Schweiz, der bei der Veröffentlichung der Panama-Papers wegen Vorwürfen der Schmiergeldzahlungen an Kongos Expräsidenten Joseph Kabila in Verruf geraten war. Im Kongo hat Glencore Konzessionen für zwei Minen, es sind die größten Tagebaugruben Afrikas, darin arbeiten mehr als 15.000 Menschen, so Firmensprecherin Anne Marie Fleury. Sie betont, dass Glencore die Menschenrechtsstandards strikt einhalte. Deswegen verarbeitet das Unternehmen laut eigenen Angaben nur Material, das es selbst fördert. Bevor das Kobalt das Gelände von Glencore verlässt, so Fleury, "füllen wir das Pulver in große Industriesäcke ab, die wir versiegeln und mit QR-Codes versehen".
Nach Fleurys Angaben wurden in den letzten Jahren "viele interessante Technologien entwickelt, über die sich das Material deutlich effizienter verfolgen lässt, und mit denen sich diese Informationen entlang der Lieferkette auch mit den Endkunden besser teilen lassen". In einem Pilotprojekt testet Glencore verschiedene Blockchain-Technologien, um jeden Schritt von der Mine bis zur effektiven Batterie nachzuverfolgen. In Zukunft sollen Kunden so über einen QR-Code am Akku den sogenannten Batterie-Pass aufrufen können. Dieser enthält dann alle relevanten Informationen zu den Bestandteilen: vom genauen Herkunftsort bis hin zum CO2-Ausstoß.
Den freischaffenden Männern, Frauen und gar Kindern in den inoffiziellen Stollen des Kongos hilft dies allerdings wenig, so David Sturmes von der Fair Cobalt Alliance, einer Plattform mit Sitz in London, in der sich Unternehmen und NGO zusammen gefunden haben, um Reformen anzugehen. Sturmes sieht im Kleinbergbau eine Chance: "Die Menschen verdienen hier um einiges besser als in anderen Jobs." Das heißt konkret, dass Männer, die im Untergrund arbeiten, zwischen 600 und 1.000 Dollar im Monat verdienen und damit laut Sturmes "weit über dem Existenzminimum liegen", was im Kongo eine Seltenheit ist.
Arbeiter sollen Schutzkleidung bekommen
Die Fair Cobalt Alliance will die Arbeitsumstände nachhaltig verbessern, damit in Zukunft beispielsweise Elektroautohersteller ohne Bedenken auch bei diesen Kleinbergwerksleuten einkaufen können. Die erste Voraussetzung dafür ist es, den Arbeiterinnen und Arbeitern Schutzkleidung zur Verfügung zu stellen, sagt Sturmes. Denn gerade in Anbetracht der großen Nachfrage nach Kobalt auf dem Weltmarkt besteht in diesem Sektor eine Chance, vor Ort Wohlstand aufzubauen, betont Sturmes: "Es gibt jetzt schon viele Geschichten von Leuten, die im Bergbau arbeiten und ihre Kinder zur Uni schicken können."
Simone Schlindwein lebt in Uganda und ist Auslandskorrespondentin für die taz.