Personalmangel in Kitas : "Die Lage ist ernst"
Der Fachkräftemangel in Kitas wird zum Problem für Familien und den Wirtschaftsstandort. In einer Aktuellen Stunde suchen die Abgeordneten nach Lösungen.
Seit 2013 gibt es einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab einem Jahr. Doch es gibt vielerorts noch immer zu wenig Kita-Plätze.
Es ist kein neues Problem, aber es verschärft sich. Der Fachkräftemangel in den Kitas bedroht den gesetzlich vorgeschriebenen Ausbau der Betreuungsplätze zunehmend. Kitas schränken ihre Öffnungszeiten ein, was wiederum Folgen für die Berufstätigkeit der Eltern hat. Kein Wunder, dass Die Linke im Bundestag der von ihr beantragten Aktuellen Stunde am vergangenen Donnerstag den Titel gab "Fachkräftemangel, Burnout und leere Kassen - drohenden Kollaps des Systems Kita vermeiden". An diesem Befund zweifelte letzte Woche im Bundestag niemand. Nur: Was ist die richtige Reaktion darauf, zumal von Berlin aus, wo doch eigentlich die Bundesländer dafür zuständig sind? Während aus der Opposition Rufe nach noch mehr Bundesmilliarden kamen, warfen die Ampel-Fraktionen vor allem der Union vor, das Thema jahrelang verschlafen zu haben.
Dass bei dem Thema keiner mehr schläft, war im Bundestag gut zu beobachten, denn längst handelt es sich nicht mehr nur um ein reines familienpolitisches, sondern um ein Problem für den Wirtschaftsstandort Deutschland, denn ohne Kinderbetreuung bleibt der Zuzug auch anderer dringend benötigter Fachkräfte aus.
Mehr als 380.000 Kita-Plätze fehlen
Im Oktober vergangenen Jahres hatte eine Studie der Bertelsmann-Stiftung festgestellt: Es fehlen 2023 rund 383.600 Kita-Plätze, damit die Betreuungswünsche der Eltern erfüllt werden können, denen seit 2013 übrigens ein Rechtsanspruch zugrunde liegt. Dies hat zwar zu einem massiven Ausbau der Kapazitäten geführt, aber offenbar reicht es nicht. Besonders im Westen des Landes sind Plätze rar. Die Studie diagnostizierte einen zusätzlichen Fachkräftebedarf von rund 98.000, damit die fehlenden Plätze eingerichtet werden können. Erst im Herbst hatte es in Baden-Württemberg einen heftigen Streit darüber gegeben, dass die Zahl der Kita-Gruppen befristet vergrößert werden kann, um den Personalmangel auszugleichen.
Dietmar Bartsch (Die Linke) verwies in der Aktuellen Stunde darauf, dass kein anderer Berufsstand derart von Burnout-Erkrankungen betroffen sei wie jener der Erzieher. "Was für ein beschämender Zustand!" Zwei Drittel der Kinder würden in Gruppen betreut, die viel zu groß seien, aber der Sparzwang von Bund und Ländern nehme in Kauf, dass Kinder zu Verlierern würden, warf Bartsch der Bundesregierung vor. Er forderte: "Steigen Sie dauerhaft in die Finanzierung der frühkindlichen Bildung ein!"
Carolin Wagner (SPD) betonte, der Bund wisse sehr wohl, dass er in der Pflicht sei. "Aber jetzt stehen wir vor der großen Herausforderung des Fachkräftemangels." Der Ausbau könne nur weitergehen, wenn das Personal dafür da sei. Sie rief die FDP zu einer finanzpolitischen Kehrtwende auf, um diese Herausforderungen finanzieren zu können. "Wir brauchen eine Vermögenssteuer und ein Sondervermögen Bildung", forderte Wagner.
Gesamtstrategie gefordert
Einen Tag vor der Debatte hatten das Bundesfamilien- und das Gesundheitsministerium in einer gemeinsamen Untersuchung festgestellt, dass der Förderbedarf bei Kindern und Jugendlichen wegen der Corona-Pandemie immens ist. Darauf ging Silvia Breher (CDU) ein und fragte: "Warum handeln Sie nicht endlich?" Nötig sei eine Gesamtstrategie, denn das Kita-Qualitätsgesetz reiche nicht aus und sei auch keine zusätzliche Finanzspritze, weil gleichzeitig viele gute Programme zusammengestrichen worden seien, kritisierte sie.
Ekin Deligöz, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfamilienministerium, betonte: "Die Lage ist nicht erst seit gestern ernst, nur Sie haben sich jahrelang weggeduckt", warf sie der Unionsfraktion vor. Die Grünen-Politikerin kritisierte, dass Fördermittel des Bundes in der Vergangenheit in die Senkung von Beiträgen anstatt in die Qualität der Kitas gesteckt worden seien. "Mit uns wird es kein Qualitätsdumping in der frühkindlichen Bildung geben", versicherte sie.
Beatrix von Storch (AfD) nutzte ihre Rede vor allem als Angriff auf den rot-rot-grünen Berliner Senat. Kollaps, Burnout, leere Kassen, wie es die Linke für den Kita-Bereich feststelle, seien in Wahrheit doch Ergebnisse linker Politik in allen Bereichen. In Berlin stünden deshalb nicht nur die Kitas vor einem Kollaps. Von Storch kritisierte die Zuwanderungspolitik der Bundesregierung, die die Nachfrage nach Kitaplätzen und Wohnraum erst so dramatisch habe ansteigen lassen.
Kritik an Senkung der Elternbeiträge
Matthias Seestern-Pauly (FDP) bezeichnete es als "großen Fehler", dass die Bundesländer Finanzmittel des Bundes statt in die Qualität der Kitas für eine Senkung der Elternbeiträge verwenden konnten. "So wurde wertvolle Zeit verschenkt, und die Folgen sieht man heute." Er appellierte an die Länder, die Gelder des Ende 2022 beschlossenen Kita-Qualitätsgesetzes zu nutzen, um Fachkräfte auszubilden und das Schulgeld für deren Ausbildung endlich abzuschaffen.
Richarda Lang (Bündnis 90/Die Grünen) betonte, es gehe hier um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die nicht mit dem Prinzip "Mama macht das schon" gelöst werden könne. Dreh- und Angelpunkt seien die Arbeitsbedingungen, die sich dringend verbessern müssten. Wenn dies nicht passiere, sei die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Gefahr. Lang forderte, die Tarifbindung zu stärken, Geringqualifizierte zu engagieren, um Fachkräfte zu entlasten und mehr Männer für Erzieherberufe zu gewinnen.