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Digitalisierung im Gesundheitswesen : Bundestag beschließt Digitalgesetze

Die digitalen Möglichkeiten im Gesundheitswesen sollen effektiv genutzt werden. Dazu hat der Bundestag zwei Gesetzenwürfe beschlossen.

15.12.2023
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4 Min
Foto: picture-alliance/Jörg Carstensen

Die elektronische Gesundheitsakte steht im Mittelpunkt der Reform. Dort sollen künftig alle wesentlichen medizinischen Befunde zusammenlaufen.

Der Vorsitzende des Hausärzteverbandes, Markus Beier, geriet unlängst in einem Radiointerview schwer in Rage. Ohne überhaupt danach gefragt worden zu sein, platzte es aus ihm heraus: "Wir haben eine Digitalisierung, die den Namen gar nicht verdient, die uns sehr behindert in den Praxen, extrem viel Zeit frisst. Das ist eine Pseudodigitalisierung. Wir müssen mit sogenannten Konnektoren arbeiten, die immer wieder abstürzen. Wir müssen dann doch immer wieder alles ausdrucken. Das ist geradezu eine Kampagne für die Papierindustrie", schimpfte er. Sein Fazit: "Es läuft an keiner Stelle rund."

Zettelkästen und Faxgeräte sind nicht mehr zeitgemäß

Dass die technische Umsetzung nicht gut funktioniert, ist bekannt und wahrscheinlich eines der größten Hindernisse auf dem Weg zu einer erfolgreichen digitalisierten Arbeitsumgebung im Gesundheitssystem. Konnektoren-Probleme beschäftigen Gesundheitspolitiker und IT-Fachleute schon ziemlich lange. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kennt die Klagen natürlich, er weiß aber auch, dass die Zeit der Zettelkästen, Faxgeräte und handschriftlichen Arztvermerke unweigerlich zu Ende geht.

Nach Jahren mit überschaubaren Fortschritten soll endlich Schwung in die Digitalisierung kommen, zumindest werden dafür die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen. Zwei Gesetze sollen dazu wesentlich beitragen, die am Donnerstag mit den Stimmen der Ampel-Koalition, gegen das Votum der AfD und bei Enthaltung der Unionsfraktion verabschiedet wurden: das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) und das Digitalgesetz

Umstellung auf Widerspruchsverfahren bei ePA

Mit dem Digitalgesetz soll die Einführung verbindlicher Standards beschleunigt werden. Anfang 2025 wird die elektronische Patientenakte (ePA), die derzeit kaum genutzt wird, für alle gesetzlich Versicherten eingerichtet, wobei auf das Widerspruchsverfahren (Opt-out) umgestellt wird. Wer die freiwillige digitale Anwendung nicht nutzen möchte, muss widersprechen. Das elektronische Rezept (E-Rezept) soll schon 2024 verbindlich werden.

Digitalreform im Gesundheitswesen

📋 Patientenakte kommt: Anfang 2025 wird die elektronische Patientenakte (ePA) für alle gesetzlich Versicherten eingerichtet. Wer das nicht will, muss widersprechen.

📜 E-Rezept wird die Norm: Das elektronische Rezept wird ab dem 1. Januar 2024 als verbindlicher Standard etabliert.

📺 Ausweitungen bei Telemedizin: Anwendungen der Telemedizin, insbesondere Videosprechstunden, sollen umfassender eingesetzt werden.

🔬 Boost für die Forschung: Gesundheitsdaten sollen für gemeinwohlorientierte Zwecke leichter nutzbar gemacht werden.



Mit dem GDNG sollen Gesundheitsdaten für gemeinwohlorientierte Zwecke leichter nutzbar gemacht werden. Dazu wird eine dezentrale Gesundheitsdateninfrastruktur mit einer zentralen Datenzugangs- und Koordinierungsstelle aufgebaut. Den gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen wird die stärkere Nutzung ihrer Daten ermöglicht, wenn dies der besseren Versorgung dient, beispielsweise der Arzneimitteltherapiesicherheit oder der Erkennung von Krebserkrankungen oder seltenen Erkrankungen. Für die Datenfreigabe aus der ePA wird ebenfalls ein Widerspruchsverfahren eingeführt, um die Daten für Forschungszwecke besser nutzbar zu machen.

Die Ärzte sollen entlastet werden

Lauterbach sprach in der Schlussberatung von einem Quantensprung für die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Er versprach eine deutliche Verbesserung der Versorgung durch die neuen digitalen Angebote sowie mehr Sicherheit für die Patienten. Derzeit seien etwa Befunde oder Laborwerte verteilt auf verschiedene Einrichtungen, die Folge seien Doppeluntersuchungen, Fehldiagnosen und insgesamt eine suboptimale Therapie. Das GDNG greife "wie ein Zahnrad" in das Digitalgesetz und ermögliche die Nutzung der Daten, die aus der ePA, den Abrechnungsdaten der Krankenkassen und Registern in einem datengeschützten Raum zusammengeführt würden. Die Daten könnten ausgewertet werden für Studien und Künstliche Intelligenz (KI) sowie eine bessere Behandlung von Patienten im Rahmen der personalisierten Medizin.


„Man darf ihnen keine Gesundheitsdaten anvertrauen.“
Kay-Uwe Ziegler (AfD)

Erwin Rüddel (CDU) befand: "Beide Gesetzentwürfe weisen in die richtige Richtung." Allerdings bemängelte er, dass auch unstrukturierte Daten in die ePA aufgenommen würden, die nicht systematisch durchsucht, ausgewertet und genutzt werden könnten. Die Union habe sich zudem einen stärkeren Ausbau der Telemedizin erhofft mit Telemonitoring, Telediagnostik und Telekonsilen.

Mehr Mut statt Angst gefordert

Nach Ansicht von Kay-Uwe Ziegler (AfD) ist die Gesundheitspolitik mit den Digitalgesetzen an einem "kritischen Wendepunkt" angekommen. Die Reform berge Risiken. Die Corona-Pandemie habe gezeigt, wie Daten missbraucht und unterschlagen werden könnten. Er betonte mit Blick auf die Bundesregierung: "Man darf ihnen keine Gesundheitsdaten anvertrauen."

Aus Sicht der bisherigen Linksfraktion erinnerte Ates Gürpinar (Linke) an die Verantwortung, die mit der Nutzung der Gesundheitsdaten von 80 Millionen Menschen verbunden sei und mahnte einen sorgsamen Umgang damit an. Pharmakonzerne warteten nur darauf, die Daten für ihre Zwecke zu nutzen.

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Redner der Koalition hielten dagegen. Janosch Dahmen (Grüne) sagte, mit dem überfälligen digitalen "Update" werde ein Rückstand von 15 Jahren aufgeholt. Die jetzigen Zustände seien unhaltbar. Auch Andrew Ullmann (FDP) hob die Vorzüge der Reform hervor und plädierte in Anspielung auf das im Ausland verbreitete Image von Deutschland für "german Mut" statt "german Angst". Er versicherte: "Die Datenhoheit bleibt bei den Menschen." Matthias Mieves (SPD) verwies auf den Zeitgewinn, der mit der Digitalisierung verbunden sei. Zeit, die Ärzte und Pfleger für Patienten hätten, sei ein kostbares Gut, das derzeit verschwendet werde.