Nationale Strategie gefordert : Endometriose: Das rätselhafte Leiden vieler Frauen
Endometriose gehört zu den häufigsten gynäkologischen Erkrankungen bei Frauen. Dennoch ist sie weitgehend unerforscht. Die Abgeordneten wollen das ändern.
Für Mädchen und Frauen ist es ein Albtraum, für Mediziner ein Rätsel: Die Endometriose gehört zu den häufigsten gynäkologischen Erkrankungen, es ist aber nicht geklärt, wie diese Krankheit überhaupt entsteht. Eine nachhaltige Heilung ist zudem oft nicht möglich. Die betroffenen Frauen leiden unter krampfartigen Schmerzen im Unterleib, verursacht durch Wucherungen von Gewebe, das der Gebärmutterschleimhaut (Endometrium) ähnelt, sich aber außerhalb der Gebärmutter ansiedelt und dort mit dem Monatszyklus wächst.
Viele Frauen leiden unter Endometriose, einer sehr schmerzhaften Gewebewucherung im Bauchraum.
Die periodischen Schmerzen können bereits mit Beginn der Regelblutung in der Pubertät auftreten und bis zu den Wechseljahren andauern. Die größte Wahrscheinlichkeit für das Auftreten der Endometriose besteht nach Angaben der Endometriose-Vereinigung Deutschland im Alter von 35 bis 45 Jahren. Vermutet wird, dass bei etwa der Hälfte der Frauen, die sehr schmerzhafte Regelblutungen haben, eine Endometriose dahinter steckt.
Monatliche Schmerzen, Reizungen und Entzündungen
Sogenannte Endometriose-Herde können sich an verschiedenen Orten im Körper bilden, meist im unteren Bauchraum, an den Eierstöcken, den Eileitern, aber auch am Darm. Die Herde sind unterschiedlich groß, bisweilen werden sie von den Frauen nicht bemerkt, größere Wucherungen können hingegen starke Schmerzen im Bauch und Rücken verursachen. Die Endometriose-Herde werden zum Ende des Zyklus abgestoßen, können aber nicht wie die Gebärmutterschleimhaut abfließen. In der Folge bilden sich Blut-Zysten, die wegen ihrer dunklen Färbung auch Schokoladen-Zysten genannt werden.
In manchen Fällen kommt es zu Verklebungen an der Gebärmutter, Eileitern, Eierstöcken, der Harnblase oder dem Darm. Gewebereste können zu chronischen Reizungen oder Entzündungen führen. Kleine Endometriose-Herde können sich wieder zurückbilden. Zudem sind die Wucherungen schmerzhaft, aber gutartig.
Die Schmerzen sind nicht nur körperlich belastend, sondern auch psychisch, zumal mit einer Endometriose-Erkrankung in nicht wenigen Fällen das Risiko einer Unfruchtbarkeit besteht, wenn Eileiter oder Eierstöcke betroffen sind. Nach Angaben der Endometriose-Vereinigung ist bei 40 bis 60 Prozent der Frauen, die ungewollt kinderlos bleiben, Endometriose als Ursache anzunehmen. Zudem können die Schmerzen auch beim Geschlechtsverkehr auftreten und die Partnerschaft beeinträchtigen.
Eingeschränkte Behandlungsmöglichkeiten erschweren das Leiden der Frauen
Genaue Zahlen zur Häufigkeit der Erkrankung gibt es auch deswegen nicht, weil Endometriose in leichten Fällen oft gar nicht oder spät und durch Zufall entdeckt wird. Experten schätzen, dass zwischen 8 und 15 Prozent der Frauen betroffen sind, von rund zwei Millionen Fällen in Deutschland gehen Experten aus. Hinweise auf eine Endometriose können sich durch eine gynäkologische Tastuntersuchung, Ultraschall oder eine Bauchspiegelung (Laparoskopie) ergeben. Behandelt wird die Endometriose mit Schmerzmitteln oder Hormonpräparaten. In schweren Fällen werden Endometriose-Herde operativ entfernt, danach können aber wieder neue Herde wachsen.
Alle Fraktionen fordern eine nationale Strategie zur Endometriose-Forschung
In einer Debatte über einen Antrag der Unionsfraktion sprachen sich vergangene Woche Rednerinnen aller Fraktionen dafür aus, die Endometriose-Forschung zu stärken. Die Union fordert in ihrem Antrag eine nationale Strategie gegen Endometriose. Rednerinnen der anderen Fraktionen warfen der Union vor, das Thema jahrelang ignoriert und für die Frauengesundheit wenig getan zu haben. Mehrere Rednerinnen schilderten die Verzweiflung und das Leiden junger Frauen in einer schier aussichtslosen Lage.
Dorothee Bär (CSU) forderte eine umfassende Ausbildung zu dem Thema für Mediziner, aber auch an Schulen. Dort lernten die Schülerinnen und Schüler zu wenig über den weiblichen Zyklus und die möglichen Beschwerden. Bär betonte: "Wir müssen das Tabu endlich brechen."
Fakten zu Endometriose
👩 Endometriose verursacht bei Frauen während der Regelblutung starke Schmerzen im Unterbauch. Möglich sind auch Rückenschmerzen.
🔬 Gewebe, das der Gebärmutterschleimhaut ähnelt, bildet sich außerhalb der Gebärmutter. Es kommt zu Wucherungen, Zysten und chronischen Entzündungen.
👩⚕️ Die Patientinnen werden mit Schmerzmitteln oder Hormonen behandelt, in schweren Fällen wird operiert.
Heike Engelhardt (SPD) kündigte an, künftig würden mindestens fünf Millionen Euro pro Jahr in die Erforschung der Endometriose investiert. Auch sie forderte, die Krankheit müsse "aus der Tabuzone raus" und gründlicher erforscht werden. Manche Mädchen litten schon mit 13 Jahren an Endometriose.
Christina Baum (AfD) erinnerte daran, dass die Endometriose kein neues Phänomen ist, sondern schon vor mehr als 300 Jahren medizinisch beschrieben worden sei. Die Endometriose könne als weibliche Volkskrankheit bezeichnet werden.
Frauen sind nach wie vor klinisch unterrepräsentiert
Saskia Weishaupt (Grüne) berichtete, manche Mädchen hätten unerträgliche Schmerzen und hörten von Ärzten, das gehöre zur Menstruation dazu, sie sollten sich nicht so anstellen. Sie forderte mehr Aufmerksamkeit für Frauengesundheit, derzeit gelte im Gesundheitssystem "der Mann als Norm". Nicole Westig (FDP) forderte ebenfalls ein Umdenken zugunsten der Frauen, die auch in medizinischen Studien unterrepräsentiert seien. Daraus ergebe sich ein "Gender Data Gap", den es zu beseitigen gelte, um die medizinische Versorgung von Frauen zu verbessern. Nach Ansicht von Heidi Reichinnek (Linke) sollte sich Deutschland an anderen Ländern orientieren, die in der Frauengesundheit weiter seien, etwa Australien oder Frankreich. "Also, schaffen wir gemeinsam Aufmerksamkeit."