Corona-Ursprung : Spurensuche im Fall Corona
Die Suche nach der Herkunft des Virus ist kompliziert. Fachleute halten einen natürlichen Ursprung für wahrscheinlich. Oder gab es doch einen Laborunfall?
Eine Recherchereise der WHO nach Wuhan 2021 (im Bild das Forschungsinstitut) brachte keinen Durchbruch in der Frage nach dem Ursprung des Coronavirus.
Wenn in den USA das Federal Bureau of Investigation (FBI) die Ermittlungen an sich zieht, geht es nicht um kleine Fische. Seit sich das FBI Ende Februar 2023 im "Fall Corona" zu Wort gemeldet hat, ist allen klar, dass die Pandemie wohl nicht als "cold case" zu den Akten gelegt wird. FBI-Direktor Christopher Wray gab sich im konservativen US-Sender "Fox News" keine Mühe, um die Sache herumzureden: "Das FBI geht schon seit geraumer Zeit davon aus, dass der Ursprung der Pandemie höchstwahrscheinlich ein möglicher Laborunfall in Wuhan ist." Wray fügte hinzu: "Hier geht es um ein mögliches Leck in einem von der chinesischen Regierung kontrollierten Labor."
Das hören die Chinesen trotz der Einschränkung "möglich" nicht gerne und dementierten die These. China verfolgt offiziell zwei Linien: Entweder ist das Virus aus dem Ausland gekommen und/oder natürlichen Ursprungs.
Der US-Kongress verabschiedete 2023 ein Gesetz, wonach Geheimdienstkoordinatorin Avril Haines so viele Informationen wie möglich über den Ursprung des Virus freigeben und der Öffentlichkeit zugänglich machen sollte. US-Präsident Joe Biden unterzeichnete das Gesetz im März 2023. Er setze darauf, künftige Pandemien besser verhindern zu können, hieß es.
Komplexe Recherchen: Wie ein ungelöster Kriminalfall
Das Wissen über das Virus und die Krankheit Covid-19 ist in den Pandemie-Jahren enorm gewachsen. Allerdings stehen Wissenschaftler, Mediziner, Gesundheitspolitiker und die Bevölkerung in der zentralen Frage, woher das Virus eigentlich stammt, noch immer vor einem Rätsel. Welchen Weg hat der Erreger genommen, und wo ist er erstmals auf einen Menschen übergesprungen?
Diese Fragen beschäftigen Experten weltweit, manche Wissenschaftler vergleichen die komplexen Recherchen mit einem ungelösten Kriminalfall, wobei die Frage im Raum steht, ob der Fall überhaupt noch zu lösen ist.
Zoonosen, also die Übertragung eines Erregers von Tieren auf Menschen (und umgekehrt), sind Teil der Evolution, das kann man ungünstig finden, verhindern lässt es sich nicht. Die Rolle Chinas im Kampf gegen das Coronavirus wurde allerdings von Anfang an skeptisch verfolgt, insbesondere von Politikern, die dem autoritär geführten Land vorhalten, nicht alle relevanten Daten offenzulegen oder eine effektive Untersuchung der Herkunft des Virus gezielt zu verhindern.
Der ehemalige amerikanische Präsident Donald Trump sprach vom "China-Virus" und sorgte damit für Empörung, weil eine einseitige und zudem unbelegte Schuldzuweisung kein sinnvoller Beitrag im Kampf gegen einen internationalen Gesundheitsnotstand ist. In der Folge schlugen sich seriöse Forscher auf die Seite Chinas, schon um den Verschwörungsmythen Trumps etwas entgegenzusetzen, was in Teilen der Wissenschaft ebenfalls für Kopfschütteln sorgte.
Ausbreitung des Corona-Virus
Das neuartige Corona-Virus, das die Covid-19 Pandemie verursacht hat, ist erstmals in der chinesischen Stadt Wuhan in der Provinz Hubei entdeckt worden. Es breitete sich danach schnell auf andere Länder und Kontinente aus. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erklärte es am 30. Januar 2020 zu einer "gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite". Am 11. März 2020 sprach sie von einer Pandemie. Weltweit ergriffen Länder daraufhin Maßnahmen, um die Ausbreitung einzudämmen. Dazu gehörten Reisebeschränkungen, Lockdowns, soziale Distanzierung und Maskenpflicht.
Forschungsreise bringt keine eindeutigen Ergebnisse
Experten halten es für wahrscheinlich, dass die Corona-Pandemie auf einem Wildtiermarkt in der chinesischen Millionenstadt Wuhan begann, denselben Weg hat nach bisheriger Erkenntnis schon Sars-Cov-1 vor rund 20 Jahren genommen, das vermutlich von Fledermäusen über Schleichkatzen und Marderhunde als Zwischenwirte auf Menschen übergesprungen ist. Andere Forscher wie auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) verweisen auf die Nähe spezialisierter biologischer Sicherheitslabore in Wuhan zum Fischmarkt Huanan, auf dem vor dem Corona-Ausbruch auch Wildtiere gehandelt wurden.
Die WHO entsandte Mitte Januar 2021 eine Expertenkommission nach Wuhan, um dort mit Fachleuten aus China den möglichen Ursprung des Virus zu ergründen. China hatte zuvor eine unabhängige Untersuchung lange abgelehnt. Die mehrwöchige Forschungsreise erbrachte keine eindeutigen Ergebnisse, offenbar auch deswegen, weil die Chinesen den Zugriff auf wichtige Rohdaten aus biologischen Instituten verweigerten, wie Experten der WHO anschließend beklagten.
Ursprung des Corona-Virus: Vier Szenarien entwickelt
Die WHO fasste die Rechercheergebnisse der Reise nach China in einer Studie mit vier Szenarien zum Ursprung des Corona-Virus zusammen. Möglich bis wahrscheinlich ist demnach eine direkte Übertragung von einem Tier auf den Menschen. Wissenschaftler halten es für denkbar, dass Fledermäuse das Virus übertragen haben. Andererseits ist eine direkte Corona-Infektion von einer Fledermaus auf einen Menschen bisher nicht nachgewiesen worden. Zudem ist Wuhan rund 1.600 Kilometer entfernt von den bekannten Fledermaushöhlen in Yunnan, wo in Fledertieren Antikörper gegen das Virus gefunden wurden.
Eine wahrscheinliche bis sehr wahrscheinliche Variante ist die Übertragung von einem Zwischenwirt auf den Menschen. Hier kommen Schuppentiere oder Nerze in Betracht, die auf Wildtiermärkten verkauft wurden, somit wäre der Markt in Wuhan ein denkbarer Corona-Hotspot gewesen.
Nach einer dritten Variante, die von der WHO als möglich eingeschätzt wird, ist das Virus über gefrorene oder gekühlte Nahrungsmittel verbreitet worden. So könnte das Virus auch nach China importiert worden sein, eine Variante, die von Offiziellen in China gerne genannt wird. Die Menschen hätten sich entweder an der kontaminierten Verpackung infiziert oder an dem Tier. Kritiker dieser Theorie geben zu bedenken, dass eine Oberflächeninfektion bei Sars-Cov-2 selten ist und es keine Hinweise darauf gibt, dass es durch eine Lebensmittelinfektion zu Ausbrüchen kam. Außerdem bleibt ungeklärt, warum die Infektionen zu Beginn in Wuhan und nur dort aufgetreten sind.
Hypothese: Laborunfall in China
In These vier geht es um die Möglichkeit eines Laborunfalls in China. Viele Wissenschaftler, darunter chinesische Forscher sowie die dortige Regierung schließen diesen Ursprung des Virus kategorisch aus. Die WHO spricht in ihrer Analyse von einem äußerst unwahrscheinlichen Fall, zumal es sich auch bei den bisherigen Epidemien mit Coronaviren (SARS/MERS) offenkundig um natürliche Zoonosen handelte. Jedoch merkt die WHO in ihrem Bericht an, dass eines der Labore in Wuhan, die sich mit Fledermausviren befassen, ausgerechnet Anfang Dezember 2019 in der Stadt umgezogen ist, und zwar in die Nähe das Huanan-Marktes, von wo aus die Epidemie vermutlich ihren Anfang nahm.
Die Laborhypothese beinhaltet genaugenommen zwei Szenarien: Bei Laborarbeiten könnte das Originalvirus entwichen sein. Alternativ wäre es auch denkbar, dass im Labor ein verändertes Virus geschaffen wurde, das entwichen ist. Hier kommt die umstrittene Gain-of-function-Forschung (GOF) ins Spiel, die das Ziel verfolgt, Krankheitserreger besser zu verstehen und womöglich zu steuern. Die Veränderung von Genen kann dabei zur Verstärkung der Genaktivität führen oder zu neuen Genfunktionen (GOF-Mutation). Die GOF-Forschung wird eingesetzt, um bei der Entwicklung von Impfstoffen früh auf Veränderungen des Virus reagieren zu können, sie ist somit von biologischem und medizinischem Interesse.
Größte Sammlung von Coronaviren in Asien
Umstritten ist die GOF-Forschung wegen der Laborrisiken (Englisch Biosafety), aber auch wegen des Risikos einer missbräuchlichen Verwendung (Biosecurity). Weil die GOF-Forschung einen potenziell doppelten Verwendungszweck ermöglicht, sprechen Experten von Dual-Use Research of Concern (DURC) oder auch Gain-of-Function Research of Concern (GOFROC).
Wie aus einer Expertise des Bundestages von 2021 hervorgeht, haben Forschergruppen aus den USA und den Niederlanden 2012 Varianten des Vogelgrippevirus H5N1 erzeugt, die im Unterschied zu dem bekannten Virustyp zwischen Säugetieren in der Luft übertragen werden konnten. US-Präsident Barack Obama hat daraufhin 2014 ein Moratorium beschlossen, durch das die Finanzierung von GOF-Experimenten insbesondere mit Influenza-, SARS- und MERS-Viren ausgesetzt wurde. Die Trump-Regierung hob das Moratorium im Dezember 2017 wieder auf.
In Wuhan befassen sich gleich zwei große Forschungsinstitute insbesondere mit Fledermausviren, das Wuhan Center for Disease Control and Prevention (CDC), das im Dezember 2019 umgezogen ist, und das Wuhan Institute of Virology (WIV). Das WIV betreibt ein Hochsicherheitslabor der höchsten Sicherheitsstufe BSL4 (Biosafety level). Dort befindet sich angeblich die größte Sammlung von Coronaviren in Asien, darunter einer der engsten genetischen Verwandten von Sars-Cov-2 mit dem Kürzel RaTG13 (96,2 Prozent Übereinstimmung).
Genetisch noch mehr Übereinstimmung (96,8 Prozent) weist nur ein Virus mit dem Namen BANAL-52 auf, das in Laos bei Fledermäusen isoliert werden konnte. Die relative genetische Nähe zu Sars-Cov-2 ist aber kein Hinweis auf den Ursprung des Virus, denn die Genome unterscheiden sich erheblich voneinander, evolutionsgenetisch liegen Jahrzehnte zwischen den Viren. Es müsste in der Natur also eigentlich Viren geben, die Sars-Cov-2 genetisch viel ähnlicher sind.
Die bekannte chinesische Virologin Shi Zehngli, die am WIV arbeitet, beschwor, dass ihr Institut mit der Epidemie nichts zu tun habe. Das US-Außenministerium stellte genau dies im Januar 2021 infrage und erklärte, es gebe Hinweise darauf, dass Mitarbeiter des WIV im Herbst 2019 erkrankt seien.
Verzweifelter Forscher spricht über Brandmarkung als Verschwörungstheoretiker
Undurchsichtig ist die Rolle des britischen Zoologen Peter Daszak, der dem US-Forschungsverbund Ecohealth Alliance vorsteht. Daszak war an Laborprojekten in Wuhan beteiligt, arbeitete mit der Fledermausexpertin Shi zusammen und schloss einen Laborunfall stets vehement aus. Gelder für die GOF-Forschung in China sollen 2018 über Ecohealth aus den USA beantragt worden sein. Wäre es möglich, dass die Pandemie das Resultat chinesischer Laborforschung mit Hilfe von US-Finanzmitteln ist?
Die Laborhypothese löste unter Wissenschaftlern eine scharfe Kontroverse aus, weil die Datenlage aus China unvollständig blieb und damit Verschwörungsmythen beförderte. Der Genetiker Günter Theißen schildert in seinem 2022 erschienenen Buch "Das Virus. Auf der Suche nach dem Ursprung von Covid-19" seine Verzweiflung, als er feststellen muss, dass wichtige Hinweise auf einen nicht natürlichen Ursprung des Virus ignoriert werden.
Theißen behauptete nicht, dass der Erreger aus einem Labor entwichen sei, er forderte nur, dass diese Möglichkeit bedacht und untersucht werden sollte und schreibt: "Meine Darstellung ist kein Krimi, sondern die Geschichte eines Skandals. Sie besteht darin, dass der Kommissar nicht bereit ist, hartnäckig den Umständen dieses merkwürdigen Ereignisses auf den Grund zu gehen." Der Evolutionsbiologe beklagte, wer der Anschauung führender Forscher nicht folge, riskiere, als Verschwörungstheoretiker gebrandmarkt zu werden. Er hinterfragte in dem Kontext auch die Rolle renommierter Fachzeitschriften wie "Nature", "Science" oder "The Lancet", die mit der Veröffentlichung von Fachpublikationen enormen Einfluss auf die wissenschaftliche Debatte hätten, aber auch in der Lage seien, Außenseiterpositionen abzublocken.
Frühe Festlegung auf Zoonosen-Theorie
Als auch der Hamburger Physiker Roland Wiesendanger zu dem Schluss kam, dass die Indizien eher für einen Laborunfall in Wuhan sprechen, war Theißen erleichtert, weil er mit seinen Fragen nicht mehr allein dastand. Die Forscher kritisierten, dass sich prominente Virologen, darunter Christian Drosten von der Berliner Charité, früh auf die Zoonosen-Theorie festgelegt hätten. Sie bezogen sich auf einen Artikel in "The Lancet" von März 2020, in dem die Autoren den chinesischen Forschern Respekt zollen und von "Missinformationen" bezüglich des Virus-Ursprungs sprechen. Zu den Unterzeichnern gehörte damals neben Drosten auch Daszak.
Drosten äußerte sich im Februar 2022 via "Süddeutsche Zeitung" vorsichtiger zum Ursprung des Virus. Er sei immer offen gewesen für beide Möglichkeiten, allerdings halte er einen natürlichen Ursprung des Virus aus dem Tierreich für wahrscheinlicher. Für die Laborhypothese gebe es keine vergleichbar hochwertigen Indizien. Der Virologe berichtete, aus inzwischen veröffentlichten Berichten gehe hervor, dass das WIV in einem Projekt der Ecohealth Alliance mit GOF experimentiert habe. Dabei seien den Fledermausviren neue Spike-Proteine eingebaut worden. Die so konstruierten Viren hätten sich besser vermehren können.
Zugleich rügte Drosten die Experimente in chinesischen Labors. "Es wurden in Wuhan durchaus Sachen gemacht, die man als gefährlich bezeichnen könnte", sagte er in dem Interview. Er habe von diesen Versuchen nichts gewusst. In dem Statement in "The Lancet" hätten er und andere Forscher "für die Kollegen aus Wuhan die Hand ins Feuer gelegt, wurden aber über die Projekte nicht informiert". Er bevorzuge jedoch nach wie vor die These, dass es sich um ein natürliches Phänomen handele "und dass man die Spuren davon noch irgendwo finden kann". Drosten vermutet eine Übertragung mittels Schleichkatzen oder Marderhunden als Zwischenwirte.
Auffällige Furin-Schnittstelle
Theißen fasst in seinem Buch die Fragestellungen bezüglich der Evolution des Virus zusammen. So sei etwa das Spike-Protein auf der Oberfläche von Sars-Cov-2 mit der dortigen Rezeptorbindedomäne (RBD) erstaunlich gut an den Menschen angepasst. Die RBD von Sars-Cov-2 scheine "wie geschaffen" für menschliche Zellen. Die RBD beim Virus sind das Gegenstück zum ACE2-Rezeptor (Angiotensin Converting Enzyme) beim Menschen.
Die ACE2-Rezeptoren gelten beim Menschen als Eintrittspforte für das Virus. Sars-Cov-2 kann von dort leicht in die Atemwege gelangen. Womöglich sei dies im Labor erreicht worden, indem das Virus zuvor Mäusen mit menschlichen ACE2-Rezeptoren injiziert wurde, mutmaßt Theißen.
Auffällig ist nach Ansicht von Forschern auch die sogenannte Furin-Schnittstelle beim Coronavirus, die bei solchen Viren normalerweise nicht vorkommt und die Infektiosität des Erregers beeinflusst. Die Furin-Schnittstelle könnte durch genetische Manipulation eingebaut worden sein, meint der Genetiker Theißen. Auch Drosten nimmt in dem SZ-Interview Bezug auf dieses Merkmal und räumt ein: "Das Einfügen einer Furin-Spaltstelle wäre ein theoretisch denkbares Laborexperiment." Die Furin-Spaltstelle sei "zwar auffällig, aber kein Beweis für einen nicht-natürlichen Ursprung".
WHO-Direktor Tedros Adhanom Ghebreyesus apelliert an China
Nach der ergebnislosen Spurensuche in China 2021 machte die WHO im Februar 2023 klar, dass der Fall Corona nicht zu den Akten gelegt wird. WHO-Direktor Tedros Adhanom Ghebreyesus forderte China dazu auf, bei der Suche nach dem Ursprung von Sars-Cov-2 stärker zu kooperieren. WHO-Nothilfekoordinator Mike Ryan erklärte, der Rat unabhängiger Experten für Strategien bei der Suche nach den Ursprüngen neuer Krankheitserreger (Sago) habe klare Empfehlungen für die in China nötigen Studien gegeben. "Solange wir diese Studien nicht haben, bleiben alle Hypothesen zum Ursprung des Virus auf dem Tisch." Damit spielte er auf die Laborhypothese an. Die WHO weiß, dass ohne die Hilfe Chinas keine Fortschritte bei der Lösung des Corona-Falls zu erwarten sind.
WHO-Direktor Tedros legte im März 2023 nach und forderte alle Länder dazu auf, Erkenntnisse über den Ursprung des Virus zu teilen. Tedros versicherte, es gehe nicht darum, Schuldige zu finden, sondern darum, "den Ursprung der Pandemie besser zu verstehen, um künftigen Epidemien und Pandemien besser vorzubeugen und sich besser auf sie vorzubereiten".
Die Chinesen reagierten scharf: Eine Außenamtssprecherin in Peking erklärte, die Suche nach dem Ursprung des Virus sei eine wissenschaftliche Angelegenheit, die nicht "politisiert" werden sollte. Die Forschungsmission der WHO 2021 in Wuhan habe ergeben, dass eine Laborpanne "höchst unwahrscheinlich" sei. Die Labortheorie dürfe nicht aufgebauscht und China nicht weiter verleumdet werden.
Über neue Indizien, die für eine Zoonose sprechen, berichtete die Zeitschrift "The Atlantic" im März 2023. So habe die chinesische Seuchenbehörde CDC wichtige Daten unlängst vorübergehend in die frei zugängliche Genomdatenbank "Gisaid" eingestellt, dort seien sie quasi zufällig analysiert worden. Demnach enthielten Proben, die vom Huanan-Markt 2020 stammen und positiv auf Sars-Cov-2 getestet wurden, Genmaterial vom Marderhund. WHO-Chef Tedros sagte dazu: "Diese Daten liefern uns keine endgültige Antwort auf die Frage, wie die Pandemie begonnen hat." Immerhin gehört der Marderhund weiter zum Kreis der "üblichen Verdächtigen".
Beweislage um Patient Null brüchig
Aufhorchen ließ im Juni 2023 ein Bericht der unabhängigen US-Publikationen "Public" und "Racket News", der sich mit der Laborhypothese befasst und auf die 2019 erkrankten WIV-Mitarbeiter Bezug nimmt. Demnach sprechen Indizien dafür, dass "Patient Null" am WIV an GOF-Experimenten gearbeitet hat. Laut US-Regierungsquellen hätten vermutlich drei chinesische Forscher zu den ersten Menschen gehört, die mit Sars-Cov-2 infiziert wurden, darunter Ben Hu, ein Schüler von Shi. Der ehemalige WHO-Berater Jamie Metzl spricht in dem Artikel von einem "Game Changer", wenn sich beweisen ließe, dass Hu der erste an Covid-19 erkrankte Mensch gewesen ist. "Das wäre die Smoking Gun." Die Beweislage ist leider weiterhin besonders brüchig in diesem rätselhaften Fall.