Gesundheit : Etat auf Rekordniveau
Der Etat des Gesundheitsministeriums für 2022 steigt wegen der Corona-Kosten auf einen neuen Höchststand.
Die Coronakrise stellt das Gesundheitswesen auf die Probe und lässt die Kosten drastisch steigen. Allein für Tests und Impfungen werden im Haushalt 2022 etliche Milliarden veranschlagt.
Gefühlt mag die Corona-Pandemie vorbei sein, im Bundeshaushalt schlägt sie immer noch voll durch. Im Gesundheitsetat für 2022 ziehen sich die pandemiebedingten Ausgaben durch sämtliche Kapitel: von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) über die Pflege, die Prävention und die Forschung bis hin zum internationalen Gesundheitswesen. Allein Impfungen und Tests kosten Milliarden.
In den Haushaltsberatungen ist der Etat noch einmal um einen zweistelligen Milliardenbetrag aufgestockt worden. Nun sind Rekordausgaben von rund 64,36 Milliarden Euro vorgesehen, rund 11,76 Milliarden Euro mehr als im ursprünglichen Ansatz.
Wie sehr der Gesundheitsetat durch die Corona-Pandemie in die Höhe geschnellt ist, zeigt ein Vergleich mit dem Vorkrisenniveau, als die Ausgaben bei rund 15,3 Milliarden Euro lagen. Zwischen 2019 und 2022 haben sich die Ausgaben mehr als vervierfacht.
Pandemie-Kosten sind größte Ausgabeposten
Mit Abstand größter Ausgabenposten sind Leistungen des Bundes an den Gesundheitsfonds für von der Pandemie verursachte Belastungen in Höhe von insgesamt 30,03 Milliarden Euro. Die Summe wurde in den Ausschussberatungen um zusätzlich 8,3 Milliarden Euro aufgestockt. Die Zuschüsse zur zentralen Beschaffung von Corona-Impfstoffen werden um weitere 830 Millionen Euro auf rund 7,1 Milliarden Euro angehoben. Um 1,1 Milliarden Euro höher fallen die Ausgleichszahlungen an die Krankenhäuser aus, die nun 5,7 Milliarden Euro erhalten sollen. Für Leistungen des Bundes an den Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung für pandemiebedingte Belastungen werden 1,2 Milliarden Euro veranschlagt. Im Haushalt waren zudem bereits eine Milliarde Euro eingeplant als Corona-Prämie für Pflegekräfte, die unlängst beschlossen wurde.
Bereits seit 2017 sind Zuweisungen des Bundes an den Gesundheitsfonds in Höhe von 14,5 Milliarden Euro gesetzlich festgeschrieben, die in der Regel den Großteil des Etats umfassen. Mit dem Geld werden Aufwendungen der Krankenkassen für gesamtgesellschaftliche Aufgaben pauschal abgegolten, etwa Leistungen für Mutterschaft und Schwangerschaft.
Blick voraus
Die Etatvorlage wurde vergangene Woche mit den Stimmen der Ampel-Koalition und gegen das Votum der Opposition verabschiedet. In der Schlussberatung blickten Gesundheitspolitiker bereits auf den nächsten Haushalt für 2023 und erinnerten an die großen Reformvorhaben, die noch anstehen. Helge Braun (CDU) sagte, das Gesundheitssystem werde mit diesem Haushalt nicht zukunftsfest gemacht. Die Ausgaben seien historisch hoch, wesentliche Zukunftsfragen blieben jedoch unbeantwortet. Er verwies insbesondere auf die Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung. Hier lasse die nötige Reform auf sich warten. Sowohl die Kranken- wie auch die Pflegeversicherung seien unterfinanziert. Der GKV-Spitzenverband habe für 2023 ein Defizit von 17 Milliarden Euro errechnet, das entspreche einen Beitragspunkt. In der Pflegeversicherung liege die Finanzlücke bei 3,6 Milliarden Euro, der Haushalt 2022 bilde aber nur zwei Drittel dieser Summe ab. Ungeklärt sei zudem die Krankenhausfinanzierung. Auch hier fehle ein Konzept für die Zukunft.
Mann der Tat
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) räumte ein, dass es viele Baustellen gebe, die er aber teilweise "geerbt" habe. Er sagte: "Das ist ein Haushalt der Pandemiekrise" und warnte davor, die Pandemie zu früh abzuhaken. In Vorbereitung auf den Herbst werde derzeit ein Impfkonzept erarbeitet und ausreichend Impfstoff beschafft. Hinzu kämen eine Teststrategie, eine Behandlungsstrategie mit dem Medikament Paxlovid und eine Anpassung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG).
Lauterbach versprach, sich auch den langfristigen Aufgaben in der Gesundheitspolitik zuzuwenden. Mit Blick auf das GKV-Defizit sagte er: "Ich will dieses historische Defizit beseitigen, ohne dass ich Leistungen kürzen werde." Auch die Krankenhausreform sei bereits in Arbeit. Ihm gehe es außerdem um eine gezielte Stärkung unterversorgter Gebiete mit neuen, leicht erreichbaren Versorgungsangeboten. Lauterbach versicherte: "Ich bin eher ein Mann der Tat als der großen Worte."
Strukturelle Probleme
Nach Ansicht der AfD-Fraktion orientiert sich die Gesundheitspolitik der Bundesregierung nicht an den Bedürfnissen der Versicherten. Martin Sichert (AfD) erklärte, viele Menschen seien verzweifelt, weil sie in unterversorgten Regionen keine Termine bei Fachärzten bekämen. Vom Haushalt profitierten eher die Pharmaindustrie und Lobbyisten als die Patienten. Sichert forderte den Minister auf, sich um die elementaren Probleme der Gesundheitsversorgung zu kümmern.
Strukturelle Probleme sieht auch die Linksfraktion. Gesine Lötzsch (Linke) ging auf die teilweise schlechten Arbeitsbedingungen in Gesundheitsberufen ein. Viele Fachkräfte gäben ihren Beruf auf, weil ihnen die Arbeit zu schwer werde. Lötzsch forderte ein Investitionsprogramm für Krankenhäuser und die Einführung der Bürgerversicherung. Statt einen Sonderetat für das Militär im Umfang von 100 Milliarden Euro zu beschließen, wäre es besser gewesen, das Geld in das Gesundheitssystem zu investieren. "Wir brauchen eine Zeitenwende in der Gesundheitspolitik."
Karsten Klein (FDP) betonte, die Coronakrise habe den Haushalt noch fest im Griff. In den Zahlen des Etats steckten aber viele geeignete Maßnahmen, um das Virus einzudämmen. Der FDP-Politiker machte deutlich, dass er künftig von den Ländern mehr Beteiligung an den Kosten der Pandemie erwartet. Die Länder kämen auch ihren Verpflichtungen für Investitionen in Krankenhäusern nicht nach. Sie finanzierten seit Jahren vier bis fünf Milliarden Euro zu wenig in dem Bereich.
Kirsten Kappert-Gonther (Grüne) sagte, es gehe bei der GKV-Finanzierung nicht nur um Milliarden, sondern um den Kern des Solidarsystems. Das sei besonders für chronisch Kranke und psychisch Kranke grundlegend. Das strukturelle GKV-Defizit bezeichnete sie als ein "Riesenproblem", das die Union in der vergangenen Legislatur mit gesetzlichen "Fehlstellungen" mitverursacht habe. "Jetzt ist es an uns, dieses Defizit auszugleichen." Sie versprach Lösungen, ohne die gesetzlich Versicherten zu belasten.