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LSBTIQ-Jugendliche : Lieb' doch, wen du willst?

LSBTIQ-Jugendliche leiden häufig unter Diskriminierung und Mobbing. Rechtspopulistische und konservative Kräfte mobilisieren gegen modernen Sexualkundeunterricht.

24.07.2023
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4 Min
Foto: picture-alliance/epd-bild/T. Wegner

Farbe bekennen für eine offene Gesellschaft: Jugendliche beim evangelischen Kirchentag in Nürnberg.

Seit Wochen wehen wieder die Regenbogenfahnen überall im Land; vor Bahnhöfen und Rathäusern oder sie hängen in den Schaufenstern von Geschäften. Unternehmen werben allerorten mit ihrer offenen Einstellung und drucken den Regenbogen, das Zeichen der LSBTIQ-Community (Begriffsdefinition siehe Stichwortkasten), auf Produktetiketten oder Werbeplakate.

Und auch auf Deutschlands Straßen wurde es bunt: Hundertausende Menschen feierten in den vergangenen zwei Monaten überall im Land den Christopher Street Day, eine bunte Parade für Offenheit und Toleranz gegenüber der LSBTIQ-Community. Auch der Bundestag zeigt Flagge, im bereits zweiten Jahr wehte die bunt gestreifte Fahne anlässlich der Parade über und vor dem Reichstagsgebäude.

Wer nicht der Norm entspricht wird immer noch benachteiligt

Doch die Lebenswirklichkeit von homo-, trans- oder intersexuellen Menschen ist oft eine andere, als die bunten, fröhlichen Feierlichkeiten einmal im Jahr suggerieren. Die Gesellschaft zeigt sich zwar offen, doch oft genug begegnet sie all jenen, die nicht der Hetero-Norm entsprechen, noch immer mit Ablehnung und Benachteiligung.

Besonders Kinder und Jugendliche leiden stark unter Diskriminierung und Mobbing, wenn sie sich zum Beispiel als schwul oder lesbisch outen - in ihrem familiären Umfeld, aber auch in der Schule und der Gesellschaft. Der Verein "Coming out" unterstützt junge Menschen in dem Prozess, offen zu ihrer sexuellen Orientierung zu stehen. Laut Angaben des Vereins haben junge LSBTIQ eine vier- bis siebenmal höhere Suizidrate und leiden öfter an Depressionen, Essstörungen und selbstverletzendem Verhalten als ihre Altersgenossen.

​​​​​​​LSBTIQ+, queer und cisgender

Akronym LSBTIQ+: Darunter versammeln sich lesbische, schwule, bisexuelle, trans, inter und queere Menschen. Es gibt unterschiedliche Kombinationen, die auch vom jeweiligen Sprachraum abhängig sind. Häufig werden zudem Sternchen (*) oder Pluszeichen (+) verwendet, um möglichst alle Menschen in die Bezeichnung einzuschließen.

Begriff Queer: Als "queer" bezeichnen sich alle Menschen, deren sexuelle Orientierung nicht heterosexuell ist sowie Menschen mit Geschlechtsidentitäten, die nichtbinär oder nicht-cisgender sind.

Was ist Cisgender? Als cisgender werden all jene bezeichnet, die in dem Geschlecht leben, das nach ihrer Geburt verkündet wurde.



Eine Umfrage des NDR unter den 16 Landesschülervertretungen in Deutschland und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) aus dem vergangenen Jahr zeigte, dass an den Schulen in Deutschland noch immer zu wenig für die Akzeptanz queerer Schülerinnen und Schüler getan wird: "Queerfeindlichkeit, Homophobie, Transphobie und Diskriminierung sind in der Schule leider immer noch Alltag", sagte dazu Julius van der Burg von der "Landesschüler*innenvertretung NRW". Gerade in den unteren Klassenstufen sei das Thema stark tabuisiert und ein Coming-out ohne negative Konsequenzen oft nicht möglich.

Die GEW kritisierte, dass selbst im Sexualkunde-Unterricht queere Themen zu wenig vorkämen. "An den Schulen liegt immer noch der Fokus auf gegengeschlechtlicher heterosexueller Liebe, oftmals gebunden an traditionelle Rollenklischees", sagte Janina Glaeser aus dem GEW-Hauptvorstand im Zuge der Umfrage.

Extrem konservative Gruppen befeuern die Debatte

Doch während die eine Seite mehr Offenheit im Umgang und eine Reform des Sexualkundeunterrichts an Schulen fordert, wollen andere Kräfte genau das Gegenteil. In den USA wird die Debatte über Sexualerziehung in der Schule bereits seit Jahren hitzig geführt; oft befeuert von extrem konservativen, christlichen Gruppen. Und sie schlägt sich sogar in der Gesetzgebung nieder: Im März 2022 hat Ron DeSantis, Gouverneur des US-Bundesstaates Florida und aktuell auch Präsidentschaftskandidat der Republikaner für die Wahl 2024, das als "Don't say gay" ("Sag nicht 'schwul'") bekannte Verbot des Unterrichts über sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität von der Grundschule bis zur Klasse 12 ausgeweitet.

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Unterstützer des Gesetzes argumentieren, dass es jeder Familie freigestellt sein müsse, über das Thema zu Hause zu sprechen und damit die Kontrolle darüber zu behalten, was ihre Kinder erführen. Diese hätten sie nicht, wenn in der Schule über die verschiedene Formen der sexuellen Orientierung informiert werde. Kritikerinnen und Kritiker wiederum befürchten Zensur, eine weitere Marginalisierung der Minderheit und negative Folgen für die rund 114.000 queeren Jugendlichen, die nach Angaben des "Time Magazine" in Florida leben.

Auch in Deutschland wird seit einigen Jahren von seiten rechtspopulistischer und christlich-konservativer Vereine in diese Richtung argumentiert. So fand im Jahr 2015 die "Demo für alle" statt und es wurde eine Petition gestartet, um die "Abwertung und Gefährdung" der traditionellen Familie und der Ehe zwischen Mann und Frau aufzuhalten. Kinder und Jugendliche würden durch die Thematisierung von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt im Unterricht "umerzogen" und "frühsexualisiert". Der Begriff der "Frühsexualisierung" taucht seitdem vermehrt auf und wird auch von Politikerinnen und Politikern benutzt.

Teile der AfD wollen Sexualkundeunterricht einschränken

Die Webseite "genderdings.de" des Berliner Dissens-Instituts für Bildung und Forschung definiert die Theorie der "Frühsexualisierung" so: "Damit ist gemeint, Kinder und Jugendliche würden durch die Beschäftigung mit Sexualität, sexueller und geschlechtlicher Vielfalt im Schulunterricht überfordert. Sie würden in ihrer sexuellen und geschlechtlichen Identität verunsichert und sogar homosexuell gemacht." Diese letzte Annahme ist so falsch wie beispielsweise die lang vertretene These, Homosexualität sei eine "Krankheit" die man mittels Elektroschock-Therapie heilen könne.

Auch Teile der AfD fürchten, dass Sexualkundeunterricht, der über alle Formen der sexuellen Orientierung aufklärt, zu einer "Umerziehung" führt. In ihrer "Magdeburger Erklärung" forderten Landtagsabgeordnete der Partei 2016 deshalb eine Eingrenzung des Unterrichts: "Eingedenk der hohen Bedeutung der Familie [...] wenden wir uns [...] entschieden gegen alle Versuche, andere Formen des Zusammenlebens und Sexualverhaltens gleichwertig neben Ehe und Familie zu stellen."