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Zukunft der Freiwilligendienste : "Von dem Taschengeld können Freiwillige nicht leben"

Um Freiwilligendienste attraktiver zu machen, reicht das Teilzeit-Gesetz nicht aus, sagt Finja Schneider, Sprecherin des Bundesfreiwilligendienstes.

30.04.2024
True 2024-07-11T12:43:11.7200Z
4 Min

Letzte Woche hat der Bundestag das Freiwilligenteilzeitgesetz beschlossen, das es künftig leichter macht, sich in Teilzeit bei einem Freiwilligendienst zu engagieren. Warum braucht es dieses Gesetz?

Finja Schneider: Es gibt einfach eine hohe Nachfrage danach. Für viele Freiwillige ist es nicht machbar, 40 Stunden in der Woche zu arbeiten und dafür „nur“ ein Taschengeld zu bekommen. Denn das reicht oft nicht, um die Lebenshaltungskosten zu decken. Mit Freiwilligen-Teilzeit und Minijob wäre es aber für viele möglich. Hinzu kommt: Einige Einsatzstellen haben Arbeitsprofile, die eher auf Teilzeit als auf Vollzeit zugeschnitten sind. Uns erreichen immer wieder Berichte von Freiwilligen, die beklagen, nachmittags in den Einsatzstellen nicht mehr viel zu tun zu haben. Das Teilzeitgesetz baut auf jeden Fall für jene Menschen Hürden ab, für die aus persönlichen Gründen nur ein Freiwilligendienst in Teilzeit möglich ist.

Finja Schneider ist 20 Jahre alt und absolviert seit September 2023 ihren Freiwilligendienst im Labor des Deutschen Krebsforschungszentrums Heidelberg.   Foto: privat

Ursprünglich war geplant, die Obergrenze für das monatliche Taschengeld von 453 auf 604 Euro anzuheben. Können Sie nachvollziehen, warum es nicht dazu kam?

Finja Schneider: Das ist natürlich sehr schade. Denn die Erhöhung des Taschengeldes wäre für die Einsatzstellen eine Möglichkeit gewesen, ihre Freiwilligen besser für ihre Arbeit entlohnen zu können. Auf der anderen Seite bekommen aber nur wenige Freiwillige überhaupt das jetzt mögliche Maximum an Taschengeld. Die meisten erhalten weniger, viele sogar ein deutlich niedrigeres Taschengeld als die Obergrenze, also nicht mal die Hälfte von dem, was maximal möglich ist. Deshalb sagen wir, dass eine Untergrenze sehr viel mehr bewirken würde. Für viele Einsatzstellen ist es aber gar nicht möglich, aus eigener Kraft so ein hohes Taschengeld zu zahlen. Hier müsste der Bund besser unterstützen. Im Moment ist ein Freiwilligendienst für die meisten nur möglich, weil sie die finanzielle Unterstützung von ihren Eltern bekommen.

Im letzten Sommer sah es zeitweise nicht gut aus für die Freiwilligendienste, der Haushaltsplan des Familienministeriums für 2024 sah drastische Einschnitt vor, die aber dann wieder zurückgenommen wurden. Ist das Thema ausreichende Finanzierung für Sie damit erstmal vom Tisch?

Finja Schneider: Das Thema ist definitiv nicht vom Tisch. Beim Freiwilligen Sozialen Jahr zum Beispiel ist für den Jahrgang 2025/26 derzeit noch gar nichts gesichert. Die zukünftigen Freiwilligen, die Einsatzstellen und die Zentralstellen brauchen aber Planungssicherheit. Das schreckt Bewerber ab. Da wird einfach an der falschen Stelle gespart. Menschen, die sich freiwillig sozial engagieren, sind für viele Einsatzstellen essentiell und ohne diese hätten die Stellen ein ganz großes Problem.


„Wir Freiwilligen dürfen eigentlich kein fehlendes Personal ersetzen, für uns gilt das Prinzip der Arbeitsmarktneutralität.“
Finja Schneider, Sprecherin des Bundesfreiwilligendienstes

Jedes Jahr beginnen viele tausende junge Menschen einen Freiwilligendienst, aber von Trägern sozialer Dienste kommen Warnungen, dass ein Dienst im Pflegeheim nicht so attraktiv sei und die meisten Bewerber sich für kulturelle und ökologische Initiativen bewerben. Erleben Sie das auch?

Finja Schneider: Tatsächlich nur bedingt. Wir haben sehr viele Freiwillige, die in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen arbeiten. Hinzu kommt, dass die Arbeit einfach körperlich und psychisch herausfordernd ist. Das ist viel harte Arbeit für wenig finanzielle Wertschätzung. Aber auch gesellschaftlich wird nicht genug gesehen, was Freiwillige da eigentlich leisten. Für junge Menschen, die Medizin studieren wollen oder anderweitig Interesse an medizinischen Berufen haben, ist so ein Freiwilligendienst aber attraktiv. Denn dafür kann es von Vorteil sein.

Sie sind als Bundesprecherin Interessenvertreterin der Freiwilligen gegenüber Trägern und der Politik: Mit welchen Problemen kommen die Freiwilligen vor allem zu Ihnen?

Finja Schneider: Meistens sind es Bewerber, die im Bewerbungsprozess die richtige Einsatzstelle suchen. Oder eben Freiwillige, die Probleme mit ihren Einsatzstellen haben. Diese sind oft finanzieller Art, wenn also die Einsatzstellen zum Beispiel Kosten für bestimmte Fahrten oder den geforderten Erste-Hilfe-Kurs nicht übernehmen wollen.

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Stichwort Fachkräftemangel: Wie hat sich die Arbeit der Freiwilligen in den vergangenen Jahren verändert?

Finja Schneider: Wir Freiwilligen dürfen eigentlich kein fehlendes Personal ersetzen, für uns gilt das Prinzip der Arbeitsmarktneutralität. Allerdings sieht die Realität oft anders aus. Gerade von Freiwilligen aus dem sozialen Bereich hören wir oft: Es geht einfach nicht anders, man ersetzt am Ende so oder so Fachkräfte. Das kann vor allem sehr junge Freiwillige herausfordern und sie auch überfordern. In vielen Einsatzstellen ist es aber kaum anders machbar.

In regelmäßigen Abständen ploppt die Debatte um ein verpflichtendes gemeinnütziges Jahr für alle jungen Erwachsenen wieder auf. Was halten Sie davon?

Finja Schneider: Wir als Bundesprecher finden die Idee des sozialen Engagements sehr gut -  für die Gesellschaft wie für den Einzelnen. Aber als Pflichtjahr halten wir es nicht für richtig und auch rechtlich nicht machbar, weil man niemanden zwingen kann. Und finanziell? Wie soll ein Pflichtjahr für deutlich mehr Leute durchfinanziert werden, wenn jetzt schon jedes Jahr um die Finanzierung der Freiwilligendienste gerungen wird? Man sollte stattdessen den Fokus darauf legen, die Freiwilligendienste auszubauen und attraktiver zu machen, um gesellschaftlich vielleicht irgendwann dahin zu kommen, dass ein Freiwilligendienst zur Normalität wird.