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Rezension: "Der Stasi-Mythos" : Dem Feind auf der Spur

Der Nachrichtendienst-Experte Michael Wala relativiert in seinem neuen Buch den Erfolg der angeblich so erfolgreichen DDR-Auslandsspionage.

09.11.2023
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2 Min

Mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung gewährt das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) Einblick in bislang geheime Akten, aus denen der Nachrichtendienst-Experte Michael Wala erstmals fundierte Erkenntnisse über die Arbeit der Spionageabwehr der Bundesrepublik während der deutschen Teilung zu Tage fördert. Das ist insofern von Bedeutung, als dass noch immer die Erzählungen des ehemaligen Chefs der DDR-Auslandsspionage Markus Wolf und anderer Stasi-Offiziere vorherrschen, nach der diese Abteilung des Ministeriums für Staatssicherheit einer "der besten Geheimdienste der Welt" gewesen sein soll und entsprechend erfolgreich in der Bundesrepublik agiert habe.

Foto: Deutscher Bundestag / Tobias Koch

Das Bundestagspräsidium beim Besuch des Campus für Demokratie in Berlin-Lichtenberg auf dem Gelände der ehemaligen Stasi-Zentrale.

Der an der Ruhr-Universität Bochum lehrende Professor relativiert mit differenzierter Analyse und Interpretation der bislang verschlossenen Quellen diesen "Stasi-Mythos". Anhand seiner an Zahlen, Fakten und rekonstruierten Fällen reichen Untersuchung macht er sowohl die Erfolge als auch Misserfolge der bundesdeutschen Spionageabwehr bei der Aufdeckung und dem Einsatz geheimdienstlicher Aktivitäten sichtbar. Angesichts der im Vergleich zur DDR-Auslandsspionage eher bescheidenen Ausstattung an Personal und Budget, ist es umso bemerkenswerter, wie es den Mitarbeitern der Spionageabwehr doch relativ gut gelang, feindliche Agenten und ihre Netzwerk zu enttarnen, dingfest zu machen oder "umzudrehen". Dies basierte vor allem auf einer kontinuierlich weiterentwickelten Methodik, um die bevorzugten Ziele, Anwerbungsstrategien, Reise- und Kommunikationswege sowie die Schleusungs- und Legitimierungsmuster der Spione aufzudecken.

Überläufer lieferten wichtige Informationen

Ohne die Informationen zahlreicher Überläufer der DDR-Auslandsspionage wären die vor allem in den 1970er-Jahren zu verbuchenden Erfolge der Enttarnung, Verhaftung und Abschreckung allerdings kaum denkbar gewesen. In ihrem "Nachrichtenwert" nicht zu unterschätzen waren denn auch die Aktionen der "Countermen". Diese Doppelagenten spionierten zum Schein für die DDR und lieferten dem Verfassungsschutz Informationen über die Absichten und Ziele ihrer Gegner.

Wala demonstriert an vielen Fällen, wie Operationen angebahnt, verlaufen, gelungen oder auch gescheitert sind. Anhand statistischer Auswertungen von Gegenoperationen, Enttarnungen, Festnahmen und Verurteilungen versucht er denn auch den Erfolg der Spionageabwehr "objektiv" zu beziffern. Sicherlich konnte das BfV viele Vorgänge aufdecken, vereiteln und nutzen. Doch schwerer zu bemessen ist, wie viele Agenten und Helfershelfer während der deutschen Teilung für die DDR in der Bundesrepublik tatsächlich aktiv waren und welchen politischen oder wirtschaftlichen "Schaden" sie verursacht haben. Da die meisten Akten der DDR-Auslandsspionage während der Auflösung des MfS vernichtet worden sind, lässt sich deren Arbeit "qualitativ" kaum mehr einschätzen. Dennoch gibt Wala in seiner bisweilen etwas ausschweifenden Untersuchung Aufschluss über das sehr komplexe Geflecht der Geheimdienstaktivitäten und die vielfach monetären Motive der Agenten, Instrukteure und Informanten auf beiden Seiten des geteilten Deutschlands.

Michael Wala:
Der Stasi-Mythos.
DDR-Auslandsspionage und der Verfassungsschutz.
Ch. Links,
Berlin 2023;
352 Seiten, 25,00 €