Frauenrechte am Hindukusch : Der Kampf einer afghanischen Frau
Die afghanische Frauenrechtlerin Homeira Qaderi erzählt die bewegende Geschichte vom Kampf um ihren Sohn.
Würden wir uns mehr mit Afghanistan befassen, wäre Homeira Qaderi hierzulande keine Unbekannte. Sie ist eine der führenden Frauenrechtlerinnen des Landes, zehn Jahre war sie als Beraterin afghanischer Ministerien tätig. Nach dem Fall Kabuls an die Taliban im August 2021 schaffte sie es dank internationaler Hilfe in die USA. Heute forscht die Literaturwissenschaftlerin an der Harvard University.
Vieles steht stellvertretend für zigtausende Afghaninnen
Wer ihr erstes ins Deutsche übersetzte Buch liest, erfährt eine bewegende Geschichte, an der vieles stellvertretend für zigtausende Afghaninnen steht. Sie handelt von einer Kindheit unter russischer Besatzung, einem Leben im Bürgerkrieg; davon, wie überraschend die erste Machtübernahme der Taliban 1995 im westafghanischen Herat kam. Für die 13-jährige Homeira bedeutete der Regimewechsel: Sie durfte nicht mehr allein auf die Straße. Dass sie sich nicht stoppen ließ, bezahlte sie mit der Erfahrung sexueller Gewalt, nicht das erste Mal in ihrem Leben. Doch sie lässt sich nicht stoppen: Schon als Teenager bringt sie Menschen Lesen und Schreiben bei. Fast alle sind Frauen, doch auch ein junger Talib ist unter ihnen. Die beiden verlieben sich - was er, so muss man vermuten, mit dem Leben bezahlt.
Den härtesten Kampf jedoch führt Qaderi als Mutter. Mit 17 Jahren wird sie verheiratet mit einem Mann, den sie trotz arrangierter Ehe lernt zu lieben. Das Paar lebt lange im Iran, wo Homeira Qaderi persische Literatur studiert und promoviert. Zurück in Kabul nimmt ihr Ehemann sich eine zweite Ehefrau. Als sie das nicht akzeptiert, beantragt er die Scheidung und verweigert ihr jeden Kontakt zu dem gerade mal eineinhalb Jahre alten Sohn. Über Jahre kämpft Homeira vor afghanischen Gerichten um ihn. Vergeblich: Wo Frauen nichts gehört, gehören ihnen auch ihre Kinder nicht. Die Erinnerungen an diese Zeit werden durch eindringliche Briefe an ihr unerreichbares Kind illustriert. Heute lebt ihr Sohn mit ihr in den USA.
Homeira Qaderi:
Dich zu verlieren oder mich.
Arche Verlag
Hamburg/Zürich 2023
240 Seiten, 22,00 €