Porträt einer Generation : Die Babyboomer und das Gefühl, "zu viele" zu sein
Der Soziologe Heinz Bude hat ein unterhaltsames Buch über das Erleben und Denken der Babyboomer-Generation geschrieben.
Geht es in der öffentlichen Debatten um die "Babyboomer", dann geht es meist um die Rente. Seit die geburtenstarken Jahrgänge der zwischen 1955 und 1970 Geborenen in Rente gehen, ist die Angst vor einem Kollaps des Rentensystems groß: Der "Generation der vielen" stehen immer weniger Jüngere gegenüber.
Wer diesen Fokus erweitern möchte und sich fragt, wer all die Menschen sind beziehungsweise was sie waren, bevor sie zu "Rentnern" wurden, der ist mit dem Büchlein des Soziologen Heinz Bude gut bedient. Das neueste Werk dies publizistisch umtriebigen Generationenforschers heißt zwar "Abschied von den Boomern", aber von Melancholie ist wenig zu spüren. Bude, selbst Angehöriger dieser Generation, hat vielmehr ein sehr unterhaltsames, episodenhaftes Porträt dieser Gruppe von Menschen in ihren verschiedenen Lebensphasen geschrieben. Angefangen vom Aufwachsen in den "Nachbeben des Weltkriegs" mit dem Nachbarn ohne Arm, über die Öffnung des Bildungssystems in den 1970er Jahren und die ungeahnte Möglichkeit, auch als Arbeiterkind zu studieren bis hin zur "lebensgeschichtlichen Ichfindung" in der Phase des Neoliberalismus.
Blick auf die gemeinsame deutsche Nachkriegsgeschichte
Wissenschaftliche Distanz zum Thema gibt es selten. Im Gegenteil plaudert der Autor munter aus dem Nähkästchen der eigenen Biografie und scheint sichtlich Spaß daran gehabt zu haben, dieses Denkmal zu errichten. Dieser Ansatz führt allerdings auch dazu, dass einen beim Lesen das Gefühl beschleicht, es geht hier vor allem um die eigene "Crowd" von, dem Wehrdienst entflohenen, Akademikern in Westberlin.
Heinz Bude:
Abschied von den Boomern.
Hanser,
München 2024;
144 Seiten, 22,00 €
Davon weicht Bude aber auch immer wieder ab, indem er konsequent nach Osten blickt und fragt, was West- und Ost-Boomer verbindet und trennt. Deutsche Nachkriegsgeschichte tritt hier nicht, wie zu oft in vergleichbaren Betrachtungen, nur als westdeutsche Geschichte auf, sondern wird gemeinsam gedacht.