Geschichte der Bohème : Die Bohème als Labor der Zukunft
Mit "Freiheit, Rausch und schwarze Katzen" will Andreas Schwab den Begriff der Bohème von Mythen befreien und in seiner Ambivalenz darstellen.
Ob August Strindberg oder Edvard Munch - berühmte Namen verbinden sich mit dem Begriff der Bohème, jener künstlerischen Subkultur, die sich ab dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zuerst in Paris, dann in Berlin, München und Wien entwickelte. Wir wissen auch, dass der gemeine Bohèmien ein armer, träumerischer Schlucker war, der sich in Caféhäusern herumtrieb und sich von einer Frau, seiner Muse, anhimmeln lies.
Andreas Schwab möchte sich mit seinem Buch aber nicht einfach einreihen in diese lange Reihe von Betrachtungen über diese Künstlerszene. Er möchte vielmehr den Begriff von einigen Mythen und Klischees befreien und die Szene in ihrer Ambivalenz darstellen. Denn auch wenn sich der Bohèmien von Politik meist fernhielt, Frauen an den Rand drängen wollte und sein Außenseitertum durch die, zum Teil radikale, Infragestellung bürgerlicher Werte kultivierte, habe sich kaum jemand so um das Gemeinwesen verdient gemacht wie die Bohéme, schreibt Schwab. "Die Dekadenz, die Libertinage, das Lotterleben wirkte letztlich doch um einiges attraktiver als eine graue 'wissenschaftliche' Fortschrittstheorie". Die Boheme habe vorgelebt, was sich später in der Mitte der Gesellschaft durchzusetzen begann.
Blick auf die Rolle der Frauen
Dabei lenkt er den Blick bewusst auch auf die Frauen, die allzu häufig einzig als "Musen" beschrieben und damit herabgewürdigt worden seien. Das Positive an ihrer Rolle im Hintergrund sei gewesen, dass sie in der Wahl ihrer künstlerischen Mittel eine größere Freiheit hatten als die "lähmendem Konkurrenzdruck" ausgesetzten Männer, so Schwab. Und so geht man mit ihm auf eine sehr unterhaltsame Reise, taucht im Pariser Kabarett "Le Chat Noir" am Montmartre unter und im "Schwarzen Ferkel", einer Bar mit 900 Schnäpsen im Sortiment in der Wilhelmstraße/Ecke Unter den Linden wieder auf. Und wundert sich, welch illustren Figuren und Gedanken man auf diesem Weg begegnet ist.
Andreas Schwab:
Freiheit, Rausch & schwarze Katzen.
Eine Geschichte der Boheme.
C.H. Beck,
München 2024;
297 Seiten, 28,00 €