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Nordkorea : Die gefährliche Prinzessin von Pjöngjang

Der südkoreanische Wissenschaftler Sung-Yoon Lee porträtiert Kim Yo Jong, die Schwester von Nordkoreas Diktator Kim Jong Un. Insider-Informationen liefert er nicht.

12.09.2024
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3 Min

Ihren bislang größten internationalen Auftritt hatte Kim Yo Jong im Zeichen der olympischen Ringe. Im Februar 2018 nahm die damals 30-jährige Schwester des nordkoreanischen Diktators Kim Jong Un mit anderen prominenten Gästen wie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und dem damaligen US-Vizepräsidenten Mike Pence an der Eröffnungsfeier der Olympischen Winterspiele im südkoreanischen Pyeongchang teil. Sie war damit das erste Mitglied der seit 1945 in Nordkorea herrschenden Kim-Dynastie, das den Süden der koreanischen Halbinsel besuchte.

Foto: picture alliance/dpa/TASS

"Die Schwester": Kim Yo Jong gilt als die mächtigste Frau Nordkoreas und engste Vertraute ihres Bruders und Diktators Kim Jong Un.

Der gebürtige Südkoreaner Sung-Yoon Lee, Professor für Koreastudien an der Tufts University in Massachusetts, hat jetzt ein Buch über Kim Yo Jong veröffentlicht, die er "die gefährlichster Frau der Welt" nennt. Ausführlich schildert der Autor den Besuch der Schwester Kim Jong Uns im verfeindeten Süden und mokiert sich dabei auch über die Reaktion der Südkoreaner auf die attraktive und geschmackvoll gekleidete Kim Yo Jong. "In den kommenden zwei Tagen versetzte die geheimnisvolle junge Prinzessin aus Pjöngjang ganz Südkorea in Verzückung, und das, obwohl sie kaum mehr tat, als zu gehen, zu sitzen, zu essen, gelegentlich etwas zu sagen, ab und zu einmal zu lächeln."

Allein, die Euphorie währte nicht lange. Nachdem ein Jahr später im Februar 2019 die Verhandlungen zwischen US-Präsident Donald Trump und Kim Jong Un über eine Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel gescheitert waren, zog zwischen Süd- und Nordkorea eine neue Eiszeit auf.

Kim Yo Jong ist zuständig für Agitation und Propaganda

Kim Yo Jong, die wie ihr Bruder als Teenager auf eine Schweizer Privatschule bei Bern geschickt worden war und offiziell als Vize-Chefin der Abteilung Agitation und Propaganda im ZK von Nordkoreas kommunistischer Partei fungiert, wechselte flugs die Rolle und tat sich fortan mit besonderer Radikalität hervor. So befahl sie im Juni 2020 die theatralische Sprengung des innerkoreanischen Verbindungsbüros nördlich der Grenze, dessen Errichtung erst wenige Jahre zuvor von Südkorea finanziert worden war. Am Tag danach überzog sie den damaligen südkoreanischen Präsidenten Moon, der große Hoffnungen in eine Aussöhnung mit dem Norden gesetzt hatte, mit einer üblen Schimpftirade und bezeichnete ihn unter als "kriecherischen Bettler" und "Lakaien der USA". 

So wie vieles an den Machtverhältnissen in Nordkorea für Außenstehende undurchschaubar bleibt, kann allerdings auch der Autor Sung-Yoon Lee nicht entschlüsseln, über wie viel eigene Macht Kim Yo Jong verfügt und inwieweit sie nur den Anweisungen ihres Bruders folgt.


Sung-Yoon Lee:
Die Schwester.
Die Geschichte der gefährlichsten Frau der Welt.
Hoffmann und Campe,
Hamburg 2024;
304 Seiten, 26,00 €


So führt auch der Titel des Buches etwas in die Irre, denn über weite Strecken geht es nicht um Kim Yo Jong, sondern um ihren Bruder, ihren Vater Kim Jong Il und natürlich auch ihren Großvater Kim Il Sung, den Gründer des Herrscherhauses. Es bietet zwar eine interessante Zusammenfassung öffentlich zugänglicher Informationen über die nordkoreanische Politik, aber keine Insider-Informationen. Und auch die Frage, warum es möglich ist, dass eine einzige Familie das Land seit mittlerweile fast acht Jahrzehnten im eisernen Griff hält, kann der Wissenschaftler Sung-Yoon Lee leider nicht beantworten.