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Herfried Münklers "Welt in Aufruhr" : Die großen Fünf

Herfried Münkler geht der Frage nach, wie eine verlässliche Weltordnung beschaffen sein muss, um Frieden und Stabilität zu gewährleisten.

30.11.2023
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2 Min

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat erneut die Frage aufgeworfen, wie das Verhältnis zwischen den führenden Mächten auf dieser Welt künftig aussehen müsste, um Frieden und Stabilität zu gewährleisten. Der gewaltsame Konflikt am Rande Europas, vor allem aber die globalpolitischen Verwerfungen der letzten Jahrzehnte haben Herfried Münkler angeregt darüber nachzudenken, wie eine ansatzweise verlässliche Weltordnung beschaffen sein muss und welche Muster und Lehren die Geschichte dazu bereit hält.

Drei Theoriemodelle für verschiedene Friedensordnungen

Der emeritierte Politik-Professor von der Berliner Humboldt-Universität ist für seinen analytischen Weitblick ebenso bekannt wie für seine scharfsinnige Interpretation historischer Strukturen und ideengeschichtlicher Klassiker. So zeigt er ausgehend vom Ende des Kalten Kriegs und der bipolaren Welt an drei Theoriemodellen, wie verschiedene Friedensordnungen aussehen könnten und welche politischen, wirtschaftlichen und militärischen Strategien im Umgang mit revisionistischen Mächten denkbar sind und im Falle Russlands eventuell gewesen wären. Indes waren diese zum Scheitern verurteilt, müssen doch das Miteinander und das Selbstverständnis der Vormächte in einer neuen Weltordnung entsprechend austariert werden.

Hierbei entfaltet er ein breites Panorama der geopolitischen Voraussetzungen und Wandlungen von Großmachtsbildungen in der Geschichte sowie historischer Beispiele einer multipolaren Welt, die auf dem Prinzip des Binären (Krieg oder Frieden), der Symmetrie, der Souveränität und dem Gleichgewicht der Mächte basiert. Für ihn bestimmen künftig die USA, China, Russland, die Europäische Union und Indien die Weltordnung, die sich als führende Mächte gegenseitig anerkennen müssen. Ihre wirtschaftlichen, politischen und militärischen und kulturellen Potenzen machen sie zwar zu Vormächten, doch Beständigkeit und Flexibilität gewinnt die neue Weltordnung erst durch ein System kalkulierbarer Abhängigkeiten, spezifischer Einflusszonen und konkurrierender Wertesysteme.

Komplexe politische Realitäten und Zwänge

All seine historischen und ideengeschichtlichen Vergleiche zielen letztlich darauf ab, präzisere Vorhersagen für eine künftige Weltordnung und deren Prämissen zu treffen. Seine äußerst differenzierten Betrachtungen dienen deshalb als Folie, um die Strukturen und den Charakter einer ausbalancierten Weltordnung zu skizzieren. Münklers diesbezügliche Analysen der gegenwärtigen geopolitischen Lage, seine Schlussfolgerungen und Prognosen sind wohl durchdacht abgewogen und weit gespannt. Doch hängt das Gelingen des von ihm gezeichneten Mächtesystems von weitaus mehr Faktoren ab. Die politischen Realitäten und Zwänge sind oftmals komplexer, das Handeln der politischen Akteure nicht zwangsläufig rational und ihre Interessen nicht immer durchschaubar. Gleichwohl leistet Münklers ebenso innovative wie intellektuell anspruchsvolle Studie einen wertvollen Beitrag zum aktuellen politischen Diskurs. Seine Anregungen, Analysen und Appelle sollten sich die Politiker auf dem internationalen Parkett zu Herzen nehmen. Dann kämen wir einer stabileren Weltordnung vielleicht etwas näher.

Herfried Münkler:
Welt in Aufruhr.
Die Ordnung der Mächte im 21. Jahrhundert.
Rowohlt Berlin,
Berlin 2023;
528 Seiten, 30,00 €