Nürnberg 1945/46 : Uwe Neumahr: Das Schloss der Schriftsteller

1945/46 traf im kriegszerstörten Nürnberg Weltliteratur auf Weltgeschichte. Wohl nie zuvor und nie danach kamen so viele Schriftsteller, Reporterinnen, politische Berichterstatter höchster Prominenz aus aller Welt zusammen. Sie kamen, um den Nürnberger Prozess gegen die deutschen Hauptkriegsverbrecher zu beobachten - den ersten seiner Art: Nie zuvor wurden die politisch und militärisch Verantwortlichen eines verbrecherischen Regimes vor einem internationalen Gerichtshof zur Rechenschaft gezogen. Die Berichterstatter wollten Zeugnis ablegen von den Gräueln der Nazis, dem Krieg, der Judenvernichtung. Unter den Berühmtheiten und denen, die es später werden sollten, waren Erich Kästner, Erika Mann, John Dos Passos und Martha Gellhorn, Willy Brandt und Markus Wolf, Augusto Roa Bastos aus Paraguay, Xiao Qian aus China, Walter Cronkite aus den USA. Im Gerichtssaal blickten sie den Verbrechern ins Auge, Männern wie Göring und Ribbentrop, Streicher und Heß. Im Press Camp versuchten sie, das Noch-nie-Dagewesene in Worte zu fassen.

Einblick in einen Mikrokosmos in Stein bei Nürnberg

Das Presselager, das Leben und das Arbeiten darin, das Streiten und das Trinken und Feiern, der Konkurrenzkampf, und die Verzweiflung beim Blick in den Abgrund der Geschichte - dieser Mikrokosmos ist das eigentliche Zentrum des Buches "Das Schloss der Schriftsteller". Autor Uwe Neumahr blättert darin die erstaunlicherweise bisher kaum bekannte Geschichte dieser Zeit an diesem Ort auf. Das titelgebende Schloss ist das von den Amerikanern beschlagnahmte Schloss der Bleistiftfabrikanten Faber-Castell in Stein bei Nürnberg. Was vornehm und luxuriös klingt, war tatsächlich eine teils eher unzumutbare Wohn- und Arbeitsstätte auf Jugendherbergsniveau. Man schlief beengt auf Feldbetten und versuchte es miteinander auszuhalten. In 13 Porträts fängt Neumahr unter verschiedensten Gesichtspunkten das Besondere dieser wirklich sehr besonderen Geschichte ein.