Glosse : Fernduschen, fremdwohnen
Die Herausforderungen der Zeit erfordern teils ungewöhnliches Engagement. Für die Energiekrise gilt: Ist es zu Hause kalt und klamm, nähere Dich dem Süden an.
Die Grünen sind am Ziel: Wir haben eine Gaskrise und frieren, retten aber das Klima, wir haben einen Stromengpass, bauen aber mehr Windräder als Straßenlaternen, wir ruinieren die Wälder nicht mehr, dafür aber vielleicht die Wirtschaft. Wir kaufen Toastbrot statt Brötchen, dafür müssen Bäcker nicht mehr so familienunfreundlich früh aufstehen. Sie können stattdessen ihren Kindern mit einer Energiepreiskalkulation am Beispiel der eigenen Insolvenz zu einem unerwarteten Bildungshöhepunkt verhelfen.
Weltretter sind keine Warmduscher
In der Not rücken wir fröstelnd zusammen. Kalt duschen stärkt den Charakter. Und bevor warm duschen so viel kostet wie der Wochenendeinkauf im Bioladen, greifen wir halt zu Kretschmanns Waschlappen. Außerdem stimmt bei uns stets der gedankliche grüne Überbau. Mit Verzicht zeigen wir dem Sowjet-Gröfaz aus der KGB-Kaderschmiede die eiskalte Schulter. Alles hat seinen Preis, aber die Richtung stimmt. Manche Leute werden sich im Winter eine Lungenentzündung holen, andere werden abgehärtet. Darwin hat das gut erklärt: "Survival of the fittest."
Wir wären kein Sozialstaat, hätten wir nicht auch für nörgelnde Warmduscher ein Angebot. Lidl bietet 22 Tage türkische Riviera, Fünf-Sterne-Hotel, all-inclusive, mit Transfer, Rückenmassage und Gesichtsbehandlung für 599 Euro. Mit Gesichtsbehandlung! Die Botschaft: Ist es zu Hause kalt und klamm, nähere Dich dem Süden an. Das ist zwar nicht grün, aber solange Erdogan - ein Opfer der türkischen Bildungskrise - den Zusammenhang zwischen Zinsen und Inflation nicht versteht, können wir in der Türkei preiswert fremdwohnen und fernduschen. Jetzt aber schnell nach Hause, Billigreise nach Antalya gebucht und, ganz wichtig, zu Hause die Gastherme ausschalten!