Glosse : Heiliger Heizpilz
Mit Kerzenschein und Keksen wird es in der Adventszeit so richtig gemütlich. Doch der Ukrainekrieg und Corona trüben die Stimmung. Zum Glück gibt es Punsch.
Ach ja, Adventszeit, alles glitzert leuchtet, duftet. Gegen Dezemberkälte, grauen Himmel und Weihnachtseinkaufsstress stemmen wir uns erfolgreich mit Glühwein, Langos und gebrannten Mandeln. Irgendwie ist doch alles nicht so schlimm. Der Krieg ist wieder weiter weg (nicht nur Zeit, auch Distanzen sind anscheinend relativ, denken Sie mal drüber nach, lieber Herr Einstein!). Noch lag keine Heizkostenabrechnung im Briefkasten und immerhin muss man sich nicht mehr den Kopf darüber zerbrechen, ob man die Spiele der deutschen Fußballnationalmannschaft in Katar schlechten Gewissens gucken kann oder nicht.
Doch Moment, klettern da etwa leise Zweifel den Hinterkopf empor, wie ein kalter Hauch Winterluft durch den Spalt zwischen Daunenmantelkragen und Kaschmirschal? Ruft da nicht leise die Stimme der Nachrichtensprecherin, des Energieministers, der Außenministerin oder des Gesundheitsministers monoton in Erinnerung, was gerade Phase ist?
Glühwein gegen schlechtes Gewissen
Lieber schnell den Punsch nachschenkten, nicht, dass wir am Ende noch verdrießlich werden. Ist schließlich bald Weihnachten und so, und da wird man sich wohl noch ein bisschen Eskapismus erlauben dürfen mit Lebkuchen, Adventskranz und Jagertee. Wie könnte das besser gelingen, als durch das Festhalten an der guten, alten Zeit? Und wer könnte die besser verkörpern als der Heizpilz, der Dinosaurier der Überflussgesellschaft, die dekadenteste Erfindung seit es Weihnachtsmärkte und Außengastronomie im Winter gibt?
Er ist nicht totzukriegen, verlässlich wie jedes Jahr ohne Energiekrise wärmt er verwöhnte Großstädter vor hippen Weinläden und coole Raucherinnen vor Kiezcafés. Wir scharen uns drunter wie einst die Neandertaler um das Feuer, reiben unsere Hände an warmen Tassen und freuen uns, das alles so ist wie jedes Jahr.