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Ortstermin: Die Kinderkommission des Bundestages : "Armut ist mehr als der Mangel an Geld"

Kinder und Jugendliche sind auch in Deutschland von Armut bedroht. Die Kinderkommission des Bundestages setzt sich seit 1988 für die Belange der Jüngsten ein.

04.10.2022
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2 Min
Foto: DBT/ Jörg Carstensen/photothek

Beim öffentlichen Expertengespräch zum Thema "Kinderarmut und Bildung" geben Birgit Herz (Leibnitz Universität Hannover), Irina Volf (Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik) und Susanne Lochner (Deutsches Jugendinstitut) der Kinderkommission Auskunft.

Kinderarmut: Sie muss selbst in einem entwickelten Land wie Deutschland als Dauerkrise bezeichnet werden. So die Diagnose der drei Sachverständigen im jüngsten öffentlichen Expertengespräch der Kinderkommission des Deutschen Bundestages (KiKo) zum Thema "Kinderarmut und Bildung". Die KiKo vertritt als Unterausschuss des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend die Interessen von Kindern und Jugendlichen im Parlament.

Wohlergehen der Kinder hängt vom Bildungsgrad der Eltern ab

In dem Gespräch wiesen die Expertinnen darauf hin, wie stark das Wohlergehen der Kinder und Jugendlichen vom Bildungsgrad der Eltern abhänge. Generell sei die Armutsgefährdung von Kindern und Jugendlichen höher als in der Gesamtgesellschaft, sagte Susanne Patricia Lochner vom Deutschen Jugendinstitut, vor allem Kinder mit formal gering gebildeten Eltern wiesen jedoch ein deutlich höheres Armutsrisiko auf. Kinder in armen und bildungsfernen Haushalten seien häufiger einer Reihe von Belastungen ausgesetzt. Zu den materiellen kämen soziale Entbehrungen, es werde weniger vorgelesen und in der Freizeit unternommen. Schließlich leide die Gesundheit und es komme zu Entwicklungsverzögerungen.

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Besonders frustrierend sei, dass die chancenmindernden Lebensverhältnisse oft von Generation zu Generation weitergegeben würden. "Armut ist mehr als der Mangel an Geld, sondern eine prägende Lebensbedingung, die mit vielen Einschränkungen und Benachteiligungen einhergeht", betonte Irina Volf vom Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik. Armut "als Risiko für eine altersgemäße Entwicklung" habe "weitreichende Konsequenzen für den gesamten Bildungsverlauf", sie behindere die Betroffenen oft ihr Leben lang. Kinder aus armen Familien erreichten meist schlechtere Bildungsabschlüsse. Alarmierend sei, dass Vierjährige aus armen Familien lediglich 50 Prozent der altersgemäßen Kulturtechniken beherrschten. Staat und Gesellschaft müssten großes Interesse daran haben, dass Kindern und Jugendlichen ihr Lebenslauf gelinge.

Sachverständige fordern hochwertige Betreuung und Bildungsangebote

Kinderarmut treffe in Deutschland auf ein chronisch unterfinanziertes öffentlichen Erziehungs- und Bildungswesen, sagte Birgit Herz vom Institut für Sonderpädagogik der Leibniz Universität Hannover. Das sei angesichts der individuellen Lage vieler Kinder sowie der gesellschaftlichen Bedeutung des Themas verantwortungslos. Die Expertin mahnte zugleich, sich "von der Illusion der Chancengleichheit" zu "verabschieden". Es sei irrig zu glauben, dass "alle alles machen können".

Dieser Inklusionsanspruch sei zudem nicht mehr zu finanzieren. Es könne künftig lediglich darum gehen, bestimmte Härtelagen abzumildern. "Wir müssen die Integrationsfähigkeit der Gesellschaft im Blick behalten. Inklusion und Integration können wir nicht völlig losgelöst von der weltwirtschaftlichen Entwicklung machen." Politik und Gesellschaft müssten Kindern aus bildungsfernen Familien mehr Aufmerksamkeit schenken, deren Lebenssituation von der Armut der Erwachsenen entkoppeln. Sie benötigten eine qualitativ hochwertige Betreuung und zusätzliche Bildungsangebote und das möglichst bereits im Vorschulalter, forderten die Sachverständigen.