Ortstermin: Medienpreis des Bundestages : Das Diensthandy als Machtmittel
Der Medienpreis des Bundestages würdigt herausragende publizistische Arbeiten. In diesem Jahr wird ein Beitrag über das Diensthandy der Kanzlerin ausgezeichnet.
Die Journalistinnen Constanze von Bullion (l.) und Karoline Meta Beisel (r.) nahmen den Medienpreis von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (Mitte) entgegen.
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas hat vergangene Woche vier Journalistinnen mit dem Medienpreis Parlament 2022 des Deutschen Bundestages ausgezeichnet. Constanze von Bullion, Karoline Meta Beisel und deren Kolleginnen Lara Fritzsche und Nicola Meier hatten am 3. September 2021 im Magazin der "Süddeutschen Zeitung" den Beitrag "Handy-Jahre einer Kanzlerin" veröffentlicht.
Unabhängige Jury vergibt Medienpreis
Die siebenköpfige unabhängige Medienpreis-Jury wertete dieses Lesestück als "Meisterleistung", wie die Jury-Vorsitzende Claudia Nothelle, Professorin für Fernsehjournalismus, erläuterte. 20 Befragte geben darin ihre persönlichen Erfahrungen zu Protokoll, wie Angela Merkel in ihrer Amtszeit als Bundeskanzlerin mit ihnen kommuniziert und dabei das "Diensttelefon als Machtmittel" eingesetzt hat. Zu den Zitierten gehören politische Weggefährten und Gegner, darunter Horst Seehofer (CSU), Markus Söder (CSU), Elmar Brok (CDU), Katarina Barley (SPD), Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen) und Bodo Ramelow (Die Linke), aber auch der frühere EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und die ehemalige Frauenfußball-Bundestrainerin Silvia Neid.
"Sie schätzte das Handy als Komplizen, der ihr einen Regierungsstil erlaubte, der oft als geräuschlos beschrieben wurde", schreiben die Autorinnen über Merkels Verhältnis zu ihrem Diensttelefon. Der Beitrag habe die Jury durch seine Sprache und die Idee überzeugt, sagte Nothelle: "Der Artikel setzt an bei der Neugierde der Leserschaft." Er sei ein Porträt der Kanzlerin, in dem sie selbst kaum vorkomme, eine Analyse der Kommunikation Merkels, "kurz, klar und nüchtern".
Siebzig Beiträge wurden eingereicht
Aus den 70 eingereichten Beiträgen fand die Jury zwei weitere preiswürdig, weshalb sie ebenfalls nominiert waren: die Fernsehdokumentation "Sollen wir losen statt wählen?" der Regisseurin Romy Steyer und die Veröffentlichung "Eine Frage der Demokratie" von Boris Herrmann. Steyers Film, den der Sender Arte am 18. September 2021 erstmals ausstrahlte, beschreibt die Suche nach "anderen Wegen, wie man kollektive Entscheidungen trifft", und fragt, ob "unsere Kreuze auf dem Wahlzettel überhaupt noch zeitgemäß" seien. Steyers Nachforschungen münden in das Fazit: "Vielleicht geht es gar nicht darum, wie wir wählen, sondern darum, dass wir überhaupt eine Wahl haben." Boris Herrmanns Thema in seinem am 27. März 2021 in der "Süddeutschen Zeitung" erschienenen Beitrag ist die Kontrolle der Regierung durch den Bundestag mit Hilfe sogenannter Kleiner Anfragen, die die Oppositionsfraktionen an Kanzleramt und den Ministerien richten.
Bundestagspräsidentin Bas unterstrich bei der Preisverleihung die Bedeutung der Medienvielfalt: Eine wehrhafte Demokratie müsse Antworten finden, Hass und Hetze seien keine legitime Meinung. Die Demokratie müsse immer wieder erkämpft werden, müsse sich verändern und modernisieren. Mit dem seit 1993 vergebenen und mit 5.000 Euro dotierten Medienpreis würdigt der Bundestag herausragende publizistische Arbeiten, die zu einem vertieften Verständnis parlamentarischer Abläufe, Arbeitsweisen und Themen beitragen.