Ortstermin : Geheimnisse der Quadriga gelüftet
Die bewegende Geschichte der Quadriga wird im Bundestag ausgestellt. Durch originagetreue Gipsnachbildungen kann die Skulptur aus der Nähe betrachtet werden.
Historische Gipsformen der Quadriga wurden in den vergangenen Jahren zusammengeführt und können nun im Bundestag besichtigt werden.
Sie ist wohl eine der meistfotografierten Frauen Berlins und eine Ikone der deutschen Geschichte. Einen genauen Blick auf ihr Gesicht zu erhaschen, gestaltet sich jedoch schwierig - denn sie thront in über 26 Metern Höhe, oben auf dem Brandenburger Tor. Doch nun kann man in der Sonderausstellung "Die Geheimnisse der Quadriga. Entstehung, Zerstörung, Wiedergeburt" eine originalgetreue Nachbildung der Siegesgöttin Viktoria mitsamt Teilen ihres Viergespanns genauer betrachten.
"Es ist wahrlich eine unglaublich verrückte Geschichte, wie die Quadriga vom Brandenburger Tor hier in den Bundestag kommt", sagt die Abgeordnete Monika Grütters (CDU) in ihrer Eröffnungsrede zur Ausstellung am Mittwochnachmittag. Und sie hat Recht - hat die Quadriga doch eine bewegte Vergangenheit hinter sich.
Spannende Vergangenheit
1793 wurde die von Johann Gottfried Schadow entworfene Skulptur auf das Brandenburger Tor gesetzt, zwei Jahre nach dessen Fertigstellung. Ursprünglich sollte die Dame auf dem Wagen die Friedensgöttin Eirene darstellen und nach dem Sieg der Preußen im Siebenjährigen Krieg den Frieden zurück in die Stadt bringen. Als 1806 Napoleon in Berlin einmarschierte, gefiel ihm die Quadriga so gut, dass er sie nach Paris entführte. Erst mit der Niederlage Frankreichs in der Völkerschlacht bei Leipzig kam das Viergespann nach Berlin zurück. Die Berlinerinnen und Berliner sprachen fortan von der "Retour-Kutsche" und aus der Friedensgöttin Eirene wurde die Siegesgöttin Viktoria. Nach der weitgehenden Zerstörung der Quadriga im Zweiten Weltkrieg, wurde sie sowie das Brandenburger Tor, gegen Ende der 1950er Jahre, inmitten des Kalten Krieges, in Kooperation zwischen Ost- und Westberlin restauriert.
Als in den Jahren 2015 und 2016 vergessene Gipsformen der Skulptur an verschiedenen Orten in Berlin wiederentdeckt wurden, war die Freude groß. Es handelte sich um Modelle, die 1942 heimlich von den Nationalsozialisten - in Voraussicht auf eine mögliche Zerstörung der Quadriga - hergestellt und für die Nachbildung des kriegszerstörten Denkmals genutzt wurden.
Dies sei die letzte Spur zur originalen von Schadow entworfenen Figur, sagt Miguel Helfrich, Leiter der Gipsformerei der Staatlichen Museen zu Berlin. "In den Modellen sind sehr viele Informationen gespeichert, die in der Quadriga auf dem Brandenburger Tor nicht mehr zu finden sind." So könne anhand der Gipsabformungen nachvollzogen werden, wo die Figur in der Vergangenheit verändert, beschädigt oder repariert wurde. Heute stelle die Rekonstruktion der Modelle außerdem sicher, dass auch künftige Schäden sachgerecht ausgebessert werden können.
Rekonstruktion eines Wahrzeichens
Experten der Gipsformerei haben mehrere hundert der wiederentdeckten Teile in den vergangenen zwei Jahren in einer Schauwerkstatt im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus des Bundestages zusammengesetzt. So können heute Modelle der Siegesgöttin sowie mehrere Pferdetorsos und Teile des Wagens betrachtet werden.
Helfrich sagt, dass viele, Touristen wie Berliner, bis heute nichts von der bewegenden Vergangenheit der Quadriga wissen. "Wenn man vor dem Brandenburger Tor steht, dann denken die meisten Menschen, sie sehen das Original. Aber da oben steht kein Original, sondern eine Nachbildung". Im Bundestag wird die Geschichte der Quadriga nun einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Noch bis zum 31. März 2024 ist die Ausstellung im Mauer-Mahnmal im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus für Besucherinnen und Besucher geöffnet.